Zeitumstellung steht am Wochenende an
Kühe leiden, Menschen drehen am Rad

Am Sonntag um 3 Uhr wird zurückgestellt: Von der Sommerzeit auf die Winterzeit. In der Nacht vom von 3 auf 2 Uhr zurückgestellt. Was soll das eigentlich? Eine kurze Reise in die Zeit.

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Bourjaus Bi-Ba-Butzel-Bahn – hier fuhr man noch im 19. Jahrhundert durch zwei Zeitzonen. Foto: Redaktion

Was hat die Gründung einer Bahnstrecke zwischen Schaftlach und Gmund mit der Zeitumstellung zu tun? 1883 wurde die Linie eröffnet, selbst Menschen aus dem fernen Berlin konnten unseren Tegernsee erreichen. Ein Hindernis: Die Zeit. Denn noch zehn Jahre mussten Reisende unterwegs ständig ihre Uhr nachstellen. Und das war bis zum Bau der Eisenbahn noch weitaus komplizierter: Bis zum Bau der Bahnstrecken hatte jeder Ort seine eigene Zeit. Die richtete sich meist nach dem Stand der Sonne.

Statt Bummeln: Bahn schuf mal Zeitzonen

Örtliche Kirchturmuhren waren darauf eingestellt worden. Ein Reisender, der zu Fuß oder mit der Kutsche unterwegs war, konnte seine Taschenuhr also, je nachdem, ob er in westliche oder östliche Richtung reiste, alle 18 km um eine Minute vor- oder zurückstellen. Dann kam die Eisenbahn. Man richtete fünf Zeitzonen ein. Das reichte aber nicht: Reisende rechneten ständig mit Hilfe ausgehängter Tabellen Uhrzeiten um: in Bayern nach Münchner Zeit, in der Bayerischen Pfalz nach Ludwigshafener Zeit. War es in München 12 Uhr mittags, so zeigte die Uhr in Karlsruhe 11 Uhr 47 oder in Berlin 12 Uhr 7 an. Und wer etwa um den Bodensee reiste, musste sechsmal seine Uhr verstellen. Es war also höchste Zeit, dass sich etwas änderte. Und so entschied 1893 der Kaiser in Berlin, sein Volk solle nun eine einheitliche Zeit bekommen. In Köpenick gingen die Uhren wie in Kreuth (zumindest uhrzeitlich gesehen) gleich. Das hatte positive Folgen für die Wirtschaft wie auch für Reisende und – für Soldaten: Bei einer Mobilmachung konnten Militärs darauf vertrauen, dass die Rekruten nicht mehr den Zug verpassten. 

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Zeit – nimmt jeder anders wahr. Foto: Fuldaer Zeitung

“Hilfe – mein Biorhythmus”

Das Herumfuhrwerken an der Zeiteinteilung ist also nicht eine Erfindung sparsamer Staaten im Westen. In Deutschland wurde die Zeitumstellung im Sommer 1980 eingeführt. Der Grund für die Zeitumstellung war die Annahme, dass das Tageslicht besser genutzt und Energie gespart werden kann. Der Effekt wird mittlerweile von sehr vielen Experten infrage gestellt. Mediziner haben negative Auswirkungen der Zeitumstellung festgestellt. Die innere biologische Uhr passt sich bei manchen Menschen nur schwer mit Ihrem Rhythmus daran an. Die Zeitumstellung wirkt, so die Forscher, auf den Körper wie ein Mini-Jetlag: Viele Menschen beklagen Tagesschläfrigkeit, Ein- und Durchschlafstörungen, Gereiztheit, Konzentrationsstörungen, Schwankungen der Herzfrequenz oder auch Verdauungsstörungen. Gerade in Deutschland ist man auf die Umstellung nicht gut zu sprechen. Die EU, zuständig für das halbjährliche Uhrendrehen, versprach eine Lösung – vor sechs Jahren. Getan hat sich wenig. 

Manche Nationen wollen die dauerhafte Sommerzeit. Andere setzen auf die ewige Winterzeit.  Griechenland und Zypern wollen keine Änderung. Und die meisten Regierungen haben sich noch gar nicht entschieden. 

Wenn Madrid kein Licht sieht

Warum? Ein Ende der Zeitumstellung trifft besonders die Menschen ganz im Westen und im Osten Europas. Amsterdam und Madrid sähen mit dauerhafter Sommerzeit im Winter erst am Vormittag Licht. Mit durchgängiger Winter- oder Normalzeit ginge die Sonne in Warschau und Stockholm im Sommer mitten in der Nacht auf und auch bei uns wären die hellen Abende deutlich kürzer. 

Die EU-Kommission will mögliche Änderungen gern koordiniert vornehmen. Keiner will einen Flickenteppich aus unterschiedlichen Zeitzonen, wie in der bereits erwähnten Eisenbahn-Frühzeit. In anderen Ländern schert das die Menschen weniger: In der Ukraine wird sie im nächsten Jahr abgeschafft, in Ägypten, Brasilien, Island, Namibia, Grönland oder der Türkei (nicht mal Onkel Erdo) dreht keiner mehr an der Uhr. 

Muuh, mein Euter drückt

Uns wird wohl nicht übrigbleiben, als weiter schlaftrunken am nächsten Sonntag wieder die Uhr am Herd und an der Kaffeemaschine neu einzustellen. Nur unsere Bauern sind mehr beschäftigt: Für Milchbauern und deren Kühe soll sich die geschenkte und geklaute Stunde bemerkbar machen. Die zart besaiteten Tiere sind an feste Melkzeiten gewöhnt und finden es nicht dufte, wenn da plötzlich jemand eine Stunde früher an den Euter will. Manchmal dauert es nach der Zeitumstellung sogar bis zu einer Woche bis die Kühe wieder auf ihr altes Milch-Niveau zurückkehren, wissen einige Bauern zu berichten.

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