Die finanzielle Situation in Bad Wiessee ist nicht ganz einfach. Und schon gar nicht leicht zu verstehen. Im TS-Interview geht Bürgermeister Peter Höß auf die vielen offenen Fragen rund um die Zukunftspläne der Gemeinde genauer ein. Höß gibt sich dabei selbst völlig gelassen: „Wenn ich bei der aktuellen Situation nicht entspannt wäre, könnte ich nicht mehr ruhig schlafen.“
Tegernseer Stimme: Guten Tag Herr Höß. Die finanzielle Lage von Bad Wiessee sieht auf den ersten Blick ja nicht gerade gut aus. Knapp 34 Millionen Euro Schulden drücken die Gemeinde, was einer pro Kopfverschuldung von rund 7300 Euro entspricht. Der Landesdurchschnitt liegt bei 753 Euro. Wie beurteilen Sie als ehemaliger Banker die aktuelle Situation?
Peter Höß: Es ist sicherlich keine einfache Situation. Allerdings sehe ich die Lage bei Weitem nicht so dramatisch, wie sie von außen oft an mich herangetragen wird.
Tegernseer Stimme: Warum nicht?
Peter Höß: Weil unseren Schulden auch immer Werte entgegenstehen. Wir haben eine Spielbank, für die wir regelmäßig tilgen, sowie jetzt das Jod-Schwefelbad-Gelände.
Tegernseer Stimme: Aber das Argument greift für die Spielbank doch nur zum Teil. Die ließe sich nicht so leicht verkaufen, wenn man die Schulden, die immer noch bei stattlichen 19,5 Millionen Euro liegen, einmal nicht mehr bedienen kann.
Peter Höß: Unser Mietvertrag mit der Staatlichen Lotteriegesellschaft ist so gestaltet, dass wir die Zinsen und die Tilgung immer bezahlen können. Es stimmt allerdings: Sollten die Einnahmen aus der Spielbank komplett wegbrechen, sähe es für Wiessee nicht gut aus. Allerdings denke ich nicht, dass es jemals so weit kommen wird.
Drei Säulen für Wiessees Zukunft
Tegernseer Stimme: Die Entwicklung in den Spielbanken in ganz Deutschland ist ja nicht gerade berauschend. Das Wiesseer Casino ist eines der letzten, das noch positive Zahlen schreibt, aber einen massiven Gewinnrückgang in den letzten sechs Jahren zu verzeichnen hat. Warum sind Sie da so optimistisch?
Peter Höß: Das stimmt. Allerdings lassen die neuesten Zahlen aus unserer Spielbank erahnen, dass wir langsam den Boden erreicht haben und sich der Gewinn wieder stabilisiert. Ich hoffe natürlich, dieser positive Trend hält an.
Tegernseer Stimme: Es soll mit der Spielbank also weitergehen, auch in der Zukunft?
Peter Höß: Ja. Allerdings muss man sehen, dass sich die Spielbankabgabe für uns insgesamt verringert hat. In 2007 führte die Lotteriegesellschaft noch 4,4 Millionen Euro an uns ab, heute bekommen wir nur noch eine Abgabe in Höhe von 2,2 Millionen. Daher sehe ich die Spielbank neben dem Tourismus und dem sogenannten „nicht schmutzenden Gewerbe“ nur noch als eine von drei Säulen, auf denen Wiessees Zukunft stehen muss.
Tegernseer Stimme: Dennoch ist das ja eine sichere Zusage zum Erhalt der Spielbank. Darauf kann der Badepark derzeit nicht zählen.
Peter Höß: Das ist richtig. Aber der Badepark ist ein Relikt aus der Zeit, als die Spielbank noch hohe Gewinne abwarf und man sich als Gemeinde so etwas leisten konnte. Heute müsste man den Badepark, wollte man ihn weiter betreiben, energetisch komplett auf den neuesten Stand bringen. Das würde zig Millionen kosten, aber die Besucher würden keine Verbesserung erkennen können.
