“Meine Mutter erkennt mich mit Maske nicht”

Plötzlich alles online… Die Corona-Pandemie sorgte für eine Umstellung in unserem Alltag. Die ältere Generation stellt das vor eine besonders schwierige Herausforderung. Die Rottacher Seniorenbeauftragte Marille Tipolt erzählt von ihren Erfahrungen im Tegernseer Tal – sowohl im positiven als auch negativen.

Normalerweise organisiert Marille Tipolt zu dieser Jahreszeit Advents-Nachmittage für die Senioren im Tegernseer Tal. / Quelle: Marille Tipolt

Nach 12 Jahren im Ehrenamt als Seniorenbeauftragte in Rottach-Egern und als Vertreterin der „LichtBlick-Seniorenhilfe München“ ist Marille Tipolt nahe am Geschehen. Sie und ihre Kollegen aus den anderen Tal-Gemeinden kümmern sich tagtäglich um andere Menschen. Menschen, die Hilfe brauchen, finanzielle oder emotionale Probleme haben.

„Heute gab es für mich wieder eine Situation – da frage ich mich, wie sollen das alte, kranke oder alleinstehende Senioren in unserer Online-Bürokratie in Corona-Zeiten meistern…“, beschreibt sie ihre aktuellen Sorgen. Ein Mann musste ins Krankenhaus. Seine pflegebedürftige Ehefrau hätte während dieser Zeit in einem Heim untergebracht werden müssen, doch genau die nehmen seit Corona keine Senioren auf. „Keine Kinder, dann Heimvertrag abschließen, das Finanzielle regeln, um Vollmacht kümmern“, zählt Tipolt auf, „da bin auch ich mit Routine gefordert!“.

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Telefonschleifen gegen Vereinsamung

Tipolt erzählt von ihren Beobachtungen während der Corona-Pandemie: Die Senioren arrangieren sich, seien vorsichtig und verantwortungsbewusst – auch den anderen Menschen gegenüber. Von den über 80-Jährigen höre man oft: ‘Da haben wir schon schlimmere Zeiten durchgemacht, das packen wir schon’. „Damit ist aber lediglich die körperliche und wirtschaftliche Situation beschrieben“, meint Tipolt.

Was den Senioren in erster Linie fehlt, sind soziale Kontakte. Ob Seniorenstammtische, Gymnastikangebote oder die Angebote des CARITAS MGH wie Brunch, Karteln oder kleine Ausflüge. „Nichts Großes, nur eben gemeinsam das Zusammensein macht es aus“, weiß Tipolt. Weiter erzählt sie:

Wir haben viele Single-Senioren, die vereinsamen und stimmungsmäßig im Keller sind. Durch Telefonschleifen versuchen wir die Senioren untereinander zu vernetzen. Versuche, die ein Zusammensein aber nicht ersetzen können.

Besonders belastend könnte es werden, wenn zwingend auch an den Festtagen auf den Besuch von Enkeln oder Kindern verzichtet werden muss, befürchtet die Seniorenbeauftragte. Die neuen Medien wie ZOOM, Skype und andere Programme sind noch nicht so verbreitet, gerade Senioren müssen im Umgang damit geschult werden.

‘Meine Mutter erkennt mich mit Maske nicht’

Deutlich wirken sich die Beschränkungen natürlich in den Seniorenheimen aus, bemerkt Tipolt. Jeder verstehe, dass es dort besondere Schutzmaßnahmen geben muss. Doch es gebe Fälle, in denen Töchter erzählen: “Für einen Besuch bei meiner Mutter brauche ich mich nicht mehr anmelden, meine Mutter kommt mit der Plexiglas-Scheibe zwischen uns nicht zurecht, kennt mich nicht und schickt mich nach Hause.”

Oder die Heimbewohner weisen ihre Angehörigen mit Maske ab, werden durch den Mundschutz ängstlich und weinerlich, berichtet die Seniorenbeauftragte weiter. Zwar finden in den staatlichen Einrichtungen interne Weihnachtsfeiern statt, diese können Familienbesuche allerdings in keiner Weise ersetzen, weiß Tipolt.

Ein großes Plus im Tegernseer Tal

Die Seniorenbeauftragten im Tegernseer Tal haben für die älteren Mitmenschen trotz Corona-Pandemie wieder eine Weihnachtsaktion organisiert, und verteilen Weihnachtspackerl mit einer Karte. Da die Kontaktbeschränkungen natürlich auch für die Seniorenbeauftragten vorrangig sind, werden diese Geschenke kontaktlos vor die Tür gelegt. „An ein persönliches ‘Wie geht’s Ihnen’ ist nicht zu denken“, fügt Tipolt traurig hinzu.

Doch es gibt auch positive Aspekte. Jedes Jahr organisieren und spenden Vereine für alleinstehende und alleinlebende Senioren die Weihnachtspackerl. „Das sind Aktionen, die zeigen, dass die ältere Generation voll eingebunden in das kommunale Leben ist“, meint die Seniorenbeauftragte. „Und was ich für unsere Tal-Gemeinden sagen kann: ‘Unseren Senioren geht es vergleichsweise gut’“.

Denn die Seniorenbeauftragte hat einen schönen Vorteil bemerkt, der sich gerade im Tegernseer Tal ergibt: „In allen Bereichen der Seniorenarbeit kann ich sagen, wir sind bestens aufgestellt, haben die volle Unterstützung der Gemeinden und unsere älteren Bürger leben auch – ein großes Plus – nicht mit der Anonymität einer Großstadt!“.

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