Vor einem Jahr hatten die Wiesseer Gemeinderäte ihre Gemeindeordnung angepasst: jegliche Art von Live-Berichterstattung wurde verboten. Auslöser war damals eine Anfrage nach Übertragungen von Gemeinderatssitzungen, die auch im Nachhinein für jeden Bürger als Video im Internet abrufbar sein könnten.
Doch nach einem Jahr hat sich die Meinung teilweise gedreht: So will die Wiesseer SPD nun einen erneuten Antrag dazu einzubringen.
In einer heute veröffentlichten Stellungnahme erklären die SPD-Verantwortlichen auch warum:
Sie SPD Bad Wiessee ist immer um eine größtmögliche Transparenz bemüht. Im Besonderen auf Hinblick solch zukünftig großer Veränderungen, wie wir sie in Bad Wiessee erleben werden.
Aus diesem Grund unterstützt der SPD Ortsverband eine Live-Berichterstattung der öffentlichen Gemeinderatssitzungen. Damit wollen wir interessierten Bürgern eine weitere Möglichkeit geben, die Entstehung politischer Entscheidungen verfolgen und nachzuvollziehen zu können.
Weiter ist in der Mitteilung zu lesen, dass die SPD Gemeinderäte geschlossen diese neue Form transparenter Politik unterstützen. Wichtig ist ihnen allerdings, dass die Übertragungen auch im Nachgang zu den Sitzungen lückenlos und für jedermann abrufbar sind. So will man vermeiden, dass einzelne Redebeiträge aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt werden können.
Wir haben dazu heute mit dem Ortsvorsitzenden der Wiesseer SPD, Robert Kühn gesprochen.
Tegernseer Stimme: Herr Kühn, vor knapp einem Jahr war auch die Wiesseer SPD noch gegen eine Live Berichterstattung. Warum hat sich ihre Meinung geändert?
Robert Kühn: Das Internet war für einige noch ungewohntes Terrain. Die große Sorge war damals, dass durch Videoaufnahmen Zitate und Ausschnitte aus dem Kontext gerissen werden oder sich Gemeinderäte vor laufender Kamera nicht mehr trauen offen zu reden. Wir haben intern nochmal in Ruhe darüber geredet und die Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen. Das Bewusstsein hat sich geändert.
Tegernseer Stimme. Heute sehen Sie das also anders?
Robert Kühn: Im richtigen Rahmen, also mit lückenlosen Übertragungen, die auch im Nachhinein für jeden jederzeit abrufbar und nachvollziehbar sind, schätzen wir heute die Chancen der dadurch entstehenden Transparenz deutlich größer ein als die Risiken. Natürlich muss die Übertragung datenschutzrechtlich einwandfrei sein und durch die Gemeinde oder eine unabhängige Stelle erfolgen.
Tegernseer Stimme: Wird die Wiesseer SPD das Thema aktiv verfolgen?
Robert Kühn: Ja, wir wollen das Thema Live-Berichterstattung erneut als Antrag in den Gemeinderat einbringen. Vor Weihnachten wird das aber wahrscheinlich nichts mehr. Es stehen zum Jahresende noch genügend andere Themen an.
Tegernseer Stimme: Sehen sie Chancen, dass dann anders entschieden wird, als vor einem Jahr?
Robert Kühn: Es wäre zumindest zu begrüßen. Ich denke, das ist eine Art Generationenkonflikt, in dem auch viele Ängste vorhanden waren. Nicht nur bei uns in der SPD. Inzwischen sehen wir wie gesagt vor allem die Chancen. Zum Beispiel die aktuellen Diskussionen zum Brenner Park. Hier wäre es gut gewesen, wenn man sich die Sitzungen dazu nochmal anschauen könnte. Das würde den Bürgern helfen über das Thema sachlicher und auf Fakten basierend zu diskutieren.
Tegernseer Stimme: Wie sehen Sie die zukünftigen Möglichkeiten digitaler Beteiligung in der lokalen Politik ganz allgemein?
Robert Kühn: Digitale Beteiligung wird kommen und wir brauchen das auch. Darin stecken noch viele Möglichkeiten. Ich habe selbst beispielsweise nur wenig Zeit die Sitzungen persönlich zu besuchen. Ich würde sie mir aber gerne Zuhause anschauen oder mich anderweitig an der lokalen Politik beteiligen, wenn ich die Zeit dazu finde. Und so geht es bestimmt noch viel mehr Menschen.
Tegernseer Stimme: Herr Kühn, vielen Dank für das Gespräch.
Auch in Kreuth ändert sich die Sichtweise
Mit der oben geschilderten Einschätzung steht die Wiesseer SPD übrigens nicht alleine da. Ganz ähnliche Töne sind auch aus dem Kreuth zu hören. Markus Wrba, Gemeinderat für die Freien Wähler, erklärte seine geänderte Meinung der Tegernseer Stimme gegenüber heute so:
Mein erstes Bauchgefühl war negativ, mittlerweile befürworte ich eine solche Übertragung jedoch.
Transparenz ist ganz wichtig und so sehen die Leute wie Entscheidungsprozesse im Gemeinderat ablaufen. Zudem finde ich sollte jeder zu dem stehen, was er im Gemeinderat sagt.
Wenn die Menschen mitbekommen wie argumentiert wird, können sie auch ein größeres Verständnis über bestimmte Themen entwickeln. Da die Sitzungen sowieso öffentlich sind, sehe ich auch kein Problem darin, wenn die Bürger diese auch von zu Hause aus verfolgen können.
Wie und ob sich die Meinungen dazu im Rottacher Gemeinderat ebenfalls gewandelt haben, wird sich am kommenden Dienstag zeigen. Auf Antrag eines Rottacher Bürgers wird sich der Gemeinderat erneut mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Gegenüber der Tegernseer Zeitung zeigte sich Bürgermeister Franz Hafner überzeugt, die Meinung “seiner” Gemeinderäte richtig einschätzen zu können: “Die Entscheidung wird jetzt wohl nicht anders ausfallen.” Damit spielt Hafner auf die Ablehnung von vor einem Jahr an.
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