Als „Riesenerfolg“ bezeichnet Landrat Wolfgang Rzehak den mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) ausgehandelten Kompromiss im Ringen um die Vergrößerung des Wasserschutzgebiets Thalham-Reisach-Gotzing. Und der lautet: Ein Drittel der Fläche bleibt Gewerbegebiet.
Damit werde die Wasserschutzfläche deutlich reduziert, so Rzehak bei der gestrigen Präsentation. Die rund 30.000 Quadratmeter können nun als gewerbliche Fläche genutzt werden. Damit komme man der Gemeinde und den Gewerbetreibenden entgegen. Der Schutz des Wassers sei eine staatliche Aufgabe, so Rzehak zu Beginn der Pressekonferenz, zu der nach dreieinhalb Jahres des „Verfahrensstillstands“ geladen wurde.
Die Hintergründe
Drei wesentliche Wassergewinnungsanlagen betreiben die Stadtwerke München: Die Mühltaler Hangquellfassungen im Gemeindegebiet Valley, die Reisacher Grundwasserfassung auf dem Gebiet der Stadt Miesbach und die Gotzinger Hangquellfassung im Gebiet der Gemeinde Weyarn. Seit 19 Jahren strebt der Landkreis an, das Wasserschutzgebiet Thalham-Reisach-Gotzing zu erweitern, dessen dort gewonnenes Grund- und Quellwasser hauptsächlich die Landeshauptstadt versorgt, aber auch kleinere Gemeinden. Ein „Trinkwasserschutz“ könne langfristig aber nur gewährleistet werden, wenn man dieses Gebiet erweitert.
Durch zahlreiche Proteste von Landwirten, Anwohnern und Gewerbetreibenden wurde das Verfahren zunächst ausgesetzt. Vor allem die Bauern fürchteten, eine Vergrößerung des Wasserschutzgebietes – von bisher acht Quadratkilometern auf achtzehn – würde die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. Auswirkungen auf ihre Rechte sahen auch die Grundstückseigentümer. Die Gegner kamen zu dem Schluss, dass die Stadtwerke nicht das Recht hätten, im Mangfalltal die Trinkwassserversorgung zu betreiben. Die Altrechte seien ungültig, so behaupteten sie. Aus diesem Grund gäbe es auch keinen Rechtsanspruch auf ein Wasserschutzgebiet.
Seit dreieinhalb Jahren war das Landratsamt nun damit beschäftigt, die vorgebrachten Argumente zu prüfen. Sowohl die „Altrechte“ als auch mögliche Alternativen zur Wassergewinnung. Erst gestern wurden die Erkenntnisse der Öffentlichkeit präsentiert. Diese sind auch auf der Internet-Seite des Landratsamtes abrufbar. „Man wolle jetzt Transparenz schaffen“, so der Landrat. Und er fügte hinzu: „Ich ducke mich nicht weg. Ich setz‘ nichts aus.“ Damit spielte er auf den Vorwurf an, man hätte das Thema „verschleppen“ wollen.
Die Ergebnisse
Dr. Thomas Eichacker, Abteilungsleiter im Fachbereich Umwelt im Landratsamt, erklärten zu den Ergebnissen:
1. Die Altrechte bezüglich der Gotzinger Hangquellfassungen und der Reisacher Grundwasserfassung bestehen, sind aber weder unbeschränkt noch unwiderrufbar. Das heißt, eine Wasserentnahme ist zunächst einmal – so das Wassergesetz aus dem Jahr 1807 – in Ordnung.
Eine Wasserentnahme müsse aber nicht bewilligt werden, so Eichacker. Man könne jederzeit in die Altrechte eingreifen. Man dürfe nur nicht mehr Wasser ableiten, als die Anlagen von 1807 zulassen. Er betonte aber, dass ein Widerruf keinerlei Auswirkungen auf das laufende Wasserschutzgebietsverfahren hätte. Die Altrechte hält Eichacker für unanfechtbar.
2. Mögliche, bessere Alternativen zur Trinkwassergewinnung gibt es nicht. Hauptzweck der „altrechtlichen“ Wasserentnahme sei die Versorgung der Landeshauptstadt München, erklärte Eichacker. Sollte der Fall eintreten, dass die Versorgung fremder Gemeinden einen größeren Umfang einnehmen würde als die Versorgung Münchens, so sei eine Wasserentnahme zu diesem Zweck von den Altrechten nicht mehr umfasst.
