Es gibt fast keine Polizei- und Rettungseinsätze mehr, die nicht von Schaulustigen gefilmt werden. Oft werden sogar Helfer für ein passendes Bild beiseite geschoben. Unrechtsbewusstsein? Fehlanzeige. Der 18-jährige Tölzer, der in der Nacht von Freitag auf Samstag auf dem Kreuther Waldfest von zwei Männern brutal zusammengeschlagen wurde, läge vielleicht nicht schwerverletzt im Krankenhaus, wenn man ihm „anstatt zu filmen“ geholfen hätte.
Nach Aussage der Wiesseer Polizei liegt der junge Mann mit einer Gehirnerschütterung, einem gebrochenen Nasenbein, einem geschwollenen Auge und mehreren Schürfwunden weiterhin im Krankenhaus in Agatharied. „Eigentlich sollte er am Montag entlassen werden“, berichtet René Münch von der Wiesseer Polizei auf Nachfrage. Der stationäre Aufenthalt sei aber verlängert worden.
Zivilcourage gefragt
Zur Tatzeit hätten ungefähr zehn bis 15 Personen um das Geschehen herum gestanden, erklärt Münch. Eine 21-jährige Freundin des Opfers muss zuschauen, wie die beiden unbekannten Männer immer wieder auf den am Boden liegenden 18-Jährigen einschlagen und gegen seinen Schädel treten.
Sofort eilt sie ihrem Bekannten schreiend zu Hilfe und stellt sich den Männern entgegen. Dank ihres Einsatzes flüchten die Täter. Eine befreundete Familie in Bad Wiessee kümmert sich noch in den frühen Morgenstunden um den Schwerverletzten und liefert ihn tags drauf in das Krankenhaus Agatharied. Erst am Sonntag informiert dann die Mutter des Tölzers die Polizei und erstattet Anzeige.
Die Tat habe sich schon fast außerhalb des Festgeländes ereignet, und zwar direkt an der Weißach-Brücke nord-westlich des Geländes, so Münch weiter. Dass es auf dem Kreuther Waldfest keinen Sicherheitsdienst gibt, begründet der Wiesseer Beamte so:
Normalerweise ist es ein eher ruhiges, friedliches Waldfest.
Der Vorsitzende des Kreuther Skiclubs, Sepp Bartl ist fassungslos. Gegenüber dem Merkur erklärt Bartl: “Von uns hat kein Mensch etwas mitbekommen. Wenn das am Festplatz selbst passiert wäre, hätten wir eingreifen können.”
Unterlassene Hilfeleistung
Bleibt die Frage, wer weitere Aufnahmen gemacht hat und die Zivilcourage besitzt, sich nun bei der Polizei Bad Wiessee zu melden. Denn eines ist klar: Helfen ist Pflicht. Und jede „Unterlassene Hilfeleistung“ eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren geahndet werden kann. Allein für „Gaffer“ gibt es ein Bußgeld in Höhe von 20 bis 1.000 Euro. „Wenn man allerdings sieht, dass schon ein Anderer Hilfe leistet, so ist es möglich, sein Nichteingreifen zu rechtfertigen“, will Münch den Zeugen Mut machen.
Die Wiesseer Beamten ermitteln inzwischen weiter und suchen die zwei Täter. Sollten sie gefasst werden, müssen sie sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Ihnen droht eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten.
Wie die Polizei mitteilt, war einer der Unbekannten Ende 20, trug eine dunkle Bund-Lederhose und ein kariertes Trachtenhemd. Er war rund 1,90 Meter groß, hatte kurzes, braunes Haar und sprach hochdeutsch. Der andere sprach ebenfalls hochdeutsch, war um die 30 und hatte ebenfalls braune, nur etwas längere Haare.
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