Mehr als nur Türsteher

Die Erfahrungen haben gezeigt: Ohne Sicherheitspersonal geht es in großen Flüchtlingsunterkünften nicht. Drei Security-Leute sollen in der neu entstehenden Traglufthalle in Rottach-Egern für ein harmonisches Miteinander unter den erwarteten 120 Bewohnern sorgen. Recherchen der TS zeigen: Die Security-Kräfte müssen weit mehr können als eine Tür sichern – ein Bericht aus den umliegenden Landkreisen.

Vier Security-Kräfte sind derzeit an der Tegernseer Dreifachturnhalle rund um die Uhr im Einsatz.
Vier Security-Kräfte sind derzeit an der Tegernseer Dreifachturnhalle rund um die Uhr im Einsatz.

Sie stammen aus Syrien und Afghanistan, andere haben den weiten Weg aus einem afrikanischen Land hinter sich. Auch einige Menschen aus den Balkanstaaten sind in den Flüchtlingsunterkünften im Landkreis untergebracht. Sie alle eint die Hoffnung auf ein besseres Leben in Deutschland – ohne Krieg und ohne Sorgen. Doch wo Menschen auf engstem Raum miteinander leben, muss auch das Zusammenleben geregelt sein. Wenn sie außerdem noch unterschiedlicher Nationalitäten, Kulturen und Glaubenszugehörigkeiten sind, sorgt das schnell für Zündstoff.

Der Landkreis Miesbach hat reagiert und wie viele andere Kommunen Sicherheitsmaßnahmen in die Wege geleitet. „Es ist die klare Meinung der Landkreisverwaltung und ebenso von allen 17 Bürgermeistern der Städte, Märkte und Gemeinden, dass die größeren Unterkünfte im Landkreis Miesbach durch permanente Security geschützt werden müssen“, sagt Landratssprecher Birger Nemitz.

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Beispiel Marktgemeinde Holzkirchen: Hier sollen mit der Fertigstellung der Traglufthalle im März 2016 bis zu 320 Asylsuchende untergebracht werden. Vier Security-Leute pro Schicht sollen dann für stabile Verhältnisse sorgen.

Tegernsee hat vier Sicherheitskräfte pro Schicht

Zum Vergleich: In der Turnhalle in Tegernsee, die zeitweise über 160 Flüchtlinge beherbergte, sind ebenfalls vier Sicherheitsleute – zwei Männer und zwei Frauen – tagsüber, weitere vier nachts, eingeteilt. Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung ist gewährleistet. Diese scheint auch dringend nötig. Immer wieder kam es in der Vergangenheit zu eskalierenden Situationen in und vor der Turnhalle. Von Alkoholeskapaden, einem Beziehungsstreit und psychischen Problemen eines Bewohners war bereits die Rede. Mehrfach musste die Polizei zur Verstärkung herangezogen werden.

An der Anzahl der Securitykräfte in Holzkirchen ändert dieser Hintergrund aber nichts: „Die Zahl von vier Sicherheitsmitarbeitern an und in der geplanten Traglufthalle in Holzkirchen ist ausreichend, da sie vor allem im Vorfeld proaktiv deeskalierend arbeiten sollen“, sagt Birger Nemitz.

Er weist darauf hin, dass das Sicherheitspersonal nicht alleine vor Ort agiere, sondern die Männer und Frauen in ein ganzes Team von Mitarbeitern und Helferkreisen eingebunden seien. „Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales muss per Gesetz pro 150 Asylbewerbern einen Sozialarbeiter stellen. Außerdem hat der Landkreis Miesbach eine eigene Sozialarbeiterin, die Fachfrau für Krisenintervention ist“, erklärt der Landratssprecher.

Miesbach: Anzahl der Sicherheitskräfte schwankt

Für die geplante Traglufthalle in Rottach-Egern gilt Ähnliches: Dort sollen nach Auskunft des Landratsamts drei Sicherheitsmitarbeiter für rund 120 Asylsuchende im Rund-um-die-Uhr-Betrieb eingesetzt werden. Wie in Holzkirchen und Tegernsee stehen auch hier Helferkreise zur Unterstützung sozialer Angelegenheiten zur Verfügung.

So soll die Traglufthalle in Rottach künftig aussehen - Fotomontage / Quelle: "Rottach-Egern hilft"
So soll die geplante Traglufthalle in Rottach aussehen – Fotomontage / Quelle: “Rottach-Egern hilft”

Sechs Security-Mitarbeiter verrichten dagegen in der Notaufnahmeeinrichtung in Miesbach ihren Dienst rund um die Uhr – ausgehend von durchschnittlich 300 Asylsuchenden. „Da diese Zahl aber Schwankungen unterliegt, verändert sich dementsprechend auch die Anzahl der Sicherheitskräfte“, weiß Securitychef Fritz Schäffler.

Der Inhaber von Oberland Security stellt das Personal in der Berufsschulturnhalle. Die Erfahrungen seiner Mitarbeiter mit den Asylsuchenden sind bis auf wenige Ausnahmen durchweg positiv. Zufall? „Nicht unbedingt“, sagt Schäffler. Er führt dies unter anderem auf die Arbeitseinstellung seiner Leute zurück:

Durch ein freundliches und respektvolles Auftreten entstehen ganz einfach weniger Probleme.

Es habe sich bislang ausbezahlt, miteinander zu reden und frühzeitig, nämlich bei drohenden Eskalationen, einzuschreiten und zu schlichten. „Durch ehrliches Interesse an seinem Gegenüber lässt sich Vertrauen bilden, aber auch der nötige Respekt schaffen, der für unsere Arbeit unabdingbar ist“, so Schäffler weiter.

