„Normalerweise verfolgen wir keine Gletscherprise-Diebe“

Eine ganz andere Wirkung als erwartet erzielte ein Rottacher mit einer Dose Schnupftabak. Aufgeputscht hatte er nicht sich, sondern zwei Kassiererinnen.

Im Rottacher Edeka ließ ein 64-Jähriger eine Dose “Gletscherprise” in seiner Hosentasche verschwinden.

Wenige Meter vor der Kasse im Edeka Hammerer in Rottach-Egern steckte ein 64-jähriger Rottacher am 15. April gegen 15:30 Uhr eine Dose Schnupftabak mit dem Namen „Gletscherprise“ in seine Hosentasche. Der Wert: Zwei Euro.

Aus der Innenseite seines Jackets wollte er gerade sein Geld herausholen, als „das Geschrei an der Kasse losging“, wie er heute Vormittag vor dem Miesbacher Amtsgericht als Angeklagter aussagt. Erschienen war er zusammen mit Rechtsanwalt Wolfgang Sparrer.

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„Diebstahl“, riefen die beiden Kasssiererinnen. Er habe keine Schwierigkeiten machen wollen, sagt der 64-Jährige heute, deshalb sei er geblieben. Seine eingepackten Scheiben Schnittwurst, die er ebenfalls habe kaufen wollen, habe er daraufhin sofort zusammen mit der Dose Schnupftabak „auf das Band geschmissen“. Dann sei die Polizei gekommen. Anschließend habe man den Geschäftsführer des Lebensmittelgeschäfts hinzugeholt.

Angeklagter widerruft „Geständnis“

„Sie sollen erst nach der Kasse angesprochen worden sein“, versucht Richter Walter Leitner, die Aussage des Angeklagten zu korrigieren. Das sei definitiv falsch, empört sich der Angeklagte: „Ich war hundertprozentig vor der Kasse. Die Wurst war ja noch nicht bezahlt.“ Mit verschränkten Armen, die Ellenbogen auf den Tisch gestützt, scheint der 64-Jährige bei dieser Aussage auf eine zustimmende Reaktion des Richters zu warten.

„Bei der Polizei liegt aber eine Zeugenaussage vor, Sie hätten „andere Sachen“ an der Kasse bezahlt, aber nicht den Schnupftabak“, erklärt Leitner dem Angeklagten. „Und auch Sie selbst haben zu Protokoll gegeben, den Schnupftabak eingesteckt zu haben, ohne zu bezahlen.“ Dieses Geständnis habe man ihm untergejubelt, entgegnet der Angeklagte. Das Protokoll habe er zwar unterschrieben, aber nicht mehr durchgelesen. Da habe er ganz auf die zuständige Polizistin vertraut.

Ausnahmsweise nüchtern

Ob er zum Tatzeitpunkt alkoholisiert gewesen sei, will Leitner von dem Angeklagten wissen und spielt damit auf eine Verurteilung an, bei der der 64-Jährige wegen Überschreitung der Alkoholgrenze als Radfahrer zu einer Geldstrafe von 200 Euro verurteilt wurde. „Meines Wissens nicht“, windet sich der Angeklagte. „Dieses Mal war ich nüchtern. Ich schließe allerdings nicht aus, ein Bier getrunken zu haben. Aber meistens trinke ich erst abends.“

Wenn er den Diebstahl jetzt zugeben würde, sagt Richter Leitner an den Angeklagten gewandt, könne er sich vorstellen, das Verfahren gegen eine Zahlung von 100 Euro einzustellen. Die Justiz wolle sich schließlich nicht veräppeln lassen, besonders im Hinblick auf die „erfundene Aussage“ bei der Polizei:

Normalerweise verfolgen wir keine “Gletscherprise”-Diebe. Das ist lächerlich.

Nach einer kurzen Besprechung mit seinem Anwalt räumt der Angeklagte die Tat ein. Der 64-Jährige wird zur Zahlung von 100 Euro verurteilt, zahlbar in fünf monatlichen Raten à 20 Euro. Beim Herausgehen verabschiedet er sich mit den Worten: „Auf Wiedersehen – aber möglichst nicht.“

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