Lässig. Provokativ. Sareiter.

Rund 100 Mitglieder hat die CSU in Bad Wiessee. Im Gemeinderat ist sie mit fünf Stimmen vertreten. Wir sprachen mit dem CSU-Ortsvorsitzenden Florian Sareiter (38) über seine Oppositionsrolle, politische Ziele und Knatsch am Ratstisch.

Florian Sareiter im politischen “Halbzeitgespräch” mit der TS.

Florian Sareiter (38) erscheint im Wiesseer Bistro Aquadome lässig mit Sonnenbrille. Das sei eines der „schönsten Fleckchen“, schwärmt der Familienvater. „Eben lässig“, pflichtet ihm der junge Mann bei, der gerade das Wasser auf den Tisch stellt und Sareiter wie einen alten Kumpel begrüßt. Hier, in diesem Bistro mit „Fensterfront zum See“ spricht der CSU-Ortsvorsitzende und stellvertretende Fraktionsvorsitzende über seine ehrenamtliche, politische Tätigkeit an der „Wiesseer Westfront“.

Tegernseer Stimme: Herr Sareiter, die Bedienung bezeichnete den Ort hier gerade als ziemlich „lässig“. Sie machen auf mich denselben Eindruck. Im Gemeinderat sind Sie ja nicht immer so cool, da drängeln sie eher…

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Florian Sareiter (schiebt seine Sonnenbrille nach oben): Was?! Ich bin einer der geduldigsten Menschen der Welt. Wie drängeln? Je größer das Gremium ist, desto schwieriger wird es eben am Ratstisch, alles unter einen Hut zu bringen. Ich sehe mich eher als provokativen Kritiker, wenn nötig, falls Sie das meinen.

Wiessee ist die einzige Gemeinde, in der der Gemeinderat nicht konstruktiv zusammenarbeitet, sondern seit Jahren eher durch persönliche Sticheleien auffällt. Warum ist das so?

Sareiter: Das frage ich mich auch. Nein, im Ernst. Wir reden deshalb oft Tacheles, weil wir sehr viele Themen, etliche Bauprojekte und die unterschiedlichsten Standpunkte dazu unter einen Hut bringen müssen. Dennoch: Weit über 90 Prozent aller Anträge werden im Gremium einstimmig verabschiedet.

Schämen Sie sich manchmal für den Gemeinderat?

Sareiter (überlegt lange): Ich finde, Fremdschämen ist etwas Anderes. Ich amüsiere mich eher und bin manchmal stark verwundert. Aber ich weiß ja, wofür ich es tue.

Wofür? Was begeistert Sie an der politischen Aufgabenstellung in Bad Wiessee?

Sareiter:Bad Wiessee ist ein Pflaster mit viel Spielraum für große Projekte. Und es hat viel Entwicklungspotenzial, sowohl für die Bürger als auch für die Gäste. Da fällt es mir nicht schwer, mich für die Aufgabenstellung in meinem Heimatort zu begeistern. Vor allem sieht man gleich Ergebnisse.

Die Gemeinde ist mit etwa 26 Millionen Euro verschuldet. Haben Sie eine Zauberformel aus der Misere?

Sareiter: Misere ist immer ein zweischneidiges Schwert. Die Verschuldung ist real, das ist klar, aber man darf nicht vergessen, dass die Verschuldung hauptsächlich durch zwei Projekte entstanden ist: Einmal durch den Bau der Spielbank, und dann durch den Kauf vom Jodbad-Gelände. Bei der Spielbank läuft die Tilgung reibungslos. Nach Zins und Tilgung erwirtschaften wir noch immer einen großen Überschuss. Da die Grundstückspreise stetig wachsen, steigt automatisch der Wert des restlichen Jodbad-Geländes.

Nur leider hat Bad Wiessee kein Geld zur Verfügung…

Sareiter: Das stimmt so nicht. In Bad Wiessee ist die wirtschaftliche Situation zur Zeit sehr positiv. Die Gewerbesteuereinnahmen sprudeln in bisher noch nicht erlebter Höhe, und auch die Grundsteuer-Einnahmen sind derzeit sehr gut. Faktoren, die sich aber auch wieder ändern können.

