Holzkirchner Stimme: So richtig aufgefallen sind Sie im ersten Jahr ihrer Amtstätigkeit ja nicht. Als Höhepunkt gilt die Vertragsverlängerung der Klimamanagerin. Wird das ihr Markenzeichen, möglichst unauffällig die ersten sechs Jahre im Amt zu verbringen. Oder soll sich das noch ändern?
Wolfgang Rzehak: Da haben Sie wohl nicht so gut aufgepasst. Zumindest gefühlt kam ich 100 Mal in Zeitungen – vom Tagesspiegel bis zur Süddeutschen – und in 20 Fernsehinterviews zu Wort.
Holzkirchner Stimme: Aber da ging es doch eher nur um zwei Themen: Den Skandal um Kreidl und die Überraschung, dass sie der erste grüne Landrat sind.
Wolfgang Rzehak:: Unter anderem, aber nicht nur.
Holzkirchner Stimme: Dürfen wir uns im Tal auf etwas mehr freuen als nur Vertragsverlängerungen?
Wolfgang Rzehak:: Für Sie mag das Amt der Klimamanagerin vielleicht nur am Rande interessant sein, für mich steht sie für ein wichtiges Thema: die Erreichung unserer ehrgeizigen Landkreis-Klimaziele. Eines der Hauptthemen im Landkreis ist der Schuldenabbau. Das ist der wichtigste Grund, weshalb ich angetreten bin. Über alle Fraktionen sind wir uns einig darin, dass wir gemeinsam einen soliden Haushalt aufstellen und die Schulden so weit abbauen wollen, dass wir wieder dauerhaft handlungsfähig werden. Wir haben uns das Ziel gegeben, bis 2018 unter die 100 Millionen Euro Schulden-Grenze zu kommen.
Ich bin nicht angetreten um die grüne Republik Miesbach auszurufen.
Holzkirchner Stimme: Wie war der Schuldenstand zu Beginn ihrer Amtszeit?
Wolfgang Rzehak: Ursprünglich kommen wir von 134 Millionen Euro. Das ist schon eine Hausnummer.
Holzkirchner Stimme: Wie wollen Sie denn die Schulden abbauen?
Wolfgang Rzehak:: Mit strikter Haushaltsdisziplin. Und die halten wir ein, indem man eben gerade nicht Denkmäler setzt. Indem jede Ausgabe auf den Prüfstand gestellt wird. Und das haben wir bisher gut gemeistert, zehn Millionen Euro Schulden sind bereits abgebaut. Natürlich ist das nicht sexy, das ist kein Thema, mit dem man sich in der Öffentlichkeit groß profilieren kann. Aber das ist das, was wir hier im Landkreis brauchen: angemessene Schritte und realistische Ziele.
Holzkirchner Stimme: Was sind denn ihrer Meinung nach angemessene Schritte und realistische Ziele für einen Landrat?
Wolfgang Rzehak: Ich bin nicht angetreten, um die grüne Republik Miesbach auszurufen oder Gänseblümchen auf den Balkonen wachsen zu lassen. Dagegen war es eine meiner ersten Aufgaben, in das Landratsamt wieder Ruhe reinzubringen. Ich denke, das ist mir auch gelungen. Die Mitarbeiter arbeiten gerne hier. Sie können so arbeiten, wie sie arbeiten müssen und wollen. Nach Recht und Gesetz.
Ein weiterer Punkt: Wir senken langfristig die Kreisumlage. Das haben wir auch versprochen. Bis 2019 um mindestens einen Prozentpunkt. Wenn mehr geht, gern. Aber wir wollen realistisch bleiben. Und was gleichzeitig ganz wichtig für mich ist: Das Förderzentrum in Hausham so zu sanieren und auszubauen, dass die Schüler dort ohne Einschränkung lernen können und alles wirklich barrierefrei ist. Das ist meiner Meinung nach über Jahrzehnte vernachlässigt worden.
Außerdem wollen wir die energetische Ertüchtigung des Landratsamtes angehen. Wir wollen keinesfalls die alten Gebäude abreißen und einen riesigen Neubau auf die grüne Wiese setzen. Aber rein mit einer Sanierung der zahlreichen, alten Teilgebäude kommen wir nicht weit. Das ist unverhältnismäßig teuer und wäre am Ende auch nur eine halbscharige Lösung. Es stellt sich die Frage, ob es nicht auf Dauer ökonomischer, aber auch ökologischer, behindertengerechter und mitarbeiterfreundlicher wäre, wenn wir anstelle des Landwirtschaftsamts und der Hauswirtschaftsschule einen Ersatzbau schaffen.