“Wer sich einbringen will, kann das tun”
Tegernseer Stimme: Das Aus für den Badepark ist demnach beschlossene Sache. Was sagen Sie da den Mitarbeitern?
Peter Höß: Ich habe schon drei Betriebsversammlungen einberufen, um den Mitarbeitern die Angst zu nehmen, denn natürlich haben diese Furcht vor der Zukunft. Unsere Gespräche mit möglichen Betreibern und Investoren der geplanten Therme haben aber gezeigt, dass man diese durchaus wirtschaftlich betreiben kann. Ich bin sicher, dass unsere Mitarbeiter dort unterkommen werden. Der Badepark hingegen ist perspektivlos.
Tegernseer Stimme: Und was entgegnen Sie denjenigen, die nun die Gefahr sehen, dass man nirgendwo mehr schwimmen lernen kann, da es an einem Schwimmbad mangelt? Hätte man da nicht auch einmal an die anderen Gemeinden herantreten und um finanzielle Unterstützung bitten können?
Peter Höß: An einem Defizit, wie es derzeit besteht, hat niemand Interesse. Und das wäre auch nicht vernünftig. Aber natürlich werden in den Gesprächen mit dem Betreiber der Therme auch die Wünsche der Wasserwachtler, der Schulen und der Bürger zur Sprache kommen. Und dann muss man sehen, was dabei herauskommt.
Tegernseer Stimme: Aber nochmal: Wie sieht es mit einer Beteiligung der Nachbargemeinden aus?
Peter Höß: Für die Nachbargemeinden gilt hier genau dasselbe. Wenn sie sich einbringen möchten, beispielsweise wenn es um ein größeres Becken geht, können sie das in den Gesprächen gerne tun.
Tegernseer Stimme: Kommen wir zu der neuen Therme, dem touristischen Kernprojekt Wiessees für die kommenden Jahre. Sie haben in den Bürgerinformationsabenden immer betont, dass der angegebene Zeitplan für den Bau ambitioniert ist. Was hätte es für Konsequenzen, sollte sich das Projekt um ein halbes oder sogar ein ganzes Jahr verzögern?
Peter Höß: Das hätte keine Konsequenzen. Um ein halbes Jahr kann es sich schnell einmal verzögern. Das wäre bei so einem Projekt völlig normal. Im Moment liegen wir aber ziemlich genau im Zeitplan.
Worst-case-Szenario durchgespielt
Tegernseer Stimme: Nehmen wir einmal den worst-case an. Was passiert, wenn sich wirklich kein Investor für das Areal finden sollte? Dann sitzt Wiessee auf rund 12 Millionen Euro Schulden, die allein aus dem Kauf des Jodbad-Areals existieren. Gibt es einen Plan B oder ist die Gemeinde dann faktisch pleite?
Peter Höß: Zunächst einmal glaube ich überhaupt nicht, dass es dazu kommen wird. Sollte dieser Fall aber dennoch eintreten, haben wir natürlich immer noch die Möglichkeit, auf den Grundstücken Wohnbebauung zuzulassen und diese dann nach und nach zu verkaufen. Die Werte sind da und die sind höher als die Schulden aus dem Kauf der rund 100 000 Quadratmeter.
Tegernseer Stimme: Also denken Sie darüber nach?
Peter Höß: Natürlich gibt es diese Überlegungen, aber ich denke, ehrlich gesagt, nicht oft daran, denn das ist es ja, was wir gerade nicht möchten. Wir wollen Wiessee entwickeln und zukunftsfähig machen. Wäre es uns egal gewesen, hätten wir uns auch einfach zurücklehnen und abwarten können, bis irgendein Investor das Gelände übernommen hätte.
Tegernseer Stimme: Kommen wir von den langfristigen einmal zu den kurzfristigen Entscheidungen. Was tun Sie derzeit, um die Schuldenlast Bad Wiessees zu drücken?