Wenn Sie sagen, die Tilgung der Spielbank-Schulden laufe super – resultiert das nicht eher daher, dass die Gemeinde den Nachbargemeinden den Geldhahn aus der Spielbankabgabe zugedreht hat?

Sareiter: Auf gar keinen Fall. Das ist völlig unabhängig. Da können Sie die Haushalte vorher vergleichen. Die Einnahmen sind natürlich durch die Kürzung nochmal mehr, aber die Spielbank war schon immer ein Garant unserer Einnahmenseite.

Finden Sie es gerecht, dass man den anderen Talgemeinden die Anteile aus der Spielbankabgabe verwehrt?

Sareiter: Wir verwehren sie ja nicht. Wir frieren sie nur ein. Wir sind aber auf einem sehr guten Weg, einen Konsens zu erreichen.

Welcher Konsens ist das?

Sareiter: Ich glaube, da sind Sie an der richtigen Stelle, wenn Sie bei den Bürgermeistern nachfragen.

Apropos Bürgermeister. Wie beurteilen Sie die Arbeit von Peter Höß?

Sareiter: Jeder macht das, was er kann. Es gibt viele Entscheidungen, die man anders hätte treffen können. Viele Dinge werden einfach zu schnell entschieden. Da nehme ich den Gemeinderat nicht aus. Oder sie werden erst gar nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Wenn man bessere Absprachen treffen würde, hätte man sicher weniger Probleme. Es wird aber besser. Trotzdem muss man dranbleiben, was zuweilen etwas mühselig ist (lacht).

Wenn Sie sagen, der Gemeinderat entscheidet zu schnell – müssen Sie sich da nicht an die eigene Nase fassen?

Sareiter: Es gibt ja eine Mehrheit für den Wiesseer Block (FW) und die SPD. Diese wird genutzt, um Dinge durchzudrücken. Das ist normal in der Politik, das ist schon klar, aber ob das immer die beste Entscheidung ist, kann man bezweifeln. In drei Jahren ist Peter Höß im wohlverdienten Ruhestand. Wie gesagt, jeder tut das, was er kann. In seinem Amt als Bürgermeister – was sicherlich keine leichte Aufgabe ist – macht er sein Bestmöglichstes.

Sein Bestmöglichstes? Mit welchen seiner Entscheidungen waren Sie denn nicht einverstanden?

Sareiter: Ein Beispiel ist das Bauprojekt „Tegernsee Villen“, ehemals Brennerpark. Das sind Dinge in einer Dimension, von denen man vorher schon weiß, dass sie utopische Ausmaße annehmen. Und trotzdem ist der Bebauungsplan damals so verabschiedet worden. Das kann nicht im Sinne des Ortes sein. Ständig kommen Beschwerden von Anwohnern, die sich über die Baustelle beklagen. Wenn man hier taktischer vorgegangen wäre und anders kommuniziert hätte…

Dann…?

Sareiter: …dann hätte man die Wohnflächen besser nutzen und dem Gemeinwohl zur Verfügung stellen können, indem man Teile davon der Gemeinde offeriert oder verkauft. Das würde ich mir bei großen Bauprojekten wünschen – dass bessere Verhandlungen geführt werden.

Haben Sie das damals im Gemeinderat angesprochen oder diskutiert?

Sareiter: Leider nein. Damals war ich noch nicht im Gemeinderat. Jetzt im Nachhinein haben wir das angebracht. Anwendung findet es aktuell im Bauprojekt von Dr. Strüngmann. Hier werden Alternativen diskutiert, der Gemeinderat über die Baupläne professionell informiert. Da fühlt man sich nicht überrumpelt, sondern hat noch die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen.

Wie sehen Sie Ihre Arbeit als Opposition?