Und noch ein Thema, das wir auf der Agenda hatten: Es ist Ruhe in der Jägerschaft eingekehrt. Wir haben es geschafft, Jagdbeirat und den Jagdberater so aufzustellen, dass zwischen Forst, Waldbesitzern, aber auch Jägern ein ausgesprochen konstruktives Miteinander möglich ist.
Wenn wir alle unsere Ziele umsetzen, den Schuldenabbau, die Senkung der Kreisumlage, die Sanierung der Förderschule und des Landratsamts, dann ist sehr viel geschafft. Unabhängig davon haben wir auch etwas erreicht, das vielleicht etwas in den Hintergrund geraten ist: Nach der gescheiterten Tourismusfusion konnten wir die ATS auf zukunftsfähige Füße stellen und damit eine Art gordischen Knoten zu zerschlagen, obwohl die Situation äußerst verfahren war. Übrigens hat hier nicht nur Schliersee blockiert.
Holzkirchner Stimme: Sondern?
Wolfgang Rzehak: Diejenigen, die dabei waren, wissen es. Es kollidierten eben verschiedene Interessen. Aber dieses Fass machen wir jetzt nicht auf. Ihr hattet ja teilweise sowieso mehr Informationen als die unmittelbar Beteiligten.
“Dafür ist das Landratsamt nicht zuständig”
Holzkirchner Stimme: Wir fragen uns nur, Haushaltskonsolidierung und energetische Sanierung des Landratsamtes sind sicher wichtige Punkte, aber haben wir hier im Landkreis nicht dickere Bretter zu bohren? Stichwort demographischer Wandel. Daraus ergeben sich doch extrem viele Konsequenzen von Bildung über Infrastruktur und Versorgung generell.
Wolfgang Rzehak: Sie haben jetzt Bereiche angesprochen, für die das Landratsamt oder der Landkreis nicht zuständig sind.
Holzkirchner Stimme: Nicht immer direkt, aber manchmal indirekt. Zum Beispiel in Fragen des demographischen Wandels.
Wolfgang Rzehak: Solche Fragen sollte man den Bürgermeistern stellen. Eine einheitliche Altersstruktur für das gesamte Tal gibt es meiner Meinung nach nicht. Jeder weiß, dass die Bevölkerungsstruktur von Kommune zu Kommune unterschiedlich ist. Es gibt Gemeinden, die kümmern sich mehr um das Thema, indem sie beispielsweise gezielt junge Familien an den Ort zu holen. Und es gibt Gemeinden, die sich weniger drum kümmern.
Holzkirchner Stimme: Sie haben sich sehr eingesetzt für das Tegernseer Gymnasium. Wir haben an vielen Schulen eine sinkende Schülerzahl. Wie sieht ihr Standpunkt aus, um diesen Trend zu verhindern?
Wolfgang Rzehak: Natürlich können wir langfristig nur schwer beeinflussen, wie viele Kinder es in unserem Landkreis gibt. Aber das Gymnasium Tegernsee hat jetzt 80 Neueinschreibungen gegenüber 56 im letzten Jahr. Ein wirklich riesiger Erfolg, den wir einerseits der Schulfamilie mit Lehrern und Elternbeirat und natürlich dem Schulleiter Dr. Oberholzner zu verdanken haben.
Ja, ich habe mich auch stark gemacht, ebenso wie der Tegernseer Bürgermeister Johannes Hagn. Aber auch der Kreistag hat seine Hausaufgaben gemacht. Wir haben die Schülerbeförderung für Waakirchner Schüler übernommen. Und jetzt können wir den Erfolg ernten. Freuen wir uns, dass es jetzt so aussieht, als sei die Zukunft des Gymnasiums gesichert. Der Einsatz hat sich gelohnt.
Holzkirchner Stimme: Was ist eigentlich aus dem Fall geworden mit der Polizistin, die illegalerweise geschossen hat?
