Kostenlose Busse: Weihnachtsträumerei oder echte Alternative?

Noch eine Woche, dann dürfen in Tallinn, Hauptstadt Estlands, alle Einwohner den öffentlichen Nahverkehr kostenlos nutzen. Damit wird Tallinn ab Neujahr die erste Hauptstadt weltweit, die auf Bus- und Bahntickets verzichtet.

Busfahren ohne Ticket? Ein schönes Weihnachtsgeschenk, Träumerei oder echte Alternative zum drohenden Verkehrskollaps im Tal?

Kostenlos in den Bus Ein- und Aussteigen, wann immer man will? Träumerei oder eine echte Alternative?

Vor ziemlich genau einem Jahr hatten wir hier schon einmal über das Thema geschrieben. Damals war Templin unser Beispiel. In der 14.000 Einwohner-Gemeinde in der Nähe von Berlin hatte man zur Jahrtausendwende den Nahverkehr kostenlos angeboten.

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Eine 15-fache Steigerung der Fahrgastzahlen innerhalb weniger Jahre war das Ergebnis. Dementsprechend auch weniger Lärm, Abgase und Unfälle in der Stadt.

Die Grundstimmung ist auch am Tegernsee positiv

Jetzt ist das aktuelle Beispiel Tallin, wo man durch das kostenlose Angebot zur grünen Vorzeigestadt Europas werden will und sich das auch einiges kosten lässt. Vielleicht liegt es an der Weihnachtszeit und an der allgemeinen Geschenkestimmung, dass das Thema immer wieder im Dezember bei uns auf dem Tisch landet.

Vielleicht liegt der Grund auch darin, dass die Tegernseer Lokalpolitik nicht grundsätzlich ablehnend ist, wie Äußerungen vor einiger Zeit vermuten lassen:

Rottachs Zweiter Bürgermeister Hermann Ulbricht findet die Idee grundsätzlich gut. “Konkret haben wir aber im Gemeinderat noch nicht darüber gesprochen”, so Ulbricht und ergänzt: “Man müsste auch klären, was die anderen Gemeinden von dieser Sache halten.” Im nächsten Schritt geht es laut Ulbricht dann um die Kosten für die “Nulltarif”-Nutzung von Bussen durch Einheimische./p>

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Der Kreuther Geschäftsleiter Hans Patzlsperger sieht allerdings auch haushaltspolitische Bedenken und sagt: “Hier würde es sich um eine freiwillige Leistung der Gemeinden handeln. Ich gehe daher davon aus, dass wegen der angespannten Haushaltslagen der Gemeinden das Landratsamt zumindest Bedenken haben wird, wenn man der Bevölkerung eine solche Dienstleistung anbietet.”

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“Ganz kostenlos geht es natürlich nicht”, meint Alfons Besel. Der Gmunder Geschäftsleiter denkt da, wenn überhaupt, an eine Art Jahresticket für Einheimische. Aus der Luft gegriffen nennt Besel einen Betrag von 45 Euro. “Dann machen sich die Leute auf jeden Fall mehr Gedanken über Buspläne und das ÖPNV-Angebot”, so Besel und betont: “Man müsste einmal die Vor- und Nachteile abwägen. Vor allem, was den Ziel- und Quellverkehr am Tegernsee angeht, könnte dadurch die Straße sicherlich etwas entlastet werden.”

Die Gründe, warum es einige Städte und Gemeinden gibt, in denen man schon heute ohne Ticket in Busse und Bahnen einsteigen kann, sind meist ähnlich und weniger weihnachtlich, denn wirtschaftlich: Die Verantwortlichen erhoffen sich eine Verringerung des Verkehrsaufkommens. Ganz konkret aber auch eine Belebung des Innenstadtbereiches und die Möglichkeit, durch mehr Mobilität die lokale Wirtschaft zu stärken.

Investiert wird in die touristische Nutzung

Im Tegernseer Tal ist man vom Gedanken des ticketfreien Nahverkehrs eigentlich nicht sehr weit weg. Schon lange dürfen Touristen die Busse rund um den See mit der Gästekarte nutzen. “Umsonst” ist das Ganze natürlich nicht. Die Ticketpreise werden über die Kurabgabe querfinanziert.

Im Jahr 2011 war die Karte für den Bus etwa 300.000 Mal im Einsatz. Den fünf Tal-Gemeinden sind so Gesamtkosten in Höhe von etwa 446.000 Euro entstanden. Heuer dürften aufgrund der höheren Ticketabgabe an den RVO die Kosten für die Gemeinden gestiegen sein.

Bei Gästen wird die Busnutzung über die Tegernsee Card gut angenommen.

Immer wieder gibt es aber auch im Tegernseer Tal Diskussionen, ob man das Busfahren rund um den See nicht für alle anders regeln könnte, beziehungsweise ob man die Nutzung nicht für Einheimische ähnlich gestalten könnte, wie für Touristen. Öfter schon wurde gefordert, dass hier lebende Rentner die Busse kostenlos nutzen dürfen. Versuchsweise wurde für Jugendliche eine kostenlose Busnutzung ins Jugendzentrum angeboten – ein Test, der nicht wirklich angenommen wurde.

Träumerei oder denkbare Alternative?

Wir wollen hier und heute auch gar nicht all zu tief in das Thema Finanzierbarkeit, Kosten, Nutzen und Aufwand einsteigen. Wir wollen einfach nur die Weihnachtszeit nutzen, um ein Thema in Erinnerung zu rufen, über das sich vielleicht nochmal nachzudenken lohnt. Andere Städte und touristische Regionen zeigen zumindest, dass es funktionieren kann oder trauen sich den Versuch es zu testen.

Vielleicht ist die Zeit über den Jahreswechsel und die ersten ruhigeren Wochen dafür geeignet, sich die Sache einmal genauer anzuschauen. Mit Zahlen und Kosten, die dadurch für die Gemeinden entstehen würden. Aber auch mit den Chancen und Möglichkeiten, die der Ansatz in einem neu gedachten Verkehrskonzept haben könnte.

Nicht nur als alljährlich wiederkehrender Wunschzettel unter dem Weihnachtsbaum, sondern als eine von vielen Möglichkeiten die Verkehrssituation am Tegernsee zu lenken und neu zu denken.

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