Staatliche Versorgung und ihre Folgen bei uns im Tal:
Macht zu viel Fürsorge gierig?

Kitas, Hortbetreuung, Ganztagsschule – auch bei uns im Tal werden Kinder zunehmend vom Staat versorgt. Das hat Folgen: Anspruchsvolle Eltern, die nie genug bekommen. Nicht nur Bürgermeister wissen ein Lied davon zu singen.

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Das Kita-Zentrum in Bad Wiessee für 12 Millionen Euro an Steuergeldern. / Foto: Redaktion

In Rekordzeit wird in Bad Wiessee ein Kinder-Zentrum hingestellt. Kosten: Zwölf Millionen Euro. In Rottach-Egern eröffnete vor drei Jahren die neue Grundschule mit Mensa und Räumlichkeiten auch für die Nachmittagsbetreuung. Neubau und Außenanlagen schlugen hier mit zehn Millionen Euro zu Buche. Einen Hort gibt es in Rottach-Egern nicht mehr. Auf Wunsch vieler Eltern wird stattdessen eine offene Ganztagsbetreuung angeboten. Naja, und Wohnungen für das Personal werden natürlich auch geschaffen. Addiert man die Gesamtkosten der letzten Jahre für die Kinderbetreuung, kommt man schnell in einen Bereich von rund 30 Millionen Euro. Von der Mittel- über Realschule bis zum Gymnasium existieren hier alle drei Schulformen. Selbst ‘alternative’ Angebote wie Montessorischulen sind in erreichbarer Nähe. 

Ein Füllhorn an Fürsorge?

Neben der vielfältigen hiesigen Infrastruktur kommen noch Zahlungen in Milliardenhöhe für Kinder- und Jugendbetreuung hinzu: In der Tat hat eine Bundes- und Landespolitik mit üppigen Wohltaten in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass sich Familien besonders angesprochen fühlten. Hier hilft ein kleiner Blick in den großzügigen Fördertopf der Politik: unerfüllter Kinderwunsch? Kein Ding, der Staat zahlt die Hälfte der Behandlungskosten, egal, ob verheiratet oder nicht. Dann sind da Dutzende von Extratöpfen für Familien: FamiliengeldMutterschutzlohnKindergeldElterngeld und – natürlich – ElterngeldPlus. Achja, und wenn Sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind oder hier Arbeitslosen- bzw. Krankengeld beziehen, aber aus Ländern wie A wie Algerien, M wie Montenegro oder T wie der Türkei stammen, haben sie auch Anspruch auf Kindergeld. Es reicht ein Nachweis der Herkunftsländer

Kinderkosten zum Abschreiben

Wer aber jetzt im Tal schreit, dass wieder einmal die Ausländer alles in den Rachen geschoben bekommen, sollte einmal auf seine eigene Steuererklärung schauen:  Kinder von besserverdienenden Eltern profitieren am meisten von den steuerlichen Kinderfreibeträgen. Aufgrund des progressiven Steuersystems wirkt sich die finanzielle Entlastung bei den höchsten Einkommen am stärksten aus. So beträgt die maximale Entlastung aufgrund der steuerlichen Kinderfreibeträge mehr als 290 Euro im Monat. Daneben wirken sich auch noch Ausgaben für die Nanny oder das Au-pair-Mädchen aus Kirgistan und für eventuelle Privatschulen als Sonderausgaben bis zu einem großzügig bemessenen Maximalbetrag pro Kind und Jahr steuerlich aus. 

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900 Millionen jedes Jahr

Aber auch hier hat der Staat mit der Idee der Kindergrundsicherung Gelder zu vergeben. Auch ohne Kindergrundsicherung rückt die Marke von 100 Milliarden Euro zugunsten der Familien in greifbare Nähe. Das geht aus der Datensammlung zur Steuerpolitik hervor, die das Bundesfinanzministerium im April des Jahres veröffentlicht hat. Dort werden die familienpolitischen Leistungen für dieses Jahr auf 97,1 Milliarden Euro beziffert. Das sind gut 10 Milliarden Euro mehr als vor drei Jahren. Das Kindergeld wird seit den Neunzigerjahren als negativer Posten bei den Steuereinnahmen verbucht, dieses Jahr werden allein dafür 54,2 Milliarden Euro veranschlagt. Die zusätzliche Nutzung der Kinderfreibeträge schlägt mit 3 Milliarden Euro zu Buche, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende mit knapp 1,3 Milliarden Euro. Die Auswirkungen der Kinderbetreuungskosten werden auf nicht ganz 900 Millionen Euro geschätzt.

