Zu groß sind die anstehenden Vorhaben, Bauprojekte und Veränderungen, als dass man sie über die Köpfe der Einheimischen hinweg entscheiden könnte.
Mit der CSU hat bei der letzten Landtagswahl die Partei am meisten Zugewinne verbucht, die sich nicht gerade den politischen Wandel und mehr Beteiligung auf die Fahnen schreibt. Gleichzeitig zeigen aber auch die konservativen Kräfte im Tal, dass ihnen daran gelegen ist, den Bürgern mehr Mitsprache oder zumindest mehr transparente Information zu geben.
So hatte die Wiesseer CSU-Ortsgruppe in einer Bürgerbefragung aus dem letzten Jahr den klaren Auftrag zu mehr Transparenz bekommen – und beteuert, sich dafür einsetzen zu wollen. In Tegernsee hat man kürzlich parteiübergreifend das Wiederaufleben des „Arbeitskreises Ortsmitte“ beschlossen. In Gmund hatte man aus den Erfahrungen mit Gut Kaltenbrunn Lehren gezogen und beim Maximilian von Start weg auf umfassende Beteiligung der Bürger gesetzt.
Anstehende Großprojekte mit Konfliktpotenzial
Bad Wiessee setzt seit einigen Monaten Geld und Zeit ein, um die interessierte Bevölkerung bei der Entwicklung des Jodschwefelbadareals von Beginn an mit einzubeziehen. Gleiches hat man bereits für die weiteren Pläne zur Ortsentwicklung angekündigt.
Die Versuche, mehr Nähe zum Bürger herzustellen, sind in Hinsicht auf die nächsten Jahre mehr als vernünftig. Stehen doch in mindestens vier der Gemeinden rund um den See große und teilweise schon heute kritisch begleitete Bau- und Entwicklungsprojekte an:
- In Bad Wiessee werden die Neugestaltung des Jodschwefelbadareals und die Zukunft des alten Spielbankgeländes und des ehemaligen Hotel Lederer das Ortsbild auf lange Zeit prägen. Veränderungen, die die Zukunft des Ortes und der Wiesseer ähnlich beeinflussen könnten, wie es der Bau des Jodschwefelbades vor über hundert Jahren tat.
- In Gmund stehen mit dem Maximilian und Gut Kaltenbrunn zwei Großprojekte in den Startlöchern, die dem verödeten Ortskern endlich neues Leben einhauchen könnten. Die gleichzeitig aber schon in der Vergangenheit gezeigt hatten, welch Zündstoff hier lauert.
- Tegernsee kämpft nicht nur seit Jahren um eine Neubelebung des Zentrums, sondern hat mit dem Almdorf, dem Low-Budget-Hotel der Ja-Gruppe, dem alten Klinikgelände sowie dem Guggemos gleich eine Handvoll Projekte auf der Agenda, die potenziell zu ähnlich viel Wirbel führen könnten, wie es der Seesteg getan hat.
- In Rottach wird das ewige Vorhaben Seeperle direkt an der Seestraße in den kommenden Monaten wohl auch wieder an Fahrt aufnehmen.
Große Projekt hatten bereits in der Vergangenheit das Potenzial, Orte und Gemeinschaften zu spalten. Mit dem Ergebnis, dass zum einen die Bauvorhaben eingebremst werden und zum anderen innerhalb einer Gemeinde Gräben entstehen können, die den Ort und die gemeinsame Entwicklung über Jahre hinweg belasten können.
Das scheinen die anstehenden Kandidaten für die nächsten Kommunal- und Bürgermeisterwahlen auch verstanden zu haben. Egal, welcher Partei sie angehören, ob neue Kandidaten oder erfahrene Bürgermeister zur Wiederwahl antreten: die Aussagen, die bereits weit im Vorfeld getroffen wurden, gehen – zumindest an diesem Punkt – in eine einheitliche Richtung.
Bürgermeisterkandidaten versprechen neue Nähe
In Wiessee haben sich Bürgermeister Peter Höß und der gesamte Gemeinderat mit dem Bekanntwerden der JSB-Pläne „Bürgerbeteiligung in höchstem Maße“ auf die Fahnen geschrieben.
Der erste offizielle Bürgermeisterkandidat für Rottach-Egern, Hermann Ulbricht, hält sich nicht zuletzt deswegen für einen „guten Bürgermeister“, weil er stets ein offenes Ohr für Beteiligungswünsche der Bürger und deren Anliegen und Probleme haben möchte.
Der Tegernseer Kandidat Hans Hagn sprach sich im TS-Interview zwar gegen eine Live-Übertragung der Stadtratssitzungen aus, begrüßte aber auf der anderen Seite das Bürgerbegehren zum Stegbau und die „aktive Beteiligung Tegernseer Bürger“.
Leere Worthülsen oder Politikwandel?
Ob es sich bei all den Ankündigungen zu mehr Bürgernähe der designierten Kandidaten nur um Maßnahmen zum Wählerfang oder um ernst gemeinte Politikstile handelt, wird sich erst in einigen Monaten oder gar Jahren zeigen.
Welche Wendungen große Projekte bei mangelnder Einbeziehung der Bürger nehmen können, haben die vergangenen Jahre dagegen bereits gezeigt. Gut Kaltenbrunn stand viele Jahre als mahnende, halb verfallene Ruine an einem der schönsten Flecken im Tal – die wechselhafte Geschichte war begleitet von Bürgerentscheid, Popularklage und schlechter Stimmung zwischen Gemeinde und einem Teil der Bürgerschaft.
Der Bau des Lanserhofs in Waakirchen war zeitweise auf der Kippe, als eine Bürgerinitiative mobil machte. Nur mit großem finanziellen und kommunikativen Aufwand hat sich der Bauherr letztendlich durchgesetzt und den Bau inzwischen fast bis zu Ende führen können. Der Seesteg in Tegernsee hatte den Ort über Wochen in zwei unversöhnliche Lager gespalten.
Lähmende Spaltung wird sich keiner leisten wollen
Eine solche Spaltung wird sich keine der Gemeinden in den nächsten Jahren leisten können und wollen. Zu groß sind die Projekte, die auf dem Spiel stehen. Zu gewaltig sind die Weichenstellungen für die Zukunft nicht nur für die einzelnen Gemeinden, sondern für das komplette Tal.
Erfahrungen mit Beteiligungsverfahren konnten in den letzten Jahren bereits gesammelt werden. Manche positiv, andere negativ. Aus diesen Erfahrungen die richtigen Lehren zu ziehen, wird auch eine der großen Aufgaben werden. Egal, welche Parteien oder Köpfe nach dem nächsten Wahl-Frühjahr das Sagen haben.
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