Für Traditionalisten ist es der Zusammenbruch – für kühle Rechner eine Selbstverständlichkeit. Kreuth schafft es nicht mehr aus eigener Kraft und sucht den Anschluss zum reichen Nachbarn im Norden. Erste diskrete Gespräche zwischen den Bürgermeistern liefen erfolgreich.
Die Weissach – bald nicht mehr der ‘Rio Grande’ zwischen Rottach-Egern und Kreuth? Foto: Redaktion
Gerade Sepp Bierschneider muss es schmerzen. Der Kreuther Bürgermeister leitet seit Jahrzehnten die Geschicke der Gemeinde im Süden des Tegernseer Tals. Leicht war es nie für die Kreuther. die reichen Nachbarn gaben die Themen vor, Kreuth musste mitmachen: Ob im Tourismus oder bei Fragen der Daseinsvorsorge. Immer häufiger mussten die Kreuther in der Vergangenheit auf die Infrastruktur der Rottacher zurückgreifen. Beispiel: Mit Mühe reichte es für eine Kinderbetreuung bis zur Grundschule. Aber schon der nächste Schulschritt musste für die Kreuther Schüler in Rottach-Egern, Tegernsee oder Gmund erfolgen.
Anderes Beispiel: Weniger als 50 000 Euro für die TTT war kaum aufzubringen. Kreuth nagt am haushalterischen Hungertuch.
Jetzt der Durchbruch: Josef Bierschneider hat von seinem Gemeinderat die Aufgabe erhalten, einen Zusammenschluss mit Rottach-Egern zu eruieren. Dort baut man gerade ein neues Rathaus, eine kommunale Ehe unter Ungleichen bietet sich da geradezu an. Schon jetzt wissen die allermeisten Besucher nicht, dass Weissach tatsächlich zu Kreuth gehört. Zu sehr hatte sich der Ortsteil von „Restkreuth“ abgenabelt. Rottach-Egern begrüßt den Anschluss. In einer Pressemitteilung der zukünftigen Groß-Gemeinde heißt es: “Für uns ist das eine natürliche Entwicklung. Schon immer fragten uns Gäste und auch neue Einheimische: ‘Wo fängt Kreuth eigentlich an? Das hat jetzt ein Ende. Von der Rottach bis nach Glashütte, vom Ringsee bis zur Valepp – das ist unsere neue Gemeinde. Kreuth wird wie Kühzagl oder Ellmmösl einfach ein schöner Ortsteil sein dürfen, den wir selbstredend weiterentwickeln werden. Wir sehen bald blühende Landschaften am Ausgang des Tegernseer Tals. Alle Kreuther können sich darauf verlassen, dass wir sie mit offenen Armen (und vielleicht auch einem Begrüßungsgeld) aufnehmen werden.”
“Nein, wir sind jetzt zu viert”. Die Talbürgermeister erklären die Fusion einem lokalen Geschäftsmann Foto: Redaktion
Sepp Bierschneider sieht sich selbst in der Verantwortung, einen möglichst schmerzfreien Übergang hin zu einer vitalen Groß-Gemeinde im Süden des Tegernseer Tals auf die Gleise zu bringen. Die Einsparungen durch den Wegfall von Doppelstrukturen sind immens. Kämmerer beziffern sie schon jetzt auf einen zweistelligen Millionen Euro Betrag.
Das jetzige Kreuther Rathaus könnte von einem Investor zu einem Motel One-Hotel umgewandelt werden. Die Arbeit der Kreuther Verwaltung wäre zum großen Teil von den Rottachern zu übernehmen. Wegfallende Positionen könnten von anderen Talgemeinden aufgenommen werden. Strittige Themen wie ein interkommunales Hallenbad müssten nicht mehr wegen leerer Kassen abschlägig behandelt werden.
Es wäre die neue Supergemeinde mit über 18.000 Hektar Gemeindefläche und 10.000 Einwohnern. Damit wäre sie neben Miesbach und Holzkirchen die drittgrößte Kommune im Landkreis. In einer Pressemitteilung der Gemeinde Kreuth heißt es:”Kommunale Zusammenschlüsse sind in diesen Zeiten zwingend. Da hilft auch keine lokalpatriotische Sicht. Wir müssen an die Zukunft unserer Bürgerinnen und Bürger denken.”
Der nächste Schritt wäre die Namensfindung für die neue Super-Kommune. Hier sind alle Bürger aufgerufen, Ideen einzureichen. Dann reichen die weiteren Fragen von der Rechtsnachfolge bis zum Umgang mit doppelt vorhandenen Straßennamen. Aber auch die ersten Kritiker haben sich bereits zu Wort gemeldet, sehen einen massiven Abfluss von Mitgliedern bei örtlichen Vereinen. “Wir waren jahrhundertelang allein. Warum sollten wir wegen einiger Großmannssucht-Projekten aus dem Norden klein beigeben?”, sagt uns anonym ein Kreuther Gemeinderat. Der Jurist fordert einen Bürgerentscheid, den er mit einem heimischen Gelegenheitslandwirt anstreben möchte. Auch in Rottach-Egern wollen Lokalpolitiker erst einmal einen Arbeitskreis gründen. “Wir brauchen da auch dringend einen Vertreter aus dem Tourismus (nicht TTT), der das ganze Projekt auch aus dieser Sicht abschätzt. Wir sind eine Premium-Destination. Da kann sich so ein Zusammenschluss auf die Marke “Rottach-Egern” durchaus negativ auswirken”, sagt uns eine Gemeinderätin. Auch ein Ratskollege, der ebenso nicht genannt werden wollte, pflichtet der Kollegin bei: “Übernahmen und Zusammenschlüsse sind in der Vergangenheit nicht immer gut gelaufen. Daimler-Chrysler, Bayer-Monsanto, Deutschland-Österreich…um nur einige Beispiele zu nennen.”
Aber Christian Köck gibt sich zuversichtlich. “Bürgerentscheide sind meine Spezialität. Das moderiere ich weg”, ist er sich sicher. Aber was ökonomisch sinnvoll ist, dürfte kulturell eine große Herausforderung werden. Wir sind gespannt auf Krottach-Egeuth…
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