Geteilte Meinung zu Klarnamen

Aktualisierung vom 19. Juli / 10:12 Uhr
Wenn man die Antworten der Leser zugrunde legt, könnte man zwar, muss aber nicht unbedingt etwas an der anonymen Kommentarfunktion der Tegernseer Stimme ändern.

Die Hälfte der Befragten würde demzufolge auch unter Angabe des echten Namens kommentieren, glaubt aber selbst nicht daran, dass dadurch die Qualität der Diskussionen verbessert würde. Mit der aktuellen Qualität der Kommentare ist die Mehrheit trotzdem zufrieden. Die Ergebnisse im Überblick.

156 Leser haben sich an der Umfrage beteiligt, von denen auch fast drei Viertel oder 73 Prozent schon auf der Tegernseer Stimme kommentiert hatten. Allerdings haben lediglich 33 Prozent das mit ihrem echten Namen getan. Die angebotene Anonymität wird also von einem Großteil der Leser genutzt.

Lesen Sie Kommentare, oder könnten Sie darauf verzichten?

kommentare zur information
Kommentare werden von den meisten Lesern als Mehrwert zur Berichterstattung verstanden.
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Die Meinung zu anonym oder nicht anonym ging dabei etwas auseinander. Einigkeit herrschte allerdings darin, dass Kommentare wichtig zur Information und unverzichtbar auf der Tegernseer Stimme sind. 76 Prozent geben an, die Kommentare als zusätzliche Informationsquelle zu sehen. 19 Prozent lesen sie immerhin zur Unterhaltung. Darauf verzichten könnten nur 5 Prozent. Für unnötig hielt sie kein einziger der Befragten.

Wie zufrieden sind Sie mit der Qualität der Kommentare?

qualitaet der kommentare
Viele Leser sind mit der Qualität der Kommentare tendenziell zufrieden. Ein Viertel sieht deutlichen Verbesserungsbedarf.

Etwas anders schätzen die Leser die Qualität der Kommentare ein. In den persönlichen Rückmeldungen war zum einen von „Stammtischqualität“ und „Meckerecke“ die Rede. Zum anderen sehen einige Leser die Qualität aber auch sehr viel höher „als im restlichen Internet“ an und erkennen „Informationen, die sonst nicht an die Öffentlichkeit kommen würden“.

In den direkten Abstimmungsergebnissen spiegelt sich diese Einschätzung ebenfalls wider: Insgesamt 63 Prozent sind mit der Qualität im Großen und Ganzen zufrieden und bewerten mit „befriedigend“ oder „gut“. Allerdings sieht ein gutes Viertel die Qualität auch als unterdurchschnittlich an.

Würden Sie mit Klarnamen-Zwang weiterhin kommentieren?

klarnamenzwang
Fast exakt die Hälfte gibt an, auch mit Klarname weiterhin kommentieren zu wollen.

Die Fragen rund um den angesprochenen „Zwang zum Klarnamen“ wurden teils auch für uns etwas überraschend beantwortet: Auf die Frage, ob die Kommentatoren auch unter Angabe ihres echten Namens weiterhin kommentieren würden, kam es fast zu einem Patt. Nur eine knappe Mehrheit von 52 Prozent gibt an, dann nicht mehr kommentieren zu wollen.

Die Erwartungen an Klarnamen innerhalb der Diskussionen sind dagegen andere. Nur 43 Prozent denken, dass es der Qualität zuträglich wäre. Nur 41 Prozent der bisherigen Nicht-Kommentierenden geben an, sich zukünftig an Diskussionen beteiligen zu wollen, sollten alle anderen Kommentatoren ebenfalls erkennbar sein.

Sehen Sie die Gefahr von Repressalien bei Klarnamen?

repressalien
Immerhin 57 Prozent befürchten Repressalien, sollten sie sich zu ihrer Meinung bekennen.

Relativ deutlich war die Meinung zu möglichen Repressalien. 57 Prozent der Befragten sagten demzufolge, dass sie die Gefahr von Repressalien, also Nachteilen im privaten Umfeld oder gegenüber Gemeinde und Verwaltung, befürchten, sollte die Meinung klar einer Person zuzuordnen sein.

Ein bedenklicher Wert vor dem Hintergrund einer demokratischen Gesellschaft mit im Grundgesetz verankerter Meinungsfreiheit. Dieser Punkt wurde auch in persönlichen Äußerungen mehrmals thematisiert. Das Misstrauen gegenüber Behörden und Mitbürgern scheint recht ausgeprägt.

Ursprünglicher Artikel vom 07. Juli 2013, mit der Überschrift: “Lästige Anonymität oder ein Grundrecht?”

Immer wieder wird über Kommentare auf der Stimme diskutiert. Mancher nimmt Anstoß daran, dass unter dem Schutzmantel der Anonymität auch gewettert und geschimpft wird. Und dennoch ist Anonymität ein schützenswertes Gut, das jedem Einzelnen vom Grundgesetz zugesprochen wird.

Trotzdem stellen auch wir uns die Frage, ob Debatten und Diskussionen, geführt mit „echten Namen“, vielleicht eine andere Qualität erhielten.

