Einst eine Anlaufstelle für Menschen mit Nierenerkrankungen, jetzt eine Ruine. Seit 15 Jahren verfällt das Areal. Baupläne gibt es keine. Aber einen neuen Prinzen, der das Gebäude aus dem Dornröschenschlaf wecken will:
Die Klinik liegt seit 2008 brach: Heimgesucht wird sie nur noch von Jugendlichen und von der Feuerwehr Tegernsee zur Übung. Während die Feuerwehrpraxis durchaus sinnvoll ist, nerven die digitalen Geistersucher Gemeinde, Polizei und neuen Eigentümer: “In den Vorjahren hat sich das Gelände zu einem, in einschlägigen Kreisen bekannten, „Lost Place“ verwandelt. Einbrüche und Vandalismus, teilweise mit okkultem Hintergrund, standen auf der Tagesordnung”, schreibt Markus Kopp, Geschäftsführer der Cooley Kreuth Estates.
Jetzt sollen einschlägige Warnschilder und Zäune den okkulten Freuden Einhalt gebieten. Denn eigentlich sollte das hier doch was werden. Und zu holen gibt es hier nichts mehr: Markus Wasmeier hat Anfang 2023 Hilfsgüter für die Ukraine herausgeholt, etwa Krankenbetten, Schränke und Bettwäsche. Anschließend wurde das Gebäude vollständig geräumt, schreibt Kopp.
Kein Streit, nur Diskussionen
Die Gemeinde Kreuth wollte die May-Klinik gerne kaufen, doch unter dem alten Eigentümer kam es nie zu einer Einigung. Jetzt finden regelmäßig Gespräche mit Markus Kopp statt, Geschäftsführer der GRK Gruppe, die 2020 den Bestand zusammen mit der Axtmann Holding übernommen hat. Kopp schaue immer in der Gemeinde vorbei, wenn er von Leipzig ins Tal kommt, so Bierschneider.
Ursprünglich wollte Kopp die Klinik für betreutes Wohnen entwickeln. Er träumt davon, die Ruine aus dem “jahrzehntelangen Dornröschenschlaf” zu wecken und das Ensemble “wieder mit Leben zu füllen, dadurch Arbeitsplätze zu schaffen und den Wohlstand der Gemeinde zu sichern”; sogar ein “Joint-Venture” mit der Gemeinde Kreuth ist für den Unternehmer drin.
Aktuell suche man aber noch einen “seriösen” Betreiber, schreibt Kopp in einer E-Mail. Und dass sie hier seit Sommer verstärkt daran arbeiten. Immerhin müsste man dann von einem Zeitraum von bis zu 15 Jahren ausgehen, um so ein “individuelles Konzept” umzusetzen.
Denn die GRK braucht einen Partner, eben einen Betreiber. Das kann ein Hotel sein, eine Klinik, ein Seniorenheim. Die GRK baut nicht, sie entwickelt. Und das soll bzw. muss sich lohnen, denn ein Gebäude, das über 15 Jahre brach liegt, bringt nicht nur in puncto Sanierungsmaßnahmen Überraschungen mit. Ohne Unterstützung der Gemeinde Kreuth sehe der Immobilienunternehmer Kopp kein “wirtschaftlich tragbares Konzept” und betont das “Primat der Wirtschaftlichkeit”.
Bisher gibt es diese dritte Partei nicht. Und das hat Gründe: “Die Entwicklung der Baupreise und Zinsen haben zu einer deutlich zurückhaltenden Finanzierungsbereitschaft der Banken geführt,” und weiter, “50 Prozent der Projektentwickler (werden) diese Phase nicht überleben,” schreibt Kopp.
Pflege- und Beziehungsarbeit
Das Individuelle und Einzigartige ist ein Hebel zwischen der Gemeinde Kreuth und dem Investor, der liebevoll von “Diskussionspunkten” schreibt, statt von “Hauptstreitpunkten mit der Gemeinde”. Ein Knackpunkt: das Thema Pflege. Zumindest, wenn aus der May-Klinik ein betreutes Wohnkonzept wird. Beim Konzept betreutes Wohnen fehlt der Gemeinde Kreuth der Überbau: Was, wenn Menschen zu Pflegefällen werden? Können sie bleiben? Oder müssen sie dann in ein Pflegeheim an einem anderen Ort wechseln? fragt sich Bierschneider.
