Längere Elektrozüge an den Tegernsee
Nächster Halt Elektro-Bahn!

In immerhin einem Jahrzehnt – also Mitte der 30er Jahre – kommt die Zukunft auch nach Tegernsee. Dann soll die Zugverbindung zwischen München und Tegernseer Tal voll-elektrifiziert sein. Gestern kam deswegen hoher Besuch aus der Landeshauptstadt; mit dem Auto …

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“Psst, Kinder, Papa schreibt seinen Namen”? – Nein, der Weg zur Elektrifizierung wird freigemacht. / Foto: Redaktion

Morgens, noch vor 6 Uhr, wummert der Diesel an der Bahnhofstraße in Tegernsee. Dann werden die Motoren der Loks vorgewärmt und die Nachbarn daran erinnert, dass man bei uns noch fossile Brennstoffe im Schienenverkehr verbrennt. Das wird sich ändern. 

Schaftlach und Tegernsee werden elektrisch

“Der Freistaat Bayern und die Tegernsee-Bahn machen den Schienenverkehr im bayerischen Oberland noch attraktiver”, schrieb man im Ministerium für Wohnen und Verkehr in die Einladung. Dessen Chef, Christian Bernreiter (CSU) unterzeichnete mit dem Geschäftsführer der Tegernsee-Bahn Gesellschaft (TBG), Dr. h.c. Michael Bourjau einen wichtigen Fördervertrag, der Gelder vom Freistaat freisetzen soll. Ziel: Quasi die letzten Meilen zwischen Schaftlach und Tegernsee elektrifizieren. Vorteile: Klimafreundlich, leiser und vermutlich auch schneller. Dafür spendiert der Freistaat 2,3 Millionen Euro für die ersten Planungen.

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MdB A. Radwan (CSU), Staatsminister C. Bernreiter (CSU), TBG-GF M. Bourjau (FW), Lr v. Löwis (CSU), BM J. Hagn (CSU). / Foto: Redaktion

Honoratioren wie der Landrat von Löwis, Bürgermeister Johannes Hagn und Waakirchens Norbert Kerkel und allerlei Bahn- und Schienenfunktionäre kamen extra zur Unterzeichnung. Gastgeber Michael Bourjau, der schon vor Wochen den Vorplatz am Bahnhof in Tegernsee aufpoliert hat, ließ einen “antiken” Triebwagen aus dem Depot vorfahren. Hier durften Minister und Bourjau den Vertrag unterzeichnen. Nur für Geschichts-Nerds war das in diesem Moment etwas seltsam … 

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Wasserstoff? Nein, danke

Bernreiter betonte in seiner kurzen Rede, dass der Freistaat eigentlich nicht zuständig sei, schon das Grundgesetz sähe den Bund in der Verpflichtung, die Infrastruktur aufzupolieren. “Aber wenn wir nicht anschieben”, so der Minister, “dann geht von Berlin aus nichts voran.” Der Sound des vergangenen CSU-Parteitags schien noch nachzuhängen.

Schlusslicht Europa

Die Bundes-Investitionen in die Schieneninfrastruktur wurden in den letzten Jahren spürbar angehoben, im europäischen Vergleich hinkt Deutschland dennoch hinterher: Im Jahr 2023 investierte Deutschland 115 Euro pro Bürger in sein Schienennetz. Im Vergleich mit den staatlichen Pro-Kopf-Investitionen anderer Industrieländer wie Großbritannien (215 Euro) oder Norwegen (276 Euro) liegt Deutschland damit auf den hinteren Rängen. Doch in der Enge des Triebwagens wurde an diesem Montagmittag – zwischen Butterbrezn und Kaltgetränken – in homöopathischen Dosen Landespolitik gemacht. 

Wasserstoff

In seiner Rede gab es vom Minister gleich eine klare Absage an die vom Vize-Landesvater Hubert Aiwanger präferierte Wasserstoff-Lösung. “Das ist einfach keine Alternative, zu teuer und nicht effizient genug”, so Bernreiter. Auch TBG-Geschäftsführer Michael Bourjau stimmte zu. “Dafür gibt es hier keine Infrastruktur”. Er setzt auf Elektrifizierung für sein kleines Schienenreich. Letztlich gehe es darum, da waren sich beide einig, ein steigendes Passagieraufkommen klimaneutral in und aus der Region von der Straße weg in die Stadt zu bringen. 

Elektrifizierung irgendwann ab 2031

Es warten einige Herausforderungen für Betreiber (TBG), Kunde (BRB) und Staat: für neue elektrische Züge, bis zu 140 Meter lang, – womöglich auch doppelstöckig, für mehr Fahrgastkapazitäten – bedarf es ein neues elektronisches Stellwerk. Damit soll der Zugverkehr effizienter gesteuert werden – auch bei höheren Fahrgeschwindigkeiten. In weniger als 40 Minuten von der Stadt ins Tal?

Alle 70 Meter kommen Masten

Das wäre was. Davor stehen langwierige Planungen, Feststellungsverfahren und Bauarbeiten. Beispiel: Alle 70 Meter braucht es Masten. Anwohner werden, man kennt die eigenen Pappenheimer, sicher dagegen klagen. “Aber aus meiner Sicht muss das Allgemeinwohl hier über Privatinteressen stehen”, findet Michael Bourjau, der auch 2. Bürgermeister in Tegernsee ist. Der TBG-Geschäftsführer wird, wenn die Bahn zwischen Schaftlach und Tegernsee elektrisch angetrieben wird, wohl dies aus seinem Ruhestand verfolgen.

Schließlich geht es frühestens 2033 los. Bourjau, das ist wichtig zu betonen, hat mit seiner Arbeit und seiner Hartnäckigkeit den immer festgefahrenen Prozess zur Elektrifizierung angetrieben. Die kleine TBG musste immer wieder bürokratische Hürden überwinden. Anteile an der TGB haben übrigens der Landkreis, sowie Tegernsee und Gmund. Kein leichtes Unterfangen. Und ein 69-jähriger Kommunalpolitiker kann seine Zeit sicher vergnüglicher einsetzen. 

So sehr dieser Termin am Montag am Bahnhof Tegernsee von einem Willen nach einer klimafreundlichen und technologisch modernen Zukunft geprägt war, zeigen die Beschreibungen der bürokratischen Hürden, warum wir in Deutschland einen gewaltigen Investitionsstau haben. Sieben Jahre Planung für eine Strecke zwischen München und Tegernsee? Das ist einer führenden Industrie- und Wirtschaftsnation unwürdig. 

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