Notwehr ohne Not?

Es war ein schwieriger Prozess am Amtsgericht in Miesbach, der zum Schluss nur teilweise Licht ins Dunkel bringen konnte. „Das hätte auch anders ausgehen können“, waren die Worte von Richter Walter Leitner mit denen er dem Angeklagten Valleyer (24) vor Augen führte, was ihm und seinen beiden Kontrahenten hätte passieren können.

Im Amtsgericht Miesbach musste sich gestern ein 24-jähriger Valleyer verantworten.
Im Amtsgericht Miesbach musste sich gestern ein 24-jähriger Valleyer verantworten.

Es sollte eine entspannte Geburtstagsparty werden und endete im Krankenhaus. Drei junge Männer aus Regensburg machten sich am 11.09.2014 auf den Weg zur Diskothek Spinnradl am Spitzingsee. Als sich das Trio in den frühen Morgenstunden des 12.09.2014, gegen 3.15 Uhr auf dem Parkplatz vor der Diskothek befand, kam es zu einer Auseinandersetzung mit weiteren Gästen. Einem der Männer wurde hierbei die Nase angebrochen.

Nach eigener Aussage des Angeklagten aus Valley hätte er die Auseinandersetzung beobachtet und wollte eigentlich nur schlichten. Dabei seien ihn die Männer Mitte 20 massiv angegangen und hätten ihn beleidigt und bedroht.

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Als das Trio dann nicht von ihm ablassen wollten, griff er sich eine Dose Reizgas aus dem Kofferraum seines PKW und sprühte es dem Trio entgegen. Zwei der Männer wurden im Gesicht, sowie an Oberkörper und Haaren getroffen und erlitten infolgedessen schwere Atemwegs- und Bindehautreizungen, die später im Krankenhaus versorgt werden mussten. Nach Aussagen der Geschädigten hatten sie auch noch zwei Tage später gesundheitliche Probleme.

Sechs Zeugen – vier Versionen

Insgesamt sechs Zeugen waren in das Amtsgericht nach Miesbach geladen und schilderten ihre jeweils eigene Version der Geschehnisse. Mal ging der Angriff angeblich vom Angeklagten aus, dann habe sich dieser wiederum lediglich vor Attacken des Regensburger Trios schützen wollen. Mit jedem Zeugen kamen neue Fragezeichen hinzu.

Vor allem die Frage, warum der Angeklagte noch die Zeit gehabt hat, die Kennzeichen seines Wagens abzunehmen bevor die Situation eskalierte und er schließlich mit einem Freund vom Parkplatz davonfuhr, blieb bis zuletzt offen. Nach eigener Aussage wollte er verhindern, dass die Schilder von den umstehenden Gästen fotografiert würden. Für Richter Leitner keine schlüssige Erklärung.

Staatsanwalt fordert Freiheitsstrafe

Vor allem die Staatsanwaltschaft blieb bis zuletzt skeptisch. Bereits in der Anklageschrift war von gefährlicher Körperverletzung mittels eines sogenannten „gefährlichen Werkzeugs“ die Rede. Sie forderte daher auch im Schlussplädoyer eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten und eine Bewährungszeit von drei Jahren. Außerdem sollten dem Valleyer die Kosten des Verfahrens auferlegt werden. Dass der junge Handwerker bereits eine ganze Reihe Straftaten begangen hatte und derzeit bereits auf Bewährung ist, viel umso schwerer ins Gewicht.

Die Verteidigung hingegen plädierte auf Freispruch. Es sei eine Notwehrsituation aufgetreten und der Angeklagte habe lediglich sich selbst schützen wollen. Richter Leitner fand letztlich einen Mittelweg, da ihn die zum Teil widersprüchlichen Vorträge der Geschädigten nicht überzeugen konnten. Es läge hier eine sogenannte Putativnotwehr vor. Dabei geht der Täter irrig davon aus, dass die für Notwehr erforderlichen Voraussetzungen vorlägen.

Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen, der Täter hätte auch weniger drastische Mittel zur Selbstverteidigung einsetzten können. Er verurteilte den Valleyer deshalb zu 70 Tagessätzen á 27 Euro, also insgesamt 1890 Euro Geldstrafe, wegen fahrlässiger Körperverletzung. Außerdem muss er die Kosten des Verfahrens tragen.

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