Colley Kreuth Estates GmbH und GRK Gruppe
Die Cooley Kreuth Estates GmbH und somit der ca. 50.000 qm große Komplex mit Haupt- und Nebengebäuden wurde Ende 2020 von der Axtmann Holding und der GRK Gruppe zu gleichen Teilen übernommen. Die GRK Gruppe stellt seit Beginn den Geschäftsführer der Cooley Kreuth und betreut federführend die ehemalige Krankenanstalt Dr. May. Die GRK Gruppe hat ihren Sitz in Leipzig, kümmert sich um die Sanierung von Baudenkmälern, realisiert Neubauprojekte und entwickelt seit 2022 auch “Senioren-Immobilien”, die sie bundesweit vorantreiben will.
Beim betreuten Wohnen ist erstmal – von der Grundidee her – keine Pflege vorgesehen. Da geht es darum, ältere Menschen bei einem selbstbestimmten Leben zu unterstützen; also zum Beispiel um altersgerechtes Wohnen und Barrierefreiheit.
Doch Kopp hat auf den Pflege-Appell der Gemeinde schon reagiert und versichert, dass es in den aktuellen Gesprächen verstärkt darum gehe, einen Partner zu finden, der da was kann. Zum Beispiel einen Pflegestützpunkt anbiete, ambulante Tagespflege mitbringe oder sogar Intensivpflege. Doch die GRK spricht aktuell auch mit “Hotelbewerbern, die uns gegenüber Interesse an dem Standort geäußert haben. Dort kristallisiert sich heraus, dass im 3-Sterne-Segment durchaus noch Potenzial im Tal gesehen wird.” Das ist jetzt fürs Tegernseer Tal keine Überraschung, mag das zarte Band zwischen Gemeinde und Unternehmer nicht unbedingt stärken.
Über die Krankenanstalt Kreuth Dr. Heinz May
Etwa 110 Betten bot die Klinik noch 2003, präzise die “Krankenanstalt Kreuth Dr. Heinz May” an, davon waren 80 im Krankenhausbedarfsplan des Freistaates Bayern. Sie war damit eine wichtige Säule der medizinischen Grundversorgung im Landkreis Miesbach. Und der größte Arbeitgeber in Kreuth, – mit um die 80 Beschäftigten. Um die 700 Patienten sollen hier pro Jahr behandelt worden sein, so steht es noch im Qualitätsbericht aus dem Jahr 2005.
Seit Schließung des Kreiskrankenhauses Tegernsee im Jahr 1998 wurde die Krankenanstalt Kreuth zunehmend als internistisches Nachsorgekrankenhaus für Patientinnen und Patienten des Krankenhauses Agatharied genutzt. Versorgt wurden hier vor Menschen mit Nierenerkrankungen, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronische Lungenerkrankungen, aber auch kniffelige Autoimmunerkrankung wie etwa Morbus Basedow.
Die Dialyseabteilung des KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation, die Mitte der 70er Jahre dazukam, war in einem Anbau untergebracht. Sie versorgte nach Schließung der Klinik 2008 noch vier Jahre lang Nierenkranke, unter anderem mit dem Angebot einer “Feriendialyse”. Neugierig, wie die May-Klinik früher aussah, hier gibt es sie auf alten Postkarten zu sehen.
Drei-Sterne-Pflege?
Die Gemeinde möchte vor allem die gemeinen Talbewohnerinnen und Talbewohner erreichen und nicht eine “Zweit-Wohnungsanlage”, in der “Senioren aus der ganzen Bundesrepublik” nach Kreuth gelockt werden. So spricht der Rathaus-Chef und buchstabiert nochmal: “Für den Gemeinderat steht ganz klar die Versorgung der örtlichen Bevölkerung im Vordergrund und nicht die Versorgung von Nicht-Talbewohnern.”
Eine gewerbliche Nutzung, z. B. „als Klinik oder als Hotel“ stellt sich die Gemeinde vor. Deswegen hofft Bierschneider auf eine Einigung mit dem Eigentümer, die der Gemeinderat mittragen kann. Dann könnte man über einen “vorhabenbezogenen Bebauungsplan ein entsprechendes Baurecht festsetzen”, erklärt Bierschneider.
Und das Baurecht gibt es nur im Konsens mit der Gemeinde. Wer die Gemeinde übergeht, wird aus der Ruine kein Zauberschloss hexen. Sonst wäre da schon was in den letzten Jahren passiert, oder um es mit Kopp zu schreiben: “Die Cooley Group, die das Klinikgelände 2006 gekauft hatte und in den ersten Jahren an die Krankenanstalt verpachtete, bis diese 2008 Insolvenz anmeldete, hatte bis zum Verkauf an uns vergeblich versucht, Baurecht zu erlangen.”
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