“Manchmal muss man Klartext reden”

Was an Silvester in Köln passiert ist, hat bundesweit für helle Aufregung gesorgt. Gleichzeitig haben die Ereignisse auch eine Diskussion in Gang gesetzt, der sich niemand mehr entziehen kann. Doch wie nehmen die Asylbewerber die Diskussion wahr? Und was machen die Helferkreise? Die TS hat nachgefragt.

Hat sich der Umgang für Flüchtlinge seit Silvester verändert?
Hat sich der Umgang mit Flüchtlingen seit Silvester verändert?

Knapp 700 Kilometer trennen Köln vom Tegernsee. Ist das weit? Kommt auf die Perspektive an. Auf die reine Wegstrecke reduziert, ja. Mit dem, was in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof passiert ist, wohl kaum.

Die Aufregung in Deutschland ist noch immer ungebrochen groß, seitdem bekannt wurde, dass etwa 1000 Männer vermutlich arabischer Herkunft westliche Frauen umzingelten, beraubten und sexuell belästigten. Die Vorbehalte gegen Asylbewerber sind seitdem nicht weniger geworden. Wie soll man mit dieser neuen Situation umgehen?

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Waakirchen: Vortrag zum Thema Werte

Bürger, aber auch die Ehrenamtlichen der Helferkreise stellen sich seit den Vorfällen Fragen wie diese. Deutlich wird: Endgültige Antworten, eine Art Masterplan, gibt es nicht. Wohl aber Reaktionen und die Tendenz zu handeln. Erste vorsichtige Maßnahmen wurden bereits in einigen Talgemeinden in die Wege geleitet. Sie sollen das Zusammenleben zwischen Deutschen und Flüchtlingen definieren. Aber auch mögliche Missverständnisse von vornherein ausschließen, wie das Beispiel aus Waakirchen zeigt.

„Aktuell tragen wir Informationen für einen Vortrag zusammen. Darin wollen wir den Asylbewerbern unsere gesellschaftlichen Werte und Wertevorstellungen vermitteln. Ein weiter inhaltlicher Bestandteil soll der Stand der Frau in unserer Gemeinschaft sein“, sagt Silvia Hartl, Integrationsbeauftragte der Gemeinde Waakirchen und Sprecherin der Helfer.

Tatsächlich hätten erst die Vorfälle in der Silvesternacht den Auslöser gebildet, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen. „Aufklärung über unseren kulturellen Hintergrund kann generell nicht schaden“, sagt Hartl. Sie betont aber, dass der Umgang der Asylbewerber mit Helfern und Waakirchner Bürgern „sehr respektvoll und höflich“ ablaufe. Anfangs initiierte Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel, dass man als Frau nicht ohne Begleitung in die Halle gehen solle, seien ihrer Meinung nicht erforderlich. „Ich gehe da auch alleine rein und ich kann Ihnen sagen: Ich habe kein schlechtes Gefühl dabei oder gar Angst.“

Gmund: Refugee-Guide für Flüchtlinge

Eine Art „Benimm-Codex“, den so genannten Refugee-Guide, hat der Gmunder Helferkreis um Hajo Fritz an die Asylbewerber verteilt. „In ihm stehen beispielsweise Verhaltensregeln für den Auftritt in der Öffentlichkeit in mehreren Sprachen“, erklärt der Vorsitzende. „Den Guide hat es aber auch schon vor Köln gegeben. Nach den Vorfällen haben die Helfer die Flüchtlinge darauf aber wieder verstärkt angesprochen.“

Fritz bestätigt, dass die Gmunder Asylbewerber auf das Thema Übergriffe in der Silvesternacht sehr sensibel reagiert hätten. „Sie finden es ungerecht, in welchem Licht sie dastehen. “‘Wir leiden darunter’, haben sie gesagt“, erinnert sich Hajo Fritz. „Wir haben ihnen deutlich gemacht, dass die Stimmung in der Bevölkerung noch kritischer werden könnte, wenn sie sich nicht an die Verhaltensregeln halten.“

Baden gehen in Seeglas:
Baden am Strand: “Vieles, auch wenn es nett gemeint ist, ist hier nicht gewünscht.”

Ein paar einschlägige Erfahrungen zwischen leicht bekleideten Damen und Asylbewerbern habe es bereits im Sommer am Strand gegeben. „Auf Grund dieser Ereignisse haben wir ihnen schon damals versucht zu erklären, dass vieles, auch wenn es nett gemeint ist, hier nicht erwünscht ist.“ Damit die Botschaft aber ankomme, müsse man auch hin und wieder deutliche Worte finden. „Am besten Klartext reden. Unser Rat lautet: Benehmt euch und bleibt sauber.“

Tegernsee: Sprachkurse mit integrations-pädagogischem Ansatz

Köln und die Silvester-Übergriffe – Auch der Tegernseer Helferkreis habe die Vorkommnisse nicht ignoriert. „Wir haben das natürlich untereinander diskutiert“, sagt Sprecherin Friederike Enders. Allerdings sei man zu einem etwas anderen Fazit gekommen. „Wer Köln kennt, weiß, dass sich die örtlichen Verhältnisse nicht ohne Weiteres auf Bayern übertragen lassen. Daher sehen wir hier keinen akuten Bedarf, etwas zu verändern“, so die Sprecherin.

Aber: „Köln hat uns insofern beflügelt, dass wir bestimmte andere Themen dringlicher anpacken. Dazu gehört etwa, dass wir wissen wollen, wer genau sich in der Halle alles aufhält“, sagt Friederike Enders. Das richtige Verhalten in der Öffentlichkeit, all das werde darüber hinaus schon seit etlichen Monaten in den Sprachkursen thematisiert – im Zuge eines integrations-pädagogischen Konzepts, erklärt die Helferkreis-Sprecherin.

Rottach-Egern: gute Vorbereitung und Kümmerer

In Rottach-Egern gibt es aktuell noch keine Halle und damit auch keine Flüchtlinge. Die Vorbereitungen für ihre baldige Ankunft laufen aber auf Hochtouren. „Wir nehmen die Ängste und Sorgen der Bevölkerung sehr ernst“, sagt Gabriele Schultes-Jaskolla, Gemeinderätin und eine der Initiatoren des neu gegründeten Helferkreises.

„Unser Ziel ist es, durch eine gute Organisation und Kommunikation Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen.“ Dafür habe man eigens ein Papier von der Bayrischen Staatsregierung angefordert, das auf Rechte und Pflichten von Asylbewerbern und Helfern eingehe. „Das sind Richtlinien, die den Helfern zur Orientierung dienen“, sagt Gabriele Schultes-Jaskolla.

Das soll aber nicht die einzige Maßnahme sein, die zu einem friedlichen Zusammenleben in Rottach beitragen soll. „Wir stecken noch in den Planungen, aber es wird künftig eine Ansprechperson geben, die sich um die Sorgen und Nöte der Asylsuchenden kümmern wird“, verspricht sie.

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