Anonymität im Internet sorgt immer wieder für Diskussionen.
Anonymität im Internet sorgt immer wieder für Diskussionen.

Letzte Woche erreichte uns eine E-Mail von einem Leser, die vermutlich exemplarisch auch für die Meinung anderer TS-Leser steht:

Liebe Tegernseer Stimme,
ich lese gerne Ihre aktuellen Beiträge,
finde es auch sehr informativ, tagesaktuell informiert zu sein,
möchte zu Ihrer Rubrik Kommentare jedoch vorschlagen, nur
diese abzudrucken, die mit dem Namen des Verfassers versehen
sind.

Ich finde, dass jedermann zu seiner Meinung, wenn er sie schon der
Öffentlichkeit mitteilen kann, mit seinem Namen oder E-mail stehen sollte.
Auch denke ich, dass ich hier mit meiner Meinung nicht allein stehe.
Die Glaubhaftigkeit der Tegernseer Stimme würde dadurch unterstrichen
und vor allem als wertvolles Kommunikationsmittel langfristig etabliert.
P. S.  Die Aussagen die man tätigt, ziehen auch Verantwortung nach sich.

Ein Ratschlag, der uns veranlasst hat, mal wieder über die Kommentarfunktion auf der Tegernseer Stimme nachzudenken. Schon an verschiedenen Stellen hatten wir unsere grundsätzliche Haltung dazu deutlich gemacht und zur Diskussion gestellt.

Auf der Stimme sind anonymes Kommentieren und Diskutieren ausdrücklich erlaubt ‒ so wie es auch andere Medienseiten, beispielsweise der Münchner Merkur, halten. Immer wieder haben Menschen gute Gründe, ihre Meinung nicht mit ihrem Namen zu verknüpfen. Nicht zuletzt, da mancher Nachteile fürchtet, sollte er sich öffentlich mit Verantwortlichen aus dem Tegernseer Tal anlegen. Der nächste Bauantrag steht vielleicht vor der Tür, und so manch politischer Entscheidungsträger hat in der Vergangenheit bereits gezeigt, was er von Kritikern hält.

Anonymität ist ein schützenswertes Gut

Der Gedanke hinter anonymen Kommentaren ist der gleiche wie bei einer anonymen Wahl: Niemand soll aufgrund seiner Meinung oder politischen Einstellung einen gesellschaftlichen Nachteil erlangen. So steht steht es schon im Grundgesetz, und so sehen es auch die deutschen Gerichte, wie beispielsweise das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteilsspruch zur Rechtslage anonymer Kommentare:

OLG_Hamm_Westfalen
Die Richter am OLG Hamm sehen in Anonymität ein Grundrecht.

„Die für das Internet typische anonyme Nutzung entspricht zudem auch der grundrechtlichen Interessenlage, da eine Beschränkung der Meinungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugerechnet werden, mit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vereinbar ist.

Die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, würde allgemein die Gefahr begründen, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen sich dahin gehend entscheidet, seine Meinung nicht zu äußern. Dieser Gefahr der Selbstzensur soll durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung entgegengewirkt werden.“

Und trotzdem können wir die Erwartung und die Hoffnung auf eine andere und vielleicht sogar bessere Diskussionskultur nachvollziehen, die sich mancher durch Erkennbarkeit der Diskutierenden ausmalt. Die Frage, die wir uns dazu in den vergangenen drei Jahren immer wieder gestellt haben: Würden Menschen mitsprechen, die sich bisher nicht in die Kommentare einmischen? Fühlt sich mancher abgeschreckt, mit einem anonymen Gegenüber zu diskutieren? Wäre das anders, sobald jeder mit seinem echten Namen identifiziert wäre?

Wie diese „Identifizierung“ aussehen könnte, ist dabei eine noch offene Frage: rechtlich wird es kaum möglich sein, sich von jedem Kommentator den Personalausweis vorzeigen zu lassen. Eine Registrierung nur mit gültigen E-Mail-Adressen stellt zwar eine Hürde dar und ist ein Schritt weg von komplett anonymen Kommentaren ‒ zu „echten Namen“ in den Kommentaren würde aber auch das nicht zwangsläufig führen, wie man auf unzähligen anderen Medienseiten sehen kann. Ob das alles zu steigender Qualität in Kommentaren führt, wird von Studien auch infrage gestellt.

Würden Sie unter Klarnamen mitdiskutieren?

Auf der anderen Seite stellt sich uns natürlich auch die Frage, ob nicht mancher nur für die Aufhebung der Anonymität ist, um endlich zu wissen, wer da öffentlich Kritik äußert, sprich wer also nicht „auf Linie“ argumentiert ‒ der nachvollziehbare Wunsch, den „Gegner“ zu kennen, um den Kampf aufnehmen zu können.

Wir würden dazu gerne Ihre Meinung wissen: Sehen Sie Bedarf, das anonyme Kommentarsystem zu überdenken oder anders zu regeln? Würden Sie vielleicht sogar selbst aktiver mitdiskutieren, wenn Sie genau wüssten, mit wem Sie diskutieren?

Die Umfrage ist deaktiviert.

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