Mutmaßliche Erbschleicher vor Gericht

Barbara Böck, „Betty“, wie man die 95-jährige Antiquitätenhändlerin in Kreuth und Rottach-Egern nannte, musste im März 2016 sterben. Ihre Pflegerin soll sie aus Habgier getötet haben. So lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Heute nun erschienen die vier Angeklagten vor Gericht.

Links am Rand: die angeklagte Pflegerin Renate W. mit ihrem Verteidiger. In der Mitte sitzend der Mitangeklagte bulgarische Hausmeister Zahiri Z. – links von ihm seine Dolmetscherin.

Auf der Bank der Angeklagten im Landgericht München ist es eng. Vier Angeschuldigte sitzen dort, die von Ermittlern ausgemacht wurden: Die Hauptbeschuldigte ist Renate W. aus Sauerlach. Sie leistete seit Sommer 2014 nicht nur Barbara Böck Gesellschaft, sie pflegte die alte Dame auch und erledigte deren tägliche Dinge. Unterstützt wurde die 53-jährige Bürokraft dabei von ihrem Mann Ulrich. Der selbstständige Zimmerer kam über seine Frau zu Barbara Böck nach Kreuth.

Des Weiteren ist aus Kreuth Zahari Georgiev Z. angeklagt. Der 58-jährige Bulgare kümmerte sich laut Anklage seit Sommer 2012 als Hausmeister um die Villa am Riedlerberg, in der er auch in einer Einliegerwohnung lebte. Ebenfalls aus Kreuth stammt der Vierte im Bunde: Der 68-jährige Peter Michael P. ist gelernter Konditor. Doch sein Geld verdiente er mit dem Handel von Antiquitäten. Deshalb sei P. auch seit vielen Jahren mit Böck bekannt gewesen, da beide ihre Ladengeschäfte in unmittelbarer Nähe in der Rottacher Seestraße hatten, in der Böck vor ihrem Umzug nach Kreuth jahrzehntelang lebte.

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Opfer kannte die Täter

P. wird vorgeworfen, Böcks Villa mit leergeräumt und die Antiquitäten im Wert von „mindestens 1,1 Millionen Euro“, darunter teure Juwelen und antike Statuen, veräußert zu haben. Allen Angeklagten vertraute das Opfer, es war alleinstehend und hatte keine Kinder. „Bettys“ Mann Ernst war vor vielen Jahren verstorben. Sein Bruder war der Pferdeliebhaber Thomas Böck, der das Pferdeschlittenrennen in Rottach-Egern vor über 50 Jahren ins Leben rief.

Barbara Böck war also keine Unbekannte hier. Umso schmerzlicher traf es ihre langjährigen Freunde, als sie vom ihrem Tod vor knapp zwei Jahren erfuhren, zumal die Ursache lange ungeklärt war und den Mord beinahe niemand erkannt hätte.
Die Tragödie begann im Sommer 2014. Von da an kümmerte sich die angeklagte Sauerlacherin W. als Gesellschafterin um Böck, die bereits seit November 2013 im Rupertihof in Rottach-Egern lebte, obwohl sie noch Eigentümerin der voll eingerichteten Villa in Kreuth war.

Doch ihr Zustand verschlechterte sich rapide, Böck litt an Demenz. 2015 kam sie in die Psychiatrie des Krankenhauses Agatharied. Böcks Wertgegenstände schätzen die Ermittler auf etwa 2,2 Millionen Euro. Diese wollte sie in ihrem Testament am 1.Oktober 2015 der von ihr ins Leben gerufenen „Betty und Ernst Böck-Stiftung“ vermachen, die von ihr als Alleinerbin eingesetzt wurde. Das angeklagte Quartett sah seine Felle davon schwimmen und heckte – so die Staatsanwaltschaft – einen teuflischen Plan aus.

Mord mit Kissen um Diebstahl zu vertuschen?