Peter Höß: Ich habe es mir extra nochmal durchrechnen lassen. Zum 31. Juli betrug der Schuldenstand Bad Wiessees 33.776.000 Euro. Das heißt, wir haben in diesem ersten halben Jahr die Schulden um knapp 800.000 Euro reduziert.
Tegernseer Stimme: Geschah das auch mit weiteren Grundstücksverkäufen?
Peter Höß: Nein. Aber ich lasse mich auch in Sachen Grundstücksverkäufen nicht in eine gewisse Ecke drängen. Es ist ja nicht so, als ob wir die Erlöse aus den Grundstücken verkonsumieren. Wir verwenden sie zur Tilgung der Altschulden. Meines Erachtens eine legitime Maßnahme.
Tegernseer Stimme: Wie hoch sind die Zinsen, die Bad Wiessee für die exakt 33.776.629 Euro Schulden bezahlt?
Peter Höß: Das kann ich Ihnen relativ genau sagen. Bis einschließlich 31. Juli haben wir 385.370 an Zinsen gezahlt. Auf das Jahr hochgerechnet dürften das um die 700.000 Euro sein. Das sind zwischen zwei und drei Prozent der Gesamtschulden. Wir haben insgesamt einen sehr niedrigen Zinssatz für die Verbindlichkeiten.
„Eine echte Belastung“
Tegernseer Stimme: Was sind denn derzeit die größten Belastungen für die Gemeinde?
Peter Höß: Die größten Posten sind ja weitestgehend bekannt aus den öffentlichen Haushaltssitzungen. Was allerdings nicht so bekannt ist, sind die Belastungen aus unseren Altschulden. Zum Ende der Laufzeit wird der Zinsanteil ja immer geringer, dafür steigt die Tilgung stark an. Derzeit ist die Belastung durch die zwei Millionen Altschulden mehr als doppelt so hoch wie die Last für das Jodschwefelbad-Areal.
Tegernseer Stimme: Wie lange geht diese Laufzeit noch?
Peter Höß: Wir haben uns dazu entschieden, die Zinsersparnis, die wir teilweise erzielen konnten, komplett in die Tilgung zu stecken. Wir bezahlen im Moment also mehr ab, als wir müssten. So sind die Altlasten schon in drei, anstatt in sechs Jahren abbezahlt. Im Moment kommt dementsprechend aber viel zusammen.
Tegernseer Stimme: Umso erstaunlicher, dass die Gemeinde bei dem Deal um das alte Spielbankgelände auf eine kurzfristige Auszahlung der 4,6 Millionen durch den Käufer Thomas Strüngmann verzichtet. Stattdessen wartet Wiessee, bis die Tourist Information einen neuen Standort gefunden hat, ehe das Geld fließt. Hat man sich da bei den Verhandlungen vielleicht über den Tisch ziehen lassen?
Peter Höß: Nein, und das möchte ich auch noch einmal klarstellen. Es ist üblich, dass bei solchen Projekten die Kaufsumme erst fließt, wenn ein Bebauungsplan aufgestellt ist. Und das ist ja bekanntlich noch nicht der Fall. Somit erweist Herr Strüngmann der Gemeinde einen enormen Vertrauensvorschuss, wenn er das Geld schon zahlt, sobald die TI ausgezogen ist.
Tegernseer Stimme: Sie wollen also sagen, dass der geschlossene Kaufvertrag eher von Vorteil für die Gemeinde war?
Peter Höß: Richtig. Und ich bin auch ganz ehrlich nicht einmal böse, wenn wir das Geld in diesem Jahr noch nicht bekommen. Denn sonst würden nur wieder die Rufe laut, was man damit alles machen könnte. Im nächsten Jahr brauchen wir das Geld auch noch.
Tegernseer Stimme: Vielen Dank für das Gespräch.
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