Täglich holen sich die Stadtwerke München rund 317 Millionen Liter Trinkwasser aus dem Mangfalltal, genauer gesagt aus dem Wasserschutzgebiet Thalham-Reisach-Gotzing. Seit 1883 trinken rund 1,4 Millionen Menschen in München und Umland das Wasser. Seit 19 Jahren versucht man nun schon, dieses Gebiet zu vergrößern. Seit dreieinhalb Jahren ruht das Verfahren.
Am 20. September verkündete das Landratsamt überraschend, man habe das Verfahren wieder aufgenommen und einen Kompromiss ausgehandelt (wir berichteten). Nach dreieinhalbjähriger Prüfung der Altrechte und möglicher Alternativen zur Wassergewinnung sei man zu dem Schluss gekommen, so Rzehak, dass die „Altrechte“ noch immer Gültigkeit haben.
Münchner dürfen weiterhin Wasser entnehmen
Somit bleibt die Stadt München weiterhin berechtigt, im Mangfallgebiet Wasser zu entnehmen. Der Kompromiss: Ein Drittel der rund 30.000 Quadratmeter großen Fläche bleibt Gewerbegebiet. Rzehak bezeichnete den ausgehandelten Kompromiss mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt als „Riesenerfolg“.
Das sehen die Gegner ganz und gar nicht so. Gemeinden, Landwirte und Wasserschutzvereine befürchten erhebliche Einschränkungen und wollen dieses Vorgehen nicht widerstandlos hinnehmen. Sie sind der Meinung, die Münchner Stadtwerke hätten laut einem Gutachten überhaupt kein Recht, im Mangfalltal die Trinkwassserversorgung zu betreiben.
Was die Gegner jetzt brauchen, ist Zeit
Die Wasserschutzgegner fühlen sich vom Landrat hintergangen, weil er sie im Vorfeld nicht über die Prüfungsergebnisse informiert hat. Bürgermeister, Gemeindevertreter und Vereine starteten deshalb eine Gegenpressekonferenz und forderten mehr Zeit, um auf die für Mitte Oktober angesetzte Verfahrensfrist reagieren zu können.
Wie berichtet, verkündete Landrat Wolfgang Rzehak daraufhin, die Frist zur Ausweisung der Wasserschutzzone zu verlängern. Die öffentliche Auslegung startet nun statt Mitte Oktober erst am 8. Januar 2018. Doch reicht den Betroffenen diese Frist aus? Wir sprachen mit Dr. Alexander Bronisch, dem zweiten Vorsitzender des Vereins „Unser Wasser“:
Tegernseer Stimme: Herr Dr. Bronisch, ist diese Frist tatsächlich hilfreich? Und kommt der Landrat den Gegnern damit wirklich entgegen?
Dr. Alexander Bronisch: Jede Verlängerung hilft. Nur – wie soll man in wenigen Wochen prüfen, wofür Leute, die dafür bezahlt werden, mehr als zweieinhalb Jahre gebraucht haben?
Heißt das, die Frist reicht zur Prüfung der Unterlagen nicht aus?
Dr. Alexander Bronisch: Das wird sich jetzt zeigen. Vom Hydrogeologen bis zum Juristen ziehen wir gerade alle Experten zu Rate.
Haben Sie Akteneinsicht bekommen?
Dr. Alexander Bronisch: Wir stützen uns derzeit auf Informationen, die das Landratsamt auf seiner Webseite veröffentlicht hat. Man hat uns gesagt, das seien sämtliche Dokumente, die ans Umweltministerium gingen.
Wie prüfen Sie und vor allem – wer macht das?
Dr. Alexander Bronisch: Wir haben alle Aufgaben vereinsintern aufgeteilt. Dazu gehört auch die erste Analyse der aktuellen Papiere des Landratsamtes.
Das hört sich nach viel Arbeit an…
Dr. Alexander Bronisch: Es ist eine große Belastung. Jeder von uns hat ja auch noch seinen normalen Beruf. Bis jetzt hat mich diese Aufgabe mehrere Stunden am Tag gekostet.
Wer zahlt die Arbeit ihrer Experten?
Dr. Alexander Bronisch: Das Geld dafür stammt aus den Mitgliedsbeiträgen unseres Vereins. Wir werden versuchen, unsere Arbeit zusätzlich über Spenden zu finanzieren.
Landrat Wolfgang Rzehak sprach von der 30.000 Quadratmeter großen Fläche, die weiterhin als Gewerbefläche genutzt werden könne, von einem „Riesenerfolg“. Wie sehen Sie das?
Dr. Alexander Bronisch: Das dortige Gewerbegebiet hat bislang eine Fläche von 90.000 Quadratmetern, in die Miesbach, wie man hört, zwei Millionen Euro investiert hat. Zweidrittel davon sollen jetzt wegfallen. Noch ist völlig unklar, unter welchen Voraussetzungen die verbleibenden 30.000 Quadratmeter genutzt werden dürfen. Eine Rechtssicherheit gibt es hier nicht. Wer will schon in ein Gebiet ziehen, wenn er weiß, dass er es eventuell mit den Stadtwerken zu tun bekommt?
In einem im Januar 2014 veröffentlichten Leserbrief sagten Sie, der Landkreis müsse Verantwortung übernehmen und sich darum kümmern, dass das Trinkwasser nach den jetzt geltenden Gesetzen und Normen beantragt werde – und nicht nach so genannten „Alten Rechten“. Diese Altrechte stellen Sie in Frage – warum eigentlich?
Dr. Alexander Bronisch: Durch die „Alten Rechten“ ist der Landkreis gegenüber dem Münchner Wasserversorger quasi rechtlos. Aus unserer Sicht wäre es die Pflicht des Landrats, als Anwalt für den Landkreis einzutreten und die zahlreichen Indizien, die gegen die Gültigkeit der Alten Rechte sprechen, entsprechend zu berücksichtigen. Stattdessen stellt er sich auf die Seite der Stadtwerke München und der Regierung von Oberbayern.
Was bedeutet das in der Konsequenz?
Dr. Alexander Bronisch: Die Stadtwerke München können sich – gestützt auf die Alten Rechte – das reinste Trinkwasser aus unserem Landkreis holen ohne die sonst üblichen Einschränkungen und Verpflichtungen. Sie gaukeln den Münchnern mit dem Marketing-Etikett „M-Wasser“ ohnehin schon vor, es sei stadteigenes Wasser und nicht M(angfalltal)-Wasser, das da so rein und billig durch die Leitungen fließt.
Haben Sie bei Ihrer Gegenwehr ein As im Ärmel?
Dr. Alexander Bronisch: Nicht nur eins, aber wir werden unsere Karten jetzt noch nicht ausspielen. Hier geht es um Strategie und Taktik. Der Landkreis Miesbach wehrt sich seit 1908. Unser Anwalt ist Experte und weiß, worauf er zu achten hat.
Was machen Sie, wenn die Gegenwehr misslingt?
Dr. Alexander Bronisch: Wenn das angestrebte Gebiet gegen alle Einwände als Schutzzone ausgewiesen wird, sind wir bereit, zu klagen.
Was wünschen Sie sich?
Dr. Alexander Bronisch: Dass die Stadt München freiwillig auf die „Alten Rechte“ verzichtet und die Nutzung unseres Wassers nach den jetzt geltenden Gesetzen neu beantragt. Das würde uns allen viel Ärger ersparen, wäre eine vertrauensbildende Maßnahme und könnte das leider vergiftete Verhältnis zwischen Landkreis und Landeshauptstadt auf eine neue, tragfähige und zukunftssichere Grundlage stellen.
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