Ein Streifzug durch Tradition und männlichen Freiheitsdrang:
Kumpel-Koma-Saufen oder Kirchgang?

Also, irgendeine Postille hat das Ende der Vatertagstradition beklagt. Mag sein, dass der gemeine Großstadt-Hipster lieber vegan in der Männerstillgruppe vor sich hinfeiert. Auf dem Land geht der Jungvater noch zünftig los.

Ausgerüstet mit Bollerwagen – Bier statt Bälger. Quelle / Pixabay.

Unser Kollege zum Beispiel: Daheim die Schratzn bei der Mama lassend, setzt er sich am Morgen in die BOB und fährt zum Vatertags-Weißwurstfrühstück nach Minga. Zwei Mass bis elf sind Pflicht. Die Gruppe, einst gefürchtet für die Feierbiestigkeit und hohe Promillezahl bis zum Mittagsgeläut hat aber eben noch das schlechte Gewissen von der Gattin eingepackt bekommen.

Gründe für einen Vatertag?

Bereits nach vier Stunden verabschieden sich die ersten Jungväter „Hey, ich muss die Ilona daheim unterstützen, der Leon zahnt doch gerade.“ Unser Kollege hat nicht beim Erstkind Halt gemacht. Er weiß: So eine Gelegenheit zum Freigang hat er nicht oft. Also lötet er sich in Rekordschnelle zu, wird erschöpft im Englischen Garten am Monopteros einschlafen, vom einsetzenden Regen geweckt, nass und angezählt zum nächsten McDonalds stolpern.

Dort sitzt er dann, kleckert sich mit Mayo und Chickensauce voll, strebt zum nächsten Konterbier, um mit der letzten BRB ins Tal zurückzufahren. Kurz vor Moosrain schläft er ein, wacht in Tegernsee auf und ruft dann kleinlaut die genervte Gattin an – Gruß aus der Katerhölle – “holst du mich?”. Auf dem Heimweg bittet er noch bei St. Quirin um einen Boxenstopp – Profi eben. Und vor dem Einschlafen auf der Couch (Bett ist tabu!) zieht er sein Fazit: ein rundum gelungener Vatertag.

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Aber es gibt ja auch einen ernsten Hintergrund: Christi Himmelfahrt. Biblische Grundlage ist das erste Kapitel der Apostelgeschichte. Dort steht, dass der nach seiner Kreuzigung vom Tod auferstandene Jesus Christus vor den Augen seiner Jünger in den Himmel verschwand: “Eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken” (Apostelgeschichte 1,9). Diese Zaubershow hat er mit dem Kollegen Mohammed gemein, der auf einem geflügelten Pferd zum Chef geflogen sei. (Sure 1/17). Aus Wolken und Pferden wurden in der Neuzeit Gruppenreisen mit Bollerwagen. Vati kommt auch später wieder, ist anfassbar, riecht vielleicht ein wenig nach Sprit statt Spiritualität.

Als gutes Katholikenkind wandelte man dereinst mit Pfarrer und Monstranz über Feldwege und schwang Weihrauch über betrunken im Graben liegende Väter. Zumindest hielt man die Stange des Himmels, damit wenigstens der Geistliche mit der Monstranz beim üblichen Landregen trocken bliebe. Es war in der Regel eine feierliche Prozession, bei denen um Segen für die Ernte gebetet wurde. Entstanden sind die Bitt-Tage bereits im 5. Jahrhundert. Unwetter und Missernten wurden im Mittelalter auch als Strafe für die eigenen Sünden verstanden. Empfiehlt sich also nach wochenlangen Regenfällen im Oberland Buße und Einkehr?  Wenn wir wieder halbwegs gutes Wetter haben wollen, die touristische Ernte gut werden soll, dann empfiehlt sich vielleicht doch mal statt des Kumpel-Koma-Saufens, eher der Kirchgang.

Es täte auch der Volksgesundheit und dem Verkehrswesen ganz gut: Es gibt jedes Jahr an Christi Himmelfahrt mehr Unfälle unter Alkoholeinfluss als an vergleichbaren Tagen. Dem Statistischen Bundesamt zufolge waren es im Jahr 2021 am Vatertag 182, im Lockdown-Jahr 2020 sogar mit Abstand die meisten: 312 Unfälle, gefolgt von Neujahr mit 232 Unfällen. Im letzten Jahr das gleiche Bild, zumindest im Norden. Das kann mit Meßwein-Mengen nicht passieren.

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