Fingerspitzengefühl und Empathie sind gefragt

Dass der Dienst eines Security-Mitarbeiters in einer Flüchtlingsunterkunft ein anderes Auftreten erforderlich macht, als es beispielsweise in einer Diskothek der Fall ist, bestätigt auch der Landratssprecher. Hier komme es auf Fingerspitzengefühl und Empathie an, aber auch darauf, in den richtigen Momenten Autorität zu zeigen. „Die Erfahrungen der Security-Leute mit den Asylsuchenden sind insgesamt sehr gut. Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes sind mitfühlend. Viele Asylsuchende kennen sie innerhalb kürzester Zeit mit Namen, besonders die Kinder.“

Die in der Öffentlichkeit verwendete Berufsbezeichnung „Security“ im Zusammenhang mit dem Schutz von Flüchtlingsunterkünften findet Security-Chef Schäffler dabei irreführend. „Ein Großteil unserer Aufgaben liegt in organisatorischen Aufgaben.“ Das umfasse die Einhaltung der Hausregeln wie Putzdienst, Einhaltung des Rauch- und Alkoholverbots in der Halle und Ordnung bei der Essensausgabe, aber auch die Registrierung von Neuankömmlingen, Hilfe bei der Arztsuche im Krankheitsfall oder den Umgang mit Behörden. Als eher typische Aufgaben von „Securitykräften“ komme noch die Eingangskontrolle und die Überprüfung des Berechtigungsscheines hinzu, sowie der Schutz gegen Bedrohungen von außen.

Bezeichnung “Security” ist irreführend

Und weil das Aufgabengebiet eben so breit gefächert ist, bewertet auch Thomas Biegl, Leiter des Sozialamts Bad Tölz, die Berufsbezeichnung Security als nicht ganz glücklich. „Das ist ein Begriff, den man etwas vorschnell mit den so genannten schwarzen Sheriffs aus den U-Bahnen in Verbindung bringt“, glaubt er. Diese Zuordnung sei zu einseitig, schließlich leisteten die „Security-Leute“ im Landkreis Bad Tölz ebenfalls vielfach betreuende Dienste.

In seinem Landkreis sind die Sicherheitskräfte an folgenden Standorten eingesetzt: im ehemaligen Hotel Jodquellenhof in Tölz (zuständig für rund 120 Personen), in Lenggries (66 Personen), in Icking (80 Personen) sowie in der Notunterkunft am Gymnasium in Bad Tölz (150 Personen). Wie viele Sicherheitsleute jeweils eingesetzt sind, möchte der Kreissozialamtsleiter nicht mitteilen. „Das ist Teil unseres Sicherheitskonzept“, bittet er um Verständnis.

Ein Konzept, das gegenwärtig aber überarbeitet wird. „Ziel für 2016 ist es, weiterhin den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten und dabei gleichzeitig kostengünstig zu arbeiten.“ Zum Hintergrund: Die Prognosen für kommendes Jahr kündigen weitere Rekordzahlen an Flüchtlingen in Deutschland an. „Wir suchen nach einer Lösung, wie wir für das gleiche Geld die gleiche Betreuung aufrecht erhalten können“, sagt Biegl. Aus diesem Grund ziehen die Verantwortlichen mehrere Möglichkeiten in Erwägung, beispielsweise die Aufteilung von privaten Sicherheitsdiensten in Kombination mit anderen Betreuungsdiensten. Auch denkbar: „Eine Objekt ohne Betreuung, nur mit einer Art Kümmerer“, so Biegl weiter.

Landkreis Rosenheim: Der Spitzenreiter

Die höchste Zahl an Security-Kräften in Flüchtlingsunterkünften beschäftigt übrigens der Landkreis Rosenheim. In seinen Unterkünften, die sich in den Gemeinden Bad Aibling, Prien, Raubling und Wasserburg befinden sowie ab Mitte Dezember in Bruckmühl, kümmern sich sechs Security-Kräfte pro Schicht um den Schutz der Flüchtlinge. “In jeder Halle ist rund um die Uhr, sieben Tage die Woche Security vor Ort”, sagt Landratsamts-Pressesprecher Michael Fischer. Und weiter: “Dies ist eine Größenordnung, die nach unseren Erfahrungen ausreichend ist.”

Kaum Security-Kräfte kommen dagegen in der Stadt Rosenheim vor. In den aktuell vier größeren Lagern der Stadt, die zwischen 40 und 60 Personen fassen, ist es nicht erforderlich, Sicherheitspersonal einzusetzen. Sollte es mal eng werden, ist folgender Plan vorgesehen:

Eine größere Dreifachturnhalle dient bei Bedarf als Notunterkunft für bis zu 400 Personen. Wenn diese Halle belegt werden muss, steht für das Objekt ein Wachdienst mit vier bis sechs Personen zur Verfügung.

So erklärt es Christian Meixner, Amtsleiter Sozial-, Wohnungs-, Versicherungs- und Grundsicherungsamt der Stadt Rosenheim. Fazit: Das Ergebnis der HS-Stichprobe zeigt, dass die meisten Kommunen und Landkreise bei größeren Flüchtlingsunterkünften auf Sicherheitspersonal zurückgreifen. Bei vom Freistaat betriebenen Gemeinschaftsunterkünften handelt es sich zudem um eine gesetzliche Vorgabe. Anders sieht es bei den Unterkünften aus, die die Gemeinde eingerichtet hat. Sie kann selbst darüber entscheiden, ob und wie viele Sicherheitskräfte eingesetzt werden.

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