Dauernörgeln statt Dankbarkeit?

Es ist also reichhaltig, was der Staat (und Privatinitiativen) den Eltern anbietet. Und trotzdem: Vielen Familien reicht das nicht. Wutentbrannt und mit herabsetzenden und persönlichen Angriffen gegen die örtlichen Politiker demonstrierten im Sommer in Bad Wiessee Eltern, instrumentalisierten ihre Kinder und ließen sie auswendig Gelerntes schreien. In Tegernsee verlangen Eltern ruckzuck eine perfekte Neugestaltung des Schulhofs. Und immer geht es einher mit einem fordernden, zuweilen auch unverschämten, Ton. Motto: “Das steht mir zu.” Bürgermeister werden sich hüten, sich öffentlich über das Auftreten der Eltern- und deren Vertreter zu äußern. Nichts ist schlimmer als Wähler-Bashing. Aber hinter verschlossenen Türen wächst in Amtsstuben der Frust. Fragt man Politiker nach den Gründen, wird oft auf den Zuzug anspruchsvoller Neubürger verwiesen. Das Bestätigen hinter vorgehaltener Hand auch Lehrer, wenn wir sie fragen. Zumeist meinungsstark und oftmals ahnungslos treten diese jungen Eltern bei Ämtern und Elternabenden auf, bringen gern einen umfangreichen Aufgabenkatalog mit. Mal sind es zu wenig oder zu falsche Spielgeräte, mal wird zu wenig auf die ‘besonderen’ Bedürfnisse der eigenen Leibesfrüchte geachtet.

Staat gräbt das eigene Grab?

Aber das ist nur ein Ansatz. Der Staat hat sich das Grab, so glauben viele Kommunalpolitiker, selbst geschaufelt. Mit immer mehr Anreizen fürs Kinder in die Welt setzen, wurden Eltern zu nimmersatten Leistungsbeziehern “erzogen”. Dieses Dauer-Ausschütten von Geldern diente einer Idee: mehr Kinder. Warum? Unsere Gesellschaft altert schneller, als dass sie nachwächst. Nur: Der Effekt der Geburtenzunahme setzte nicht ein. Sie sank auch im letzten Jahr deutlich. Die Soziologin Katja Rost hat das kürzlich in einem Interview mit dem SPIEGEL so beschrieben. “Bei der Kinderzahl spricht die Forschung von einer U-Kurve: Arme, bildungsferne Familien an einem Ende der Skala und sehr wohlhabende Familien am anderen bekommen häufig mehrere Kinder.” Überspitzt gesagt: Dazwischen wird mehrheitlich verhütet. Also stimmt das Gegenteil? Je mehr der Staat unterstützt, desto weniger Kinder kommen in die deutsche Gesellschaft? Zufälliger Effekt oder Zusammenhang?  Fakt ist: Die, die Kinder bekommen, treten anspruchsvoller auf. Uns berichten Lehrer aus dem Tegernseer Tal von immer mühsameren Elterngesprächen. Interessanterweise treffen Lehrerinnen und Lehrer solche Muster häufig bei sogenannten bildungsnahen Eltern an. Gibt es Probleme, suchen diese den Fehler zunächst immer bei der Schule. “Eltern mit hohen Bildungserwartungen sind anspruchsvoller und oftmals besserwisserisch”, sagte Roland Reichenbach, Professor am Institut für Erziehungswissenschaft an der Universität Zürich in einem Interview mit der NZZ vor einem Jahr. Bildungsferne Familien bringen andere Probleme mit sich, diese Eltern trauen sich hingegen seltener, die Lehrkräfte zu kritisieren.

Nur der Vergleich macht sicher – und demütig

Die Politik im Tegernseer Tal hat in den letzten Jahren, auch aufgrund ihres aktuell vorhandenen kommunalen Wohlstands, viel für Familien auf die Beine gestellt. Das muss nicht immer so bleiben, manche Haushalte einiger Kommunen haben schon auch andere, wesentlich dürftigere, Zeiten erlebt. Es wäre allen geholfen, sich das bei der nächsten Eltern-Demo einmal vor Augen zu führen. Hilfreich ist auch einmal eine Bildungsreise in andere Regionen Deutschlands – jedoch nicht finanziert mit einem Reisekosten-Zuschuss.

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