Vor fast genau 60 Jahren, am 7. September 1956, gründeten die fünf Talgemeinden den Zweckverband zur Abwasserbeseitigung. Das damalige Ziel: die Abwässer zu bändigen und den damals immer stärker verschmutzten Tegernsee zu retten. Zuerst entstand eine über 22 Kilometer lange Ringkanalisation. Neun Jahre später ging dann die 42 Millionen D-Mark teure Kläranlage in Louisenthal in Betrieb.
Rund vier Millionen Kubikmeter Wasser gehen mittlerweile jährlich durch die Kläranlage. Die Abwässer von über 25.000 Einwohnern und 280.000 Gästen aus dem Tegernseer Tal laufen hier zusammen. 1,10 Euro zahlt der Hausbesitzer jährlich pro eingeleitetem Kubikmeter Frischwasser. Zuzüglich einer Grundgebühr von derzeit 0,35 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche. Die Gebühren werden alle drei Jahre neu kalkuliert und finanzieren die 15 Mitarbeiter in der Kläranlage sowie das 190 Kilometer lange Schmutzwasserkanalnetz mit über 20 Pump-, Hebe und Dükerbauwerken.
50 Prozent vom Strombedarf durch Gase
Weil die beiden bestehenden Faultürme, die ein gesamtes Volumen von ungefähr 1.600 Kubikmeter haben, seit jeher bis an ihre Kapazitätsgrenzen ausgelastet waren, entschloss man sich im Zweckverband im März 2014 zum Neubau eines dritten Behälters. Im April dieses Jahres begannen die Bauarbeiten des neuen Turmes. Die geschätzte Investitionssumme: 1,6 Millionen Euro. Im Frühjahr des nächsten Jahres soll der neue Faulturm in Betrieb genommen werden.
Doch was sich wie ein Gebäude im Verwesungszustand anhört, ist eine 18,60 Meter hohe Anlage, die durch sogenanntes Faulgas Strom erzeugt. Pro Jahr werden hier derzeit ungefähr 1,1 Millionen Kilowattstunden Strom produziert. Mit dem dritten Faulturm rechnet man mit einer Stromerzeugung von jährlichen 70.000 Kilowattstunden mehr. Mehr Strom wäre zwar möglich, aber bedingt durch die gleich bleibende Klärschlamm-Menge müsse man die Stromerzeugung der drei Türme als Einheit betrachten, erklärt Richard Kölbl vom Abwasser-Zweckverband.
Der dritte Turm gewährleiste die Möglichkeit, den Klärschlamm länger liegen lassen zu können. Und im Falle eines Betriebsausfalls hätte man die Sicherheit, weiterhin Strom produzieren zu können. Der Gesamtjahresbedarf der Kläranlage liegt bei etwa 2,2 Millionen Kilowattstunden. Nach Fertigstellung des dritten Turmes deckt die Kläranlage somit knapp 50 Prozent des Gesamtjahresbedarfs an Strom, der durch Faulgas selbst erzeugt wird.
Vor allem wirtschaftliche Vorteile
Ein Entscheidungskriterium für den Neubau war die Möglichkeit, den Klärschlamm für einen längeren Zeitraum lagern zu können. Durch die erhöhte Gasbildung kann gleichzeitig das 2013 installierte Blockheizkraftwerk betrieben werden, das wiederum die Aggregate antreibt, die über eine Zentrifuge den Klärschlamm entwässern. Außerdem nutze man die erhöhte Stromerzeugung zur Erwärmung der Faultürme. Der Schlamm brauche eine Temperatur von 37 Grad für den Ausfaulungsprozess, erklärt Richard Kölbl. Wird der Strom selbst erzeugt, müsse weniger Heizöl zugekauft werden, so Kölbl.
Ein weiteres Kriterium für den Neubau war die Tatsache, dass es im Falle eines Ausfalls von einem der beiden anderen Türme zu erheblichen Betriebsstörungen kommen kann. Allein die notwendigen Wartungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen führen zu erheblichen Mehrkosten, so Kölbl weiter. Im letzten Jahr habe man eine Reparatur durchführen müssen. Während dieser Zeit habe man deutlich mehr Leistung einkaufen müssen.
Im Herbst „Tag der offenen Tür“
Mit einem Außendurchmesser von 12,50 Meter und einer Gesamtbauhöhe von 18,60 Meter hat der neue Turm ein Volumen von zusätzlich 1.200 Kubikmetern. Da sich die Form der alten Türme bewährt hat, sieht auch die neue Bauweise einen Betonzylinder mit trichterförmiger Sohle vor.
Wer sich für den Faulturm interessiert, hat im Herbst diesen Jahres wahrscheinlich Gelegenheit dazu, das Bauwerk einmal näher zu betrachten. Dann nämlich sei ein „Tag der offenen Tür“ geplant, so Kölbl. Den genauen Termin werde man noch bekanntgeben.
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