Sareiter: Sie werden wahrscheinlich von jedem Ihrer Interviewpartner hören, dass es eigentlich keine „Opposition“ gibt. Man ist nicht dagegen, um dagegen zu sein, sondern hat lediglich eine andere Vorstellung. Und die einzubringen, das ist unsere Aufgabe. Wir als CSU verstehen uns in Bad Wiessee als Ideenbringer, Impulsbringer, Zumnachdenkenbringer. Ohne unser Veto wären zum Beispiel der BadePark und die Spielarena zugesperrt worden. Und Planungen für das Jodbad wären auch ohne Fördermittel einfach so abgesegnet worden. SPD und Wiesseer Block (FW) wollten dies damals diskussionslos durchwinken. Der Vorschlag zum Eigenbau des neuen Jodbades war von uns. Ebenso stammt die Forderung nach einer Gesamtkonzeption von Jodbad und BadePark aus unserer Feder.

Wo unterscheiden sich denn die Themen von CSU und Wiesseer Block im Wesentlichen?

Sareiter: Wir befinden uns in der Kommunalpolitik. Wenn Sie sich die Wahlprogramme anschauen, werden sie feststellen, dass es ganz, ganz wenig Unterschiede gibt. Hier spielen eher Sympathien eine Rolle. Die Stärke der CSU ist die Kommunikation. Wir kennen die Sorgen der Bürger und geben uns durch Veranstaltungen viel Mühe, nah am Menschen zu sein.

Und wie schaut Ihre eigene politische Planung aus?

Sareiter: Ganz wichtig für mich sind ein Einheimischenprogramm, die Schaffung von Familienwohnraum sowie die Lösung des Verkehrsproblems. Über allem steht allerdings der Blick für die kleinen Dinge. Zum Beispiel auf die bestehende Infrastruktur. Das, was dem Bürger gehört, und der Gast sieht. Wie die Seepromenade. Fast drei Jahre lang wurden hier die im Haushalt eingeplanten Mittel – 200.000 Euro sind es allein in diesem Jahr – nicht eingesetzt. Es ist ein Trugschluss, mit der Sanierung zu warten, bis Thomas Strüngmann seine Hotelpläne umsetzt.

Was würden Sie denn besser machen?

Sareiter: Den Tegernsee könnte man auf jeden Fall besser nutzen – und elektrifizierte Taxiboote einführen. Auch ein Zusammenschluss mit Gmund wäre möglich, um einen großen Parkplatz an der Kreuzstraße zu bauen. Wenn Leute mit Shuttlebussen zu touristischen Zielen ins Tal gebracht werden, wäre das ein Weg, den Quellverkehr zu reduzieren.

Haben Sie eine Vision für die Zeit nach Peter Höß?

Sareiter (lacht lauthals): Peter Höß geht 2020. Dann gibt es Neuwahlen. Die CSU denkt auf jeden Fall über einen Kandidaten nach.

Wer hätte das Zeug zum Bürgermeister? Sie vielleicht?

Sareiter: Es wäre sicherlich eine attraktive Aufgabe. Das muss gut durchdacht und überlegt werden. Lassen Sie uns in eineinhalb Jahren hier an der gleichen Stelle wieder treffen. Dann schauen wir mal, was ich Ihnen antworte.

Die Schweizer SME-Investoren standen ja in der Kritik, mit ihren Bauplänen für ihr Aktivitätshotel auf dem Areal des alten Jod-Schwefel-Bades zu bluffen. Was glauben Sie? Wird das Projekt realisiert?

Sareiter: Eine sehr gute Frage. Das ist ein heikles Thema. Investoren sind immer wertvolle Menschen für den Ort, weil sie dem Ort etwas geben wollen. Jetzt ist SME am Zug. Wir haben den Weg geebnet. Jetzt müssen die Bebauungpläne beim Landratsamt eingereicht werden und dann muss nach der Genehmigung gezahlt werden. Wir sind guter Dinge, dass es funktioniert.

Herr Sareiter, vielen Dank für das Gespräch.

Aus der TS-Reihe: “Halbzeit-Interviews” mit der Tal-Opposition

In dieser Reihe sprechen wir zur Halbzeit der aktuellen Wahlperiode (2014 – 2020) mit Oppositionspolitikern aus dem gesamten Tegernseer Tal. Bisher erschienen sind:

Spezlwirtschaft war gestern – der Tegernseer FWG-Vorsitzende Andreas Obermüller

Der Tegernsee als Ökopark – der einzige Grüne im Rottacher Gemeinderat, Thomas Tomaschek

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