Wolfgang Rzehak: Sie spielen jetzt wohl auf den Abschuss von führenden Muttertieren an. Es ist bekannt, dass Leute gerne spekulieren, wenn sie nichts wissen. Da fragen Sie besser die Staatsanwaltschaft.
Entscheidung über BOB liegt nicht im Landkreis
Holzkirchner Stimme: Thema BOB. Die Menschen sehen immer noch keine Verbesserung. Gibt es jetzt ein Ziel, wo Sie sagen, da wollen wir hin?
Wolfgang Rzehak: Wir setzen hier auf die Zukunftswerkstatt Mobilität, um das Problem aufzugreifen. Entscheiden kann man aber nur da, wo man eine Entscheidungsbefugnis hat. Dafür haben wir eine Staatsregierung und eine Deutsche Eisenbahngesellschaft. Außerdem eine Staatsministerin und einen Bundesabgeordneten, das ist deren Aufgabenfeld. Ich kann nicht persönlich Zug fahren oder die Weichen stellen.
Holzkirchner Stimme: Hat man bei der letzten Vergabe zu sehr nur auf die BOB gesetzt?
Wolfgang Rzehak: Sicherlich waren die Ausschreibungskriterien vor ein paar Jahren ein Fehler. Eine Lehre, die ich daraus gezogen habe ist, dass man so was nicht an Personen festmachen sollte. Wir haben damals voll auf Herrn Seeger gesetzt.
Holzkirchner Stimme: Pendler haben gar keine Chance mehr, pünktlich in München anzukommen. Die BOB fällt alle naselang aus. Wir haben das Gefühl, dass die Kommunalpolitik das Problem nicht genug in die Ebene der Staatsregierung trägt.
Wolfgang Rzehak: Aus der Distanz stellen Sie sich das sehr leicht vor. Was sollen wir denn machen? Sollen Bürgermeister und Landrat protestieren und rufen „Ilse, reparier die BOB!“ So funktioniert Politik nicht.
Holzkirchner Stimme: Gut, dann eben Digitalisierung. Netze fallen aus, Großkonzerne reagieren nicht. Den Bürgermeistern ist das Problem nicht wichtig genug. Aber dass Menschen, zum Beispiel keine Heimarbeit machen können und mehr pendeln müssen, zieht ja auch Konsequenzen nach sich. Stichwort Verkehr.
Wolfgang Rzehak: Ich dachte, wir reden heute über Landkreispolitik. Die Verantwortung da liegt tatsächlich bei jeder Kommune selbst, die sich ja auch teils sehr engagiert darum kümmern. Es gibt nun mal Gemeinden, die sind besser ausgebaut, manche weniger. Wenn es mal hakt, kann der Landrat gerne ins Finanzministerium mitfahren, kein Problem. Der Landrat kann Türöffner sein, aber er kann nicht die Aufgaben der Bürgermeister übernehmen.
Holzkirchner Stimme: Zum Thema Flüchtlinge: In Waakirchen wollen einige Kegler nicht in der räumlichen Nähe zu Flüchtlingen kegeln. Was sagen Sie dazu?
Wolfgang Rzehak: Ich finde es schade, wenn Menschen so denken. Zu 95 Prozent reagieren die Leute ja sehr positiv auf die Flüchtlinge. Viele wollen sogar helfen. Dass es den einen oder anderen gibt, der mosert oder gar Ängste hat, muss man akzeptieren. Kann man zum Teil vielleicht auch nachvollziehen. Aber wenn ein persönlicher Kontakt zu den Flüchtlingen hergestellt ist, haben sich Vorbehalte meist schnell erledigt.
Holzkirchner Stimme: Ist die Politik mit der Situation überfordert?
Wolfgang Rzehak: Es ist klar, dass auch Probleme auftreten. Aber nicht nur der Landkreis Miesbach, sondern ganz Bayern ist im Moment mit dieser Situation überfordert. In allen Gemeinden werden dringend Unterkünfte benötigt. Derzeit haben wir 470 Flüchtlinge, bis Jahresende erwarten wir insgesamt 900, und wir haben jetzt schon irrsinnige Probleme, alle unterzukriegen. Umso wichtiger ist, dass niemand Öl ins Feuer gießt. Vor allem keine Entscheidungsträger oder Bürgermeister.
