Kreuther Bürger wollen in ihrem Ort ein Hackschnitzel-Heizwerk errichten. Mit im Boot die Gemeinde, weil kommunale Einrichtungen damit günstig mit Energie versorgt werden. Nur ein Hotelier blockiert. Erfolgreich?
Aus Öko-Projekt wird Nachbarschaftsstreit
Von fossilen Brennstoffen auf nachwachsende Rohstoffe umschwenken – in Zeiten der Klimakrise ist das eigentlich eine gute Idee, könnte man denken. Fünf Gemeinderäte und ein ansässiger Unternehmer hatten sich vor zwei Jahren zu einer Gesellschaft, der Nahwärme Kreuth GmbH, zusammengeschlossen, um in der Kreuther Ortsmitte ein Hackschnitzel-Heizwerk entstehen zu lassen. “Viel Geld ist damit nicht zu machen”, erklärt einer der Gründer, Markus Wrba. Er hat mit Christian Bock, Leonhard Rohnbogner, Joseph Rohnbogner und Stefan Gerold vor, möglichst viele Einrichtungen im Ort mir der Hackschnitzel-Energie zu versorgen. Auch die Gemeinde ist mit einem Sechstel an der Gesellschaft beteiligt. Denn so können jene kommunale Einrichtungen im Umfeld des Standorts wie Kindergarten, Hort, Schule und Turnhalle günstiger und unabhängig von Gas und Öl versorgt werden. Der zentrale Standort macht es möglich. Aber genau der ist auch der Haken an der Sache.
Das Heizwerk sollte in direkter Nachbarschaft zum ‘Hotel zur Post’ stehen. Inhaber Michael Rauh fand das nicht so gut: Abstandsflächen zu seinem Grundstück seien bei der Planung nicht eingehalten worden. Auch Fragen zu Brandschutz und möglichen Lkw-Lärm bei der Belieferung des Werks fand der Hotelier nicht beantwortet. Er klagte. Die Nahwärme Kreuth GmbH bot eine Verlegung des Standorts in den Bereich einer Wetterstation an. An den Mehrkosten in Höhe von 30 000 Euro sollte sich der Nachbar zur Hälfte beteiligen. Rauh lehnte ab. Fragt man Bürgermeister Sepp Bierschneider zeigt der sonst sehr ruhige Kommunalpolitiker sein Unverständnis: “Mir ist es nicht erklärbar, warum der Nachbar, der hier geklagt hat, erst abgewartet hat, bis die Baugenehmigung vorliegt und erst dann Rechtsmittel eingelegt hat.” Bierschneider ist bekannt dafür, Konflikte in Kreuth mit Gesprächen zu entemotionalisieren. Auch hier: “Ich war vor der Bauantragstellung persönlich bei ihm (Michael Rauh, Anmerkung der Redaktion), habe mit ihm die Pläne besprochen. Da hatte er kein Wort davon gesagt, dass er das Vorhaben ablehnt.”
Und auch nach der Klageerhebung habe nochmal ein Gespräch stattgefunden, so der Bürgermeister. Das Ziel: ein Kompromiss. “Aber auch dieser Versuch ist gescheitert. Kompromisse funktionieren nur, wenn beide Seiten dazu bereit sind und von ihren Positionen abweichen. Ein Kompromiss ist aber nicht möglich, wenn eine Seite auf ihrem Standpunkt beharrt”, so Bierschneider enttäuscht.
Kommune hätte mit Hackschnitzel gespart
Für die Nahwärme GmbH ist das ein Desaster. “Wir haben sehr viel Energie und Geld in dieses Projekt gesteckt. Unser Ansinnen war nie von Rendite-Träumen getrieben. Nach Abzug der Kosten für den Bau selbst und der Bewirtschaftung bleiben nach Jahren sehr überschaubare Einnahmen. Wir wollen etwas für die Gemeinschaft tun”, erklärt Wrba. Für die Kommune hätte sich das Projekt gelohnt: Mit der Versorgung ihrer Liegenschaften (Kindergarten, Schule, Turnhalle, Hort und Tourist-Info) durch eine zentrale Heizanlage hätte sie sich in den nächsten Jahren in allen Einrichtungen anstehenden Sanierungen/Erneuerungen der jeweiligen Einzel-Heizanlage erspart.