Sie dienen lediglich dem Zweck einer öffentlichen, gemeinwohlorientierten Wasserversorgung. Auch eine mögliche Liberalisierung des Wassermarktes oder Privatisierung der Wasserversorgung werde von den Altrechten nicht umfasst.
Es gibt keine Alternativen zur Wassergewinnung
Alternativen zur bestehenden Wassergewinnung habe man zwar geprüft, so Eichacker, dabei sei aber festgestellt worden, dass es keine „besseren“ Möglichkeiten zur Wassergewinnung an anderer Stelle gibt. Zumindest keine, die eine vergleichsweise ähnliche Menge an Wasser liefere, Dritte weniger beeinträchtige, und deren Realisierung „wirtschaftlich zumutbar“ wäre. Auch die Schotterebene habe nicht ausreichend Wasser, um eine dauerhafte Trinkwasserversorgung Münchens sicherzustellen.
Ausgeschlossen wurde auch das südwestliche Voralpenland. Bei einer Entnahme aus Oberflächengewässern wie beispielsweise dem Starnberger See wäre aufgrund der schlechteren Wasserqualität eine weitaus aufwändigere Wasseraufbereitung nötig. Denkbar wäre zwar noch eine Wassergewinnung im Norden Münchens, so Eichacker weiter, aber dafür müsste das Wasser in den Süden gepumpt werden – ein Kostenaufwand in Höhe eines mindestens dreistelligen Millionenbetrages. Wohingegen man sich derzeit das natürliche Wassergefälle zu nutze mache.
Hilfe für Landwirte
Wie Eichacker weiter erklärte, würde man eine „Befreiung vom Verbot landwirtschaftlicher Betriebe“ ebenso festlegen und nach Möglichkeiten und Hilfen für die Landwirte suchen. Im Schutzgebiet selbst wären 27 landwirtschaftliche Betriebe von einer Erweiterung betroffen. Fünf weitere in einer relevanten Zone, in der deren Existenz auf dem Spiel steht, würde man „das Verbot so durchziehen,“ so Eichacker. Er wies darauf hin, dass jedwede Beschränkung durch das Wasserschutzgebiet vom Staat finanziell ausgeglichen werde.
Derzeit befinde man sich zwar in der Planung, aber noch sei kein Wasserschutzgebiet ausgewiesen. Sollte es zu einer Ausweisung kommen, so Eichacker, wird es „keinen Landwirt geben, der heute etwas bauen darf, was er morgen nicht bauen darf“.
Zwei Landwirte, die dort eine Fläche mit Beweidung haben, müssen diese allerdings aufgeben. „Das Beweidungsverbot kann nicht aufgehoben werden. Die Möglichkeit von Wasserverunreinigungen durch Fäkalien wäre zu groß und damit eine Gefahr für das Grundwasser. Deshalb sei das Landratsamt gegen eine generelle Freigabe des Beweidungsverbotes.
Frank Skodczinski, der Fachbereichsleiter für Wasser, Abfall und Bodenschutz, betonte noch einmal, dass es sich hier lediglich um einen „Zwischenbericht“ handele, den man hätte abliefern müssen. Die Ergebnisse selber würden keine Entscheidung bedeuten.
Es bedeutet nur, dass Zweifel ausgeräumt wurden, die bestanden haben.
Ein endgültiger Beschluss falle erst mit Erlass einer möglichen Verordnung. Zunächst würden die Ergebnisse aber erst die Gemeinden bekommen, bevor sie dann im Oktober öffentlich ausgelegt werden. Ist man dann vor Weihnachten mit der Sichtung aller Belange durch, könne man eventuell im April/Mai kommenden Jahres in den Erörterungstermin gehen. Frühestens im Sommer/Herbst oder Winter wäre es möglich, eine entsprechende Verordnung zu erlassen.
Abschließend erjklärte Rzehak: „Unser Wasser ist zu schützen. Trotz notwendiger Erweiterung des Wasserschutzgebietes haben wir es geschafft, für die Betroffenen Kompromisse zu finden. Jetzt haben wir eine Rechtssicherheit – und damit viel für die Betroffenen erreicht.“
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