Im Januar 2016 soll sich Renate W. als Pflegerin entschieden haben, die Villa in Kreuth leer zu räumen und die Antiquitäten gewinnbringend zu veräußern. Ihr Ehemann, der Hausmeister und der Antiquitäten-Experte halfen mit. Renate W. organisierte den Schlüssel. Dann begann der Abtransport teurer Antiquitäten, die auch in einer Wiesseer Garage in der Münchner Straße zwischengelagert wurden. Insgesamt waren es über 700 Stück, wie die Staatsanwaltschaft in ihrer 33-seitigen Klageschrift einzeln auflistet.

Doch der rege Betrieb in der Villa Mitte März 2016 machte Nachbarn misstrauisch, aber unternehmen konnten sie nichts, denn Pflegerin W. hatte ja den Schlüssel. Diesen soll sie laut Anklage Böck in der Klinik entwendet haben. Der illegale Ausverkauf wäre vermutlich munter weitergegangen, wäre Böck nicht wieder zu Kräften gekommen. Als es ihr besser ging, äußerte sie den Wunsch, in ihr Haus zurückzukehren. Bei der Sauerlacherin schrillten alle Alarmglocken. Am Morgen des 22. März 2016 soll sie dann den Entschluss gefasst haben, die 95-Jährige in der Palliativstation zu töten.

Niemand in der Klinik ahnte etwas, da die Angeklagte ein Bett im Krankenzimmer hatte und sich so das Vertrauen des Pflegepersonals erschlichen habe. Und Sie wusste, dass die Mitarbeiterinnen der Station nur in Intervallen von zwei Stunden nachsehen würden. Um 8.30 Uhr wurde Böck zuletzt lebend angetroffen. Kurz danach, spätestens um 9:30 Uhr, soll die Angeklagte mit einem Kissen oder einer Decke zugedrückt haben, bis ihr Opfer nicht mehr atmete. Davon geht jedenfalls die Staatsanwaltschaft München II aus.

Das Gericht unter Vorsitz von Thomas Bott

Zunächst aber deutete nichts auf einen Mord hin. Der Leichnam von Barbara Böck wurde ganz normal bestattet. Währenddessen ging in ihrer Villa der systematische Abtransport der Wertgegenstände weiter. Erst jetzt alarmierten die misstrauisch gewordenen Nachbarn die Polizei. Am 31. März wurde die Diebesbande festgenommen. Weil es aber schon damals Gerüchte gab, dass Böcks Tod kein natürlicher gewesen sein kann, wurde der Leichnam im April 2016 exhumiert. Doch es deutete zunächst nichts auf eine Fremdeinwirkung hin.

Nur durch einen überraschenden Zufallsfund kam die Mordanklage überhaupt erst zustande. Denn bei weitergehenden Untersuchungen stießen Spezialisten auf zerrissene Fasern in der Lunge sowie zehn punktartige Einblutungen in den Augen. Der Fall kam erneut ins Rollen. Im Mai 2017 wurde wegen des gewaltsamen Erstickungstodes Anklage wegen Mordes gegen die Sauerlacherin W. erhoben. Ihre drei Mithelfer werden des schweren Bandendiebstahls beschuldigt.
Das Verfahren unter der Vorsitzenden Richter Thomas Bott ist auf 16 Verhandlungstage angesetzt. Inzwischen hält der Anwalt der Hauptbeschuldigten den Mordvorwurf für “abwegig”. Zur Tat hat sich allerdings nur der mitangeklagte Antiquitätenhändler Peter P. geäußert. Sein Verteidiger sagte, dass er die Vorwürfe des schweren Bandendiebstahls und der gemeinschaftlichen Unterschlagung entschieden bestreite. Er habe sich nie mit den anderen Angeklagten getroffen und vereinbart, das Haus auszuräumen und die Sachen zu verkaufen. Ein Urteil wird frühestens Ende März erwartet.

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