Politik, Geld und Macht: Wie die Jagd spaltet

Eine Demonstration gegen Drückjagden im Hochwinter. Zahlreiche Kommentare zum Porträt einer „Jägerin aus Leidenschaft“. Ein anonymer Hinweis auf diskussionswürdige Trophäenjagden.

Die Jagd auf Wildtiere ist und bleibt ein umstrittenes Thema. Dabei gehen die Ansichten der Betroffenen häufig weit auseinander. Die einen argumentieren, dass die Tierbestände reguliert und der Wald geschützt werden muss. Andere sind der Auffassung, Jagd löst keine ökologischen Probleme, sondern schafft sie erst.

Das Wild werde, so das Argument der Gegner, durch die heutige Form der Hege in die Wälder gedrückt und gelockt. Gedrückt weil es scheu gemacht worden ist durch die lange Bejagung. Gelockt durch das Anfüttern. Dadurch wird der Bestand künstlich auf einem Niveau gehalten, dass die Wälder langfristig schädigt.

Wald und Wild sind ein Thema, dass viele angeht im Tegernseer Tal. Von Gmund bis Kreuth gibt es hunderte Waldbesitzer: Staatsforst, Waldbauern, Gemeinden und Privatleute teilen sich die Waldflächen. Die Flächen der Privaten umfassen Gebiete mit bis zu 50 Hektar oder mehr.

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Allein die Jagdgenossenschaft Rottach-Egern, unter dessen Dach sich viele Waldbesitzer zusammengeschlossen haben, kommt insgesamt auf etwa 2.000 Hektar. Diese Fläche ist in zwei Jagdbögen aufgeteilt – Süd und Nord – die jeweils von einer Genossenschaft betreut werden.

Grundsätzlich werden die Flächen für die Jagd entweder verpachtet oder es herrscht, wie in Rottach, eine sogenannte Eigenbewirtschaftung. Auch ein Mix innerhalb eines Genossenschaftsgebietes ist möglich.

Eigenbewirtschaftung hat Vor- und Nachteile

Bei der ersten Möglichkeit pachten Jäger ein bestimmtes Gebiet. Für die Jagd im Flachland braucht es einen Vertrag für drei Jahre. Für die sogenannte „Hohe Jagd“, womit das Schießen auf edle Tiere gemeint ist, muss man sich für zwölf Jahre binden. Diese lange Laufzeit stellt für viele Verpächter scheinbar ein Problem dar. Denn es existieren bestimmte Erwartungen an den Pächter. Was wenn diese nicht erfüllt werden?

Somit entscheiden sich manche Genossenschaften für eine Eigenbewirtschaftung. Bei dieser Form werden Begehungsscheine an Jäger ausgegeben. Diese sind meistens nur kurzfristiger Natur. Damit hat der Verpächter die Zügel in der Hand. Kann also den Jäger, der nicht „spurt“ – also nicht genug schießt – zügig wieder aus dem Wald verbannen und sich einen neuen Partner suchen.

Der Nachteil einer Eigenbewirtschaftung liegt im deutlich höheren Verwaltungsaufwand für den Pächter. Kurze Laufzeiten bedeuten mehr Schreibkram und eine aufwändige Kontrolle der Jäger.

Kasus knaxus zwischen den beiden Parteien ist meist die Höhe der Abschussrate. Die Waldbesitzer sind für hohe Abschussquoten, um den Verbiss in ihren Wäldern klein zu halten. Als Orientierung: Auf dem Rottacher Genossenschaftsgebiet sollen nach dem allgemeinen Willen der Jagdvergeber etwa 40 Stück Schalenwild leben.

Ein Teil der Jäger macht sich allerdings große Sorgen um den Wildbestand in den Wäldern. Seriöse Schätzungen gehen von nur noch rund zwei Drittel des Tierbestandes aus, wie er noch vor 20 Jahren existierte.

Bewegungsjagd: ja oder nein?

Insgesamt führt die heutige Form der Hege dazu, dass Tiere scheuer geworden sind als früher. Die Folge: sie sind schwerer zu erwischen. Jäger beklagen, dass die vorgegebene Abschussquote kaum einzuhalten ist.

„Bleibt nur noch die Bewegungsjagd,“ meinen manche und erhoffen sich so die Quoten einzuhalten. „Frevel“, entgegnen andere. Jetzt im Hochwinter könne man das nicht machen. Schließlich seien manche der weiblichen Tiere bereits seit Monaten trächtig. Aufregung pur. Und Grund genug, zu demonstrieren.

Demonstration der Jäger im Kreuther Zentrum am 17. Januar

Teure Pachten erfordern neue “Wege”

Früher ging vor allem die „bessere Gesellschaft“ auf die Jagd. Heute sind es viele, die jagen. Für manche Pächter sind dabei die Pachtpreise ein nicht unerheblicher Faktor. Diese werden pro Hektar berechnet. In Rottach liegen sie bei rund 7 Euro pro Hektar. Da muss mancher zusehen, wie er den Betrag wieder hereinbekommt.