Es steht keinem Kommunalpolitiker zu, die Tür zuzumachen.
Holzkirchner Stimme: Wenn Sie sagen, 95 Prozent seien positiv gestimmt. Denken Sie, dass es eine Grenze gibt, wo das auch kippen könnte?
Wolfgang Rzehak: Das weiß ich nicht. Es gibt immer Menschen, die Angst haben oder sogar bewusst Ängste schüren. Wichtig ist dann, dass Entscheidungsträger wie Bürgermeister oder der Landrat die Emotionen rausnehmen. Ein großes Poltern wie beispielsweise vom Gmunder Bürgermeister hilft uns da nicht weiter. Das ist nicht zielführend.
Holzkirchner Stimme: Ist das Gekreische parteipolitisch motiviert?
Wolfgang Rezhak: Dann wäre das ein Boomerang. Ich glaube eher, dass so etwas ein Ablenken von den eigenen Problemen ist. Denn auch Gmund müsste in die Puschen kommen und Grund für die Container zur Verfügung stellen, wie die anderen Kommunen auch.
Holzkirchner Stimme: Wenn die 900 noch kommen, nächstes Jahr noch mehr. Gibt es irgendwo einen Punkt, wo Sie sagen, der Landkreis ist voll?
Wolfgang Rzehak: Wer entscheidet, wann der Landkreis voll ist? Können wir Menschen, die umgebracht, die aus politischen, religiösen oder sexuellen Gründen verfolgt werden, ein sicheres Obdach verweigern und sie zurück in den sicheren Tod schicken? Nur weil wir sagen, wir haben keine Unterkünfte? Asylrecht ist ein Grundrecht. Es steht keinem Kommunalpolitiker zu, die Tür zuzumachen. Nein, da müssen wir alle mithelfen.
Holzkirchner Stimme: Vor wenigen Wochen ist eine Hortleiterin bei der Caritas aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gegangen. Wie ist ihre Position?
Wolfgang Rzehak: Ich bin selbst katholisch, ich bin Christ, aber ich glaube, es widerspricht auch dem, was die Lehre Jesu beinhaltet: Menschen zu diskriminieren, die aus Sicht mancher Menschen nicht in die Gesellschaft passen. Wir leben im Jahr 2015 und es kann nicht sein, dass jemand aufgrund seiner sexuellen Orientierung seinen Arbeitsplatz verliert. Vor allem, wenn – wie im Holzkirchner Fall – eine kommunale Aufgabe von einer kirchlichen Einrichtung übernommen wird, die zu 80 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert wird.
Wenn Kirche oder Caritas alle Kosten tragen, dann ist das was anderes. Zwar kann ich auch dann Diskriminierung nicht nachvollziehen, aber in diesem Fall ist das Sache der Kirche. Aber in einer Einrichtung, die mit staatlichen Geldern finanziert wird, die im Übrigen auch von Schwulen und Lesben aufgebracht werden, kann so etwas nicht sein.
Holzkirchner Stimme: Als Sie angetreten sind, war Jakob Kreidl bundesweit ein riesiges Thema. Haben Sie das Gefühl, dass Sie in diesem Jahr tatsächlich diesen gordischen Knoten zerschlagen haben?
Wolfgang Rzehak: Es ist zumindest vieles anders geworden. Alle Kreistagsfraktionen sind auf dem gleichen Informationsstand. Ich versuche alle einzubinden, meine Entscheidungen transparent zu machen und diese gemeinsam zu erarbeiten. Mir sind dabei alle Fraktionsgruppierungen gleich wichtig. Die CSU ist nicht die bestimmende Kraft, sie ist eine mitbestimmende Kraft.
Sie hat ein Drittel der Mandate, das ist nicht wenig, aber alle anderen Fraktionen sind mir genauso lieb und teuer. Mir ist wichtig, dass alle gleichwertig miteinbezogen werden. Bisher hat das sehr gut geklappt. Jetzt auf der Hauptversammlung der CSU in Wiessee gab es wohl einen Aussetzer. Aber ich hoffe, das bleibt die Ausnahme. Denn fünf Jahre Dauerwahlkampf wären nicht gut für den Landkreis. Wir haben Wichtigeres zu tun.
Holzkirchner Stimme: Vielen Dank für das Interview Herr Rzehak.
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