Corona kann Spuren hinterlassen. Hat man Pech, verschwinden die Symptome nicht mehr. Wir haben mit zwei Menschen aus dem Tal gesprochen, die an Long Covid leiden. Das sind ihre Geschichten.
Der Begriff Long Covid dürfte mittlerweile so gut wie jedem etwas sagen. Noch Wochen oder Monate nach einer COVID-Erkrankung können gesundheitliche Langzeitfolgen entstehen. Aber was genau ist „Long Covid“ eigentlich?
Der Gmunder Arzt, Dr. Thomas Straßmüller, erklärt: „Zunächst einmal zur Begriffsklärung: Long Covid ist der Überbegriff, Symptome der akuten Covid-Erkrankung können bis zu vier Wochen anhalten. Wenn Symptome noch nach mehr als drei Monaten bestehen, so spricht man von Post Covid.“
Die häufigsten Symptome sind Müdigkeit, Erschöpfung, eine eingeschränkte Belastbarkeit und Kurzatmigkeit. Auch Beschwerden wie Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Muskelschwächen und Schmerzen sowie psychische Probleme gehören zu den häufigeren Beschwerden von Long Covid. Die TS hat mit zwei Menschen gesprochen, die unter Long Covid leiden. Aus den Gesprächen ergaben sich sehr unterschiedliche Geschichten.
Zwei Menschen, zwei Geschichten
Eine Frau und ein Mann aus dem Tal erklärten sich bereit, mit uns über ihre Erkrankung zu sprechen – Patrick und Viktoria (Namen von der Redaktion geändert). Viktoria startet schnell ins Gespräch: „Meine Erfahrung ist halt, dass die Corona-Symptome einfach nicht mehr richtig weggegangen sind.“ Sie habe nach wie vor Erschöpfungszustände, ist nicht mehr komplett belastbar:
Ich bin mehr oder weniger dauermüde.Viktoria
Vollkommen anders als bei Patrick. Er hatte starke Schmerzen in den Gliedmaßen – eine Weichteilentzündung. Beide sind sich jedoch einig, wie schwierig – und vor allem wie langwierig – die Diagnose war. „Ewigkeitsweg“, sagt Viktoria. Auch Patrick stieß erst nach vielen Arztbesuchen und einem großen Bluttest auf so etwas wie Gewissheit. „Ich glaube, ich habe um die zehn Blutwerte abgegeben“, sagt er. Sechs Wochen, schätzt Patrick, dauerte die Diagnose.
Was die Untersuchung laut Viktoria zusätzlich erschwere – „keiner kümmert sich so wirklich darum“. Das liege laut Dr. Straßmüller auch daran, dass der Wissensstand zu Long Covid noch etwas hinterherhinkt. „Leider muss man sagen, dass das Wissen über die Corona-Folgeerkrankungen auch im dritten Jahr der Pandemie noch recht überschaubar ist. Daher wird die Forschung momentan auch durch Gewährung zusätzlicher finanzieller Mittel vorangetrieben“, weiß der Arzt.
Es ist momentan Gegenstand der Forschung, nach verlässlichen objektiven Parametern zu suchen (z.B. bestimmte Blutwerte), um die Diagnose Long Covid oder Post Covid auf sichere Beine zu stellen.Dr. Thomas Straßmüller
Als Patrick weiter über seine Erkrankung spricht, betont er, dass es auch viel schlimmer hätte kommen können. Er erzählt von einigen Freunden, die ebenfalls Long Covid erwischt habe. Einer lief Marathon, heute braucht er Medikamente gegen Asthma. Eine Bekannte komme ohne Pause nicht mehr in den zweiten Stock, eine andere hat keinen Geruchs- und Geschmackssinn mehr.
Auf die Frage, wie genau sich die Erkrankung auf Viktorias Leben auswirkt, antwortet sie: „Du merkst halt einfach: Ich kann gewisse Sachen nicht mehr, die ich davor schon gekonnt habe. Du kannst dich auch nicht mehr lange auf Dinge konzentrieren.“ Irgendwann mache der Kopf einfach schlapp und dann frage sie sich: „Was mache ich hier eigentlich?“
Therapie zu Long Covid: Was hilft?
Bei der Behandlung von Long Covid gehen die Meinungen der zwei Interviewpartner auseinander. Patrick setzte von Anfang an auf ärztliche Hilfe. Viktoria erzählt, sie habe sich selbst viel Ruhe verschrieben, ihre Ernährung umgestellt. Medikamente will sie aber keine nehmen. „Das will ich alles nicht, weil das ist für mich keine Therapie der Ursache, sondern eine Symptombekämpfung“, erzählt sie. Patrick erklärt stattdessen, dass seine Beschwerden erst durch Medikamente besser wurden.
Zum Schluss habe ich eine fünfwöchige Kortison-Kur gemacht und bin seit letzter Woche schmerzfrei.Patrick
Die Empfehlung des Gmunder Arztes Dr. Straßmüller zu Long Covid: „Zunächst einmal rate ich dazu, nicht zu verzweifeln. Bei einem Großteil der Erkrankten kommt es zu einer Genesung, wenn auch nach langer Zeit.“ Weiter betont er:
Und ich bin zuversichtlich, dass in naher Zukunft auch wirksame und wissenschaftlich gesicherte Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.Dr. Thomas Straßmüller
Zu Heilversuchen rät Straßmüller nur im Rahmen kontrollierter Studien. Verfahren wie eine Blutwäsche würden nun mal in die Hände von Fachleuten gehören. Außerdem warnt Straßmüller: „Für diese und andere Verfahren gilt: Werden Sie hellhörig, wenn Sie hohe Beträge aus der eigenen Tasche zahlen müssen!“
Eine einheitliche Therapie ist laut dem Arzt noch weit weg. „Da die Krankheit und die Ausprägungsformen so vielfältig sind, wird es diese wohl auch nie geben“, argumentiert Straßmüller. Einen Hoffnungsschimmer gibt es dennoch: „Ein neues Medikament aus Deutschland ist derzeit in der Phase Zwei Studie und könnte, wenn alles gut läuft, Ende nächsten Jahres zugelassen und verfügbar sein“, berichtet Straßmüller.
Informationen zum Umgang mit Long Covid und Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige lassen sich auf longcovid-info.de finden. Viktoria betont zum Abschluss, sie würde sich persönlich wünschen, dass dieses Thema ernster genommen wird: „Dass man einfach mal genauer auf einzelne Sachen eingeht.“
SOCIAL MEDIA SEITEN