Bei einem Gebiet von 2.000 Hektar ergibt das beispielsweise eine Pacht von 14.000 Euro pro Jahr. Hinzu kommen noch die sogenannten unvorhergesehenen „Nebenkosten“. Wildschäden (Verbiss) beispielsweise muss der Jäger aus eigener Tasche bezahlen.

Eine Möglichkeit zur Refinanzierung stellt der Verkauf des Wildbrets – so wird das Fleisch genannt – dar. Wildfleisch ist zwar beliebt, aber den ganz großen Reibach kann man durch den Verkauf nicht erzielen. Deshalb vergeben viele Jäger sogenannte Begehungsscheine an andere Personen, die sich im Besitz eines Jagdscheins befinden müssen. So bessern viele ihre Kasse ein wenig auf.

Einigen Jägern wird außerdem vorgeworfen, dass sie absichtlich eine Trophäenjagd begünstigen. Das bedeutet, sie hegen bestimmte Tiere, damit sie zum kapitalen Hirsch heranwachsen. Beeindruckende Trophäen ziehen ein bestimmtes Klientel an.

Menschen, denen es Spaß macht, auch ohne Jagdschein, „große Beute“ zu machen. Der Jäger kann so seine Kasse um 5.000 bis 10.000 Euro aufbessern. Der Trophäenjäger hatte Spaß und kann sich „was Nettes an die Wand hängen“.

Ist zufüttern eine Lösung?

Einen weiteren Streitpunkt stellt die Winterfütterung dar. Den Bestand dadurch aufpäppeln? Das ist laut Jagdrecht eigentlich gar nicht erlaubt, denn gefüttert werden soll nur in Notzeiten. Tatsächlich ist es aber eher die Regel als die Ausnahme.

Winterfütterung lässt die Zahl der Tiere steigen. Manche sind der Meinung, dass – wenn man den Tieren schon durch Zersiedelung den Lebensraum nimmt – sie dann wenigstens zufüttern müsse, damit sie über den Winter kommen. Andere entgegnen, wenn man füttert, könne es zu vermehrtem Verbiss kommen. Beispielsweise bei zu viel Saftfutter.

Winterfütterung / Quelle: sbg-jaegerschaft.at

Wer sich im Laufe der Jahre immer wieder selbst widerspricht, sind die politisch höchsten Hüter von Wald und Wild. Die Bayerischen Staatsforsten bewirtschaften etwa ein Drittel der bayerischen Wälder. Mal ist man für, mal gegen eine Winterfütterung. Das mag an der Umstrukturierung der forstlichen Verwaltung liegen. Der Forst auf seiner Website über sich selbst: “Seit der Umstrukturierung denken wir über viele Dinge ein bisschen anders.” Für den Staatsforst steht nun nicht mehr die Verwaltung der Wälder im Mittelpunkt, sondern ihre unternehmerische Bewirtschaftung.

Auch für das ausgeglichene Verhältnis von Wald und Wild macht sich die Behörde stark. Ein umfassendes Rotwildmanagement hat man sich zu diesem Zweck ausgedacht. Böse Zungen behaupten, der Forst wolle sich damit nur wichtig machen. Sich eine eigene Daseinsberechtigung schaffen, nachdem ihre Dienststellen verschlankt wurden.

Früher waren die Staatsforste ein riesiger Verwaltungsapparat mit vielen Angestellten: Forstämter in den Gemeinden, verwaltet von der Oberforstdirektion, gelenkt vom zuständigen Ministerium in München. Ein Postenapparat. Alleine in Kreuth waren in den Neunziger Jahren an die 17 Personen in der Verwaltung beschäftigt.

Ein politisches Pulverfass

Dass die politische Bedeutung der Behörde immer noch groß ist, zeigte sich erst jüngst wieder durch die Demonstration in Kreuth. Gegen die propagierte Strategie “Wald vor Wild”, die von den Staatsforsten ausgegeben wurde, stellten sich die hauptsächlich aus Jägern bestehenden Demonstranten.

Eine Kritik, die vor allem an die Adresse der CSU, den eigentlichen Herren über Wald und Wild, gerichtet war. Der Ort war gut gewählt. Die CSU-Oberen weilten gerade bei Ihrer jährlichen Tagung in Wildbad Kreuth. Dass es dabei um ein hochbrisantes Thema geht, zeigen unter anderem die 158 Kommentare im Beitrag von Ende Januar. Aber auch die Abwesenheit der Lokalen Presse wie auch der lokalen Politik bei der Demo waren ein klares Zeichen: Bloß nicht die Finger verbrennen!

Dass also viel Redebarf besteht, ist zumindest offensichtlich. Und wahrscheinlich ist, dass auch in Zukunft die Diskussion zwischen Jagdbefürwortern und Jagdverächtern heftig geführt wird. Denn die Spannungsfelder sind nicht einfach so aus der Welt zu schaffen. Genau wie die Streitpunkte zwischen Politik, den Grundeigentümern und den Pächtern derzeit nur schwer lösbar scheinen.

Die eigenen Interessen stehen einer Annäherung oft im Weg. Und damit ist eines zumindest klar: Auch wenn in der Zukunft viel über die Jagd nachgedacht, geredet, geschrieben oder gestritten wird. Um Bambi und Co. geht es vielen dabei nur im entferntesten.

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