Jeder sagt: "In meiner Nachbarschaft nicht"
Landrat bezieht Stellung zu Warngau-Wut

Es herrschte eine aufgeheizte Stimmung am Montag vor einer Woche. Bei einer Bürgerversammlung entlud sich Wut gegen die Vorschläge zu einer Sammelunterkunft. Was sagt der Miesbacher Behördenchef eine Woche danach?

Was ist geplant? Wie lange soll das gehen?

Das Landratsamt Miesbach plant in Vertretung des Freistaats Bayern eine Unterkunft für Geflüchtete in der Gemeinde Warngau. Da es sich um das Gelände eines Tochterunternehmens des Landkreises handelt, kann der Landkreis auf das sozusagen eigene Grundstück leichter zugreifen. Die Unterkunft ist auf 2 Jahre befristet.

Wie sieht denn diese Unterkunft konkret aus?

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Geplant ist eine Unterkunft für bis zu 500 Personen, verteilt auf mehrere Container-Würfel. Die abschließende Planung steht noch nicht fest. Es wird Sozial- und Gemeinschaftsräume geben, Spielmöglichkeiten für Kinder und eine eigene Einkaufsmöglichkeit. Wie bei allen Flüchtlingsunterkünften dieser Größe üblich wird die Unterkunft 24/7 von einem Sicherheitsdienst betreut. Außerdem kümmert sich ein Generalunternehmer als Ansprechpartner vor Ort.

Warum muss jetzt alles nach Warngau gehen?

Aktuell sind drei Turnhallen des Landkreises belegt und stehen seit längerer Zeit nicht für Schul- und Breitensport zur Verfügung. Diese Turnhallen müssen so schnell wie möglich wieder ihrer Ursprungsverwendung zugeführt werden, damit Kinder, Jugendliche und Erwachsene dort wieder Sport treiben können. Die aktuellen Bewohner der drei Hallen (rund 600 Personen) werden nach aktueller Planung in die Unterkunft in Warngau sowie das geplante Container-Dorf in Holzkirchen (Moarhölzl) umziehen. Es handelt sich um Männer, Frauen und Kinder.

Und wer kommt da rein?

Die genaue Belegung steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest; selbstverständlich versuchen wir bei der Belegung kulturelle, soziale und religiöse Belange so gut wie möglich zu beachten. Aktuell leben rund 2.100 Geflüchtete im Landkreis Miesbach. Die größten Gruppen stammen aus der Türkei, aus dem Jemen, aus Afghanistan, aus Syrien, aus der Ukraine, sowie aus Nigeria.

Wäre es nicht besser, viele kleine Unterkünfte über den Landkreis verstreut aufzubauen, statt einer großen, die ja ein Dorf im Dorf ist?

Der Betrieb von Sammelunterkünften ist immer suboptimal, dennoch bleibt dem Landratsamt als untere Staatsbehörde genauso wie allen anderen Landratsämtern angesichts der großen Zahl an dem Landkreis zugewiesenen Geflüchteten nichts anderes übrig, auch größere Unterkünfte zu planen.
Und das Ziel ist?

Ziel ist, die Turnhallen wieder freizubekommen und Schul- und Breitensport wieder zu ermöglichen. Ohne große Unterkünfte wird Sport in den Turnhallen des Landkreises dauerhaft nicht mehr möglich sein. Die Belegung von Containern ist bei weitem viel besser für alle Beteiligten als die Belegung von Turnhallen, sowohl natürlich für Schülerinnen und Schüler und Sportlerinnen und Sportler, als auch für die Geflüchteten, die in Turnhallen keinerlei Privatsphäre oder Rückzugsmöglichkeiten haben.

Wie sieht der Landrat den Aufruhr in Warngau vor einer Woche?

„Ich nehme wahr, dass die Stimmung bereits seit der Corona-Pandemie in unserer Gesellschaft zunehmend aufgeheizt ist und gerade ein neues, bisher unbekanntes Hoch erreicht. Mich stimmt nachdenklich, dass in unserer Gesellschaft so viel Wut und Hass vorherrschen – und das branchenübergreifend. Niemand hört dem anderen mehr zu, es kommen immer gleich Beschimpfungen und Ablehnung. Viele, die interessiert an der Ausübung eines kommunalpolitischen Mandats oder an der Übernahme von Verantwortung in den Gemeinderäten sind, verunsichert das. Ich finde es hervorragend, wenn Bürgerinnen und Bürger Politikern gegenüber ihre Meinung äußern und es soll auch jeder, der möchte, von seinem Grundrecht zu demonstrieren Gebrauch machen. Keinerlei Verständnis habe ich dabei aber für rechtsradikale und rassistische Äußerungen und Gruppierungen.

Aber werden die Gründe für die Ablehnung denn von der Politik, der Behörde gesehen?

Eine Flüchtlingsunterkunft für 500 Personen ist ganz sicher nicht optimal, aber ganz ehrlich – wo sollen die Leute hin? Wir werden von Gemeinde zu Gemeinde geschickt und jeder, jeder, jeder sagt „in meiner Nachbarschaft nicht.” Ich bin ständig im Austausch mit anderen Landräten, dem Innenminister und dem Ministerpräsidenten, dass wir es nicht mehr schaffen, die Vielzahl an Geflüchteten auf Landkreisebene unterzubringen. Die Rückmeldung ist immer dieselbe: Wir müssen unserer gesetzlichen Pflicht zur Unterbringung Geflüchteter nachkommen, daran führt kein Weg vorbei. Wir brauchen wieder mehr gesellschaftsübergreifende Solidarität und diese fordere ich von allen Gemeinden und Bürgermeistern.”

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