Große Villen, Sternerestaurants, Promis und jede Menge Luxus – der Tegernsee wird nicht umsonst Lago di Bonzo genannt. Dem Großteil der hier Lebenden geht es vergleichsweise sehr gut. Doch auch hier im Tal gibt es Menschen, die ab und zu Hilfe brauchen. Die finanzielle und emotionale Probleme haben. Und gerade zur Weihnachtszeit sollten wir nicht immer nur an die tollsten Geschenke und das beste Menü für die Feiertage denken. Wir als TS sprechen deshalb mit Menschen, die sich tagtäglich um andere kümmern. Die ehrenamtlich helfen. Und deren Hilfe auch wirklich ankommt.
Heute im Gespräch die Seniorenbeauftragte von Rottach-Egern Marille Tipolt. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen aus den anderen Gemeinden kümmert sie sich um bedürftige Senioren im Tegernseer Tal.
Wie sieht der Alltag eines Seniorenbeauftragten im Tegernseer Tal aus?
Marille Tipolt: Unsere Art, sich um die Senioren zu kümmern, ist situationsbedingt. Wir sind alle ehrenamtlich für unsere Gemeinden tätig und treten in Aktion, wenn uns von besorgten Nachbarn, von den Sozialstellen der Gemeinden oder auch von Ärzten und Pflegediensten Personen genannt werden. Und dann ist es ein vorsichtiges Herantasten an die Bedürftigen, vorsichtig und diskret. Wir besuchen die Senioren und oft hört man dann sowas wie „Bleiben Sie noch ein bisschen, ich habe seit Tagen mit keinem Menschen gesprochen“ – das gibt einem schon zu denken.
Der persönliche Kontakt steht deshalb bei allem im Vordergrund und dann natürlich auch die Rückmeldung an unsere Gemeinden, denn oft geht es um Wohnraumprobleme, um die Beantragung von Wohngeld oder von sonstigen staatlichen Geldern. Dabei möchte ich betonen, dass die Bürgermeister und Gemeinderäte im Tegernseer Tal unsere Tätigkeit für die Senioren immer und großzügig unterstützen. Sie haben stets ein offenes Ohr, wofür wir herzlich danken.
Um wie viele bedürftige Senioren kümmern sich die fünf Seniorenbeauftragten im Tegernseer Tal?
Marille Tipolt: Eine Zahl der bedürftigen Senioren im Tal zu nennen, fällt schwer, es gibt eine Dunkelziffer – Senioren, die sich aus Scham nicht melden. Trotzdem schätze ich, jede Gemeinde hat um die 50 bedürftige Senioren. Die Betonung bedürftig oder unterstützungswürdig ist uns wichtig, denn „so richtig arme“ Senioren haben wir im Tal nicht.
Also geht es den Senioren hier im Tegernseer Tal vergleichsweise ‚gut‘?
Marille Tipolt: Da besonders ich sehr eng mit der „Lichtblick-Seniorenhilfe“ in München zusammenarbeite, kann ich sagen unseren Talsenioren geht es im Vergleich zu den Senioren in München gut, ja. Dort kommt zu der größeren Armut der Stadt auch noch die Anonymität der Stadt. Flaschensammler und Menschen, die in Abfalleimern wühlen, sind in München leider üblich.
Mit welcher Art Armut haben Senioren hier am Tegernsee dann zu kämpfen?
Marille Tipolt: Mittlerweile haben wir im Tal eine andere Art der „Bedürftigkeit und Armut“. Nicht mehr der leere Kühlschrank ist Armut, Armut ist das Alleinsein, die Einsamkeit, die Isolation – und dieser Armut entgegenzuwirken, ist unsere neue Herausforderung. Aber wir haben z.B. die Diakonie, die CARITAS mit dem MGH, die genug Angebote haben und die Senioren auffangen können, bevor zum Alleinsein der Senioren eine Depression oder ein vollkommenes Verkriechen kommt. Es wird gemeinsames Kochen angeboten, verschiedene Kurse, Nähen und Stricken und sogar Fremdsprachen.
Wie sieht es mit Weihnachten aus? Was machen Senioren, die an den Feiertagen alleine sind?
Marille Tipolt: Ein tolles Angebot bietet die CARITAS jedes Jahr am 24.12.2018 für Einsame und Alleinlebende: eine Feier mit festlichem Mittagessen. Mit Musik und mit einem Fahrdienst – das ist super!
Was kann man als Privatperson tun, um bedürftige Senioren zu unterstützen? Könnte ich beispielsweise einen Senioren an Weihnachten auch zu mir nach Hause einladen?
Marille Tipolt: Wer als Privatperson gezielt einem Senioren helfen will, kann sich gerne an uns wenden. Hier in Rottach-Egern und Tegernsee habe ich seit Jahren Personen, die gezielt solche Menschen unterstützen und zum Teil auch über mich guten Kontakt zu den Bedürftigen pflegen. Einzelne Senioren privat einzuladen, ist ein sehr sensibles Thema. Aber wir haben von den Konfessionen, von den Gemeinden, von den Vereinen genug Veranstaltungen, die man besuchen kann und natürlich haben unsere Seniorenheime von Advents- über Weihnachtsfeiern bis zum Bleigießen ein reichliches Angebot.
Gibt es eine Geschichte oder ein Schicksal eines Senioren aus dem Tegernseer Tal, das sie in den vergangenen Jahren besonders berührt hat?
Marille Tipolt: Von Schicksalen unserer Senioren zu berichten ist schwer. Für den einen ist ein großes Problem z.B. den Enkeln kein Geschenk zu Weihnachten machen zu können. Ein anderer Senior sagt zu mir, dass er lieber fünf Tage hintereinander Kartoffelsuppe isst nur um der Katze, die ja im Winter keine Mäuse fangen kann, Futter zu kaufen. Andere müssen abwägen, gibt es diesen Monat eine Fußpflege oder einen Friseurbesuch. Kritisch wird es, ,wenn die Mietkosten-Nachzahlungen kommen und den ganzen Etat durcheinander bringen.
Sehr nachdenklich machte mich eine Witwe, die aus Geldmangel das Grab nicht schmücken konnte – aber das sind Probleme, die wir gerne lösen und uns bewusst machen, wie gut es uns geht.
Was wünschen Sie sich für das kommende Jahr im Hinblick auf Ihre Arbeit als Seniorenbeauftragte in Rottach-Egern, aber auch für das gesamte Tal?
Marille Tipolt: Für das kommende Jahr wünschen wir Seniorenbeauftragten uns weiter die tolle Zusammenarbeit mit unseren Gemeinden und der Bevölkerung, die uns eben „Notfälle“ bekanntgeben und wir wünschen uns Menschen, die sagen „organisiert mal was für die Senioren, holt sie raus aus der Einsamkeit des Alters“ – einen Ausflug, einen Gymnastikkurs, einen Kaffeenachmittag und so weiter, wir übernehmen die Kosten. Aktionen eben, um die Senioren aus ihrer Einsamkeit zu locken. Dann werden wir fünf Damen für unsere Senioren talübergreifend gerne aktiv – und dann heißt es bei uns „Klar, das packen wir an“.
Liebe Frau Tipolt, ich bedanke mich für das tolle Gespräch.
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