Rauh gibt nicht nach
Aber der Hotelier scheint das Recht auf seiner Seite zu haben: Wenn seine Einwände zutreffen, ist der jetzt geplante Standort nicht zu halten. Emissionen, mögen sie auch noch so gering sein, würden, so argumentiert er, seine Gäste belästigen. Zwischenzeitlich wurden andere Standorte in der direkten Nähe zum Kindergarten diskutiert. Aber das wäre Eltern, Kindern und dem Personal nicht zuzumuten. Ein neuer Standort wirft immer stärker die Frage nach der Wirtschaftlichkeit für das Projekt auf. Zudem erklärt uns Bierschneider, man habe schon noch weitere Alternativen geprüft: “Aber auch hier hat der Nachbar zu verschiedenen Alternativstandorten schon signalisiert, dass er auch diese beklagen würde.” Rauh ist mit seinen Bedenken auch nicht allein auf weiter Klageflur. Auch in anderen Regionen sperren sich Anwohner gegen die Heizwerke . Auch in Bad Wiessee verhinderten Anwohner vor sieben Jahren eine Biomasse-Anlage.
Kein Einzelfall in der Region
Die Umstellung auf alternative, ökologisch bessere Energieerzeugung erfolgt im Tal nur sehr mühsam. Immer wieder kommen Einwände von Nachbarn, aber auch in den Gemeinderäten oder dem Landratsamt ist Begeisterung für solche Projekte selten zu finden. Bauern fürchten, dass ihre Wiesen immer stärker als Solarparks “zweckentfremdet werden. Andere sorgen sich um das Landschaftsbild. Strom? Die soll der Norden bringen, aber bitte nicht mit oberirdischen Trassen. Öl und Gas – gern von Autokraten. In der eigenen Heidiland-Idylle bitte nicht. Das Gegenstimmen wirkt sich aus.
Zwei Beispiele: Josef Solleder aus Waakirchen wollte einem Solarpark auf seiner eigenen Wiese errichten. Ideal: Daneben befindet sich ein Umspannwerk. Mit Elan warf er sich in die Genehmigungen: führte Gesprächen, lud zu Ortsterminen. Alles schien gut zu laufen. Die Gemeinde fands toll. Aber dann kam das Landratsamt: Statt einer schnellen Genehmigung für die Anlage in Point bei Schaftlach gab’s weitere Auflagen zum Beweidungskonzept und einen ruppigen Schriftwechsel mit Mitarbeitern der Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt, wie der Merkur damals schrieb. Solleder hatte genug, wollte die Segel streichen. Aber die Berichterstattung der Kollegen setzte die Miesbacher Natur-Bürokraten massiv unter Druck. Man ruderte zurück. Der Solarpark an der Point soll nun doch kommen.
Lieber freier Wiesenblick als Öko-Energie
Anders verlief es in Rottach-Egern. Dort wollte Franz Herrmann von der Villa Adolphine 2022 auf einer Wiese einen Energiepark errichten lassen. Gebaut werden sollte eine Grundwasserpumpe für die Energiegewinnung, eine Freiflächen-PV-Anlage, die den Strom für die Pumpe liefert, und ein Hackschnitzelheizwerk, um auch Verbrauchsspitzen abzudecken. Damit hätte Herrmann nicht nur eigene Hoteleinrichtungen sondern auch benachbarte Häuser beliefern können. Aber hier sagte der Gemeinderat ‘Nein’, nicht zuletzt, weil einige Anwohner sich nicht den ‘schönen Blick auf die freie Wiese nehmen’ lassen wollten. Und jetzt wird es kurios: Franz Hermann ist der Sprecher der Erbengemeinschaft Rauh. Die Familie Rauh hat in Rottach-Egern einen Klang. Hermanns Schwiegervater hinterließ einen bunten und wertreichen Strauß an Immobilien im Tegernseer Tal. Und ein Familienmitglied ist eben jener Hotelier Michael Rauh, der das Kreuther Hackschnitzel-Projekt verhindert. Ob das ein familiäres Rückspiel ist, bleibt unklar. Nur: Wenn privates Engagement für unsere Zukunft ständig mit Klagen und bürokratischen Hürden überzogen wird, bleibt nur die Hoffnung auf rein staatliche, meist kommunale Initiativen. Aber welcher Gemeinderat wird sich nach den Problemen in Kreuth, Rottach-Egern oder Waakirchen noch aus dem Fenster wagen?
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