Kreistagsabgeordneter vor Gericht
Lokalpolitiker beleidigt Ministerin Kaniber

Weil der Kreistagsabgeordnete B. in einer Whats-App-Gruppe die Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber beleidigt hat, stand er gestern vor dem Amtsgericht.

Auch Sprachnachrichten können ein Nachspiel haben. Foto: Redaktion

“Kaniber ist mit Vorsicht zu genießen, das ist eine richtige S…,” liest der Staatsanwalt gestern im Gerichtssaal vor. (Wir verzichten aus Gründen der Höflichkeit und des Anstands auf eine wortwörtliche Wiedergabe der Beleidigung.) Das ist Auszug einer Sprachnachricht, die der Kreistagsabgeordnete B. an die Whats-App-Gruppe “Tegernseer Tal im Widerstand” verschickt hat. Die Nachricht, die im Januar dieses Jahres an über 500 Mitglieder ging, führte zu einer Strafanzeige der Bayerischen Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber gegen B..

Zur Erinnerung: Anfang des Jahres nutzen einige Bürgerinnen und Bürger im Landkreis die Bauernproteste, um jenseits von Anstand und Demokratie zu hetzen und zu beleidigen. Meist fand das in den sozialen Medien wie WhatsApp-Gruppen und Telegram statt. Auch wir waren davon betroffen, haben für uns viele Auswürfe dokumentiert. Anders die Ministerinnen. Sie zeigten sofort an.

Das Fasserl läuft über

Der Angeklagte gab die Beleidigung ohne Umschweife zu, “ich bedauere diese verbale Entgleisung”. Sein Anwalt brachte zu seiner Verteidigung vor, dass B. zwei Entschuldigungsschreiben an Kaniber verfasst habe und bereit sei, 2.500 Euro an den Hospizverein Miesbach oder eine von Kaniber bestimmte Organisation zu spenden. Außerdem habe er den Vorfall in einer E-Mail an Landtagspräsidentin Ilse Aigner geschildert und um Vermittlung gebeten.

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Auf die Frage des Richters, warum er die Nachricht gesendet habe, antwortete B., dass ihm die Ereignisse der letzten Jahre emotional zugesetzt hätten. Dann zählt er auf: “Beschimpfungen als Asozialer während der Coronazeit, die Rundfahrt (Bauernproteste, Anmerkung der Redaktion), wo wir als Mob auf der Straße bezeichnet wurden” und dass das weh getan habe. Dass er gerade im Stall war, als er die Nachricht im Effekt aufsprach, ihm sei “das Fasserl übergelaufen”. Was für den Lokalpolitiker ein übergelaufenes Fass ist, werten Strafbehörden mittlerweile bundesweit als Hetze und Beleidigung, gehen nach und nach dagegen vor. Geraten die Täter an das Licht der Öffentlichkeit, werden aus großen Maulhelden im Netz dann vor Gericht schnell um Entschuldigung bettelnde Büßer.

Anfeindungen von Politikerinnen

Politikerinnen sehen sich häufig frauenfeindlichen Angriffen ausgesetzt, die darauf abzielen, sie einzuschüchtern und aus dem politischen Leben zu drängen. Solche Angriffe gefährden nicht nur die Vielfalt in der Politik, sondern auch die Demokratie. Weil B. keine Vorstrafen hat, dem Richter reuig vorkommt, sich entschuldigt hat und er behauptet aus der besagten Whats-App-Gruppe raus zu sein, kommt er mit 90 Tagessätzen zu je 30 Euro davon. Auch die Kosten des Verfahrens landen bei ihm.

Randnotiz: Draußen ist der Hass

Ständig in der Öffentlichkeit zu stehen und Politik zu machen, macht einen angreifbar. Oft zielt Frauenfeindlichkeit darauf ab, Politikerinnen einzuschüchtern. Weniger Politikerinnen gefährden die Vielfalt in der Politik und letztendlich die Demokratie. Wer sich öffentlich äußert, auf einem Podium, in der Zeitung oder im Internet, kennt diesen Hass. Die Kommunalpolitikerin kennt ihn genauso wie der Musiker, die Influencerin oder der Sportler. Hass auf Twitter, Hass auf Instagram, Hass auf Telegram, TikTok und Facebook. Und während Instagram enorm schnell ist, weibliche Brustwarzen zu identifizieren und zu sperren, bleibt Hass oft einfach stehen. Es sei denn, man informiert pro-aktiv die Behörden. Und vermutlich erzeugt die Anzeige einer Staatsministerin einfach mehr Ermittlungsdruck …

Wer beleidigt wird, soll anzeigen

Hass im Netz. Das klingt harmlos. Sind ja nur Worte. Falsch: Beleidigung ist eine Straftat. Bedrohung ebenfalls. Und Volksverhetzung kann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. B. wird nicht der einzige sein, der sich für seine Ausfälle zu rechtfertigen hat. Immer mehr rufen Opfer-Beratungen dazu auf, nicht wegzulöschen, die Beleidigungen schnell und nachhaltig bei der Polizei anzuzeigen.

Auch die Gruppe “Tegernseer Tal im Widerstand” ist kein Sammelbecken für Unschuldslämmer. Vielmehr bleibt die Frage, warum nicht noch mehr Nachrichten vor Gericht gelandet sind. Wie wir aber aus Ermittlerkreisen hören, werden seit geraumer Zeit wohl einige “Aktive”, WhatsApp-Administratoren und eifrige Tipper beobachtet.

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