Ober sticht Unter: Machtlose Gemeinderäte

Vor einem Jahr noch hatte der Ortsplanungsausschuss von Rottach-Egern ein Bauvorhaben in der Enzianstraße einstimmig abgelehnt. Doch wieder, wie so oft, ersetzte das Landratsamt das Einvernehmen. Welche Bedeutung haben eigentlich noch Beschlüsse von Gemeinderäten?

Statt zwei sind nun sieben Wohnungen in einem Neubau an der Enzianstraße geplant. / Foto: K. Wiendl

Die Entscheidung im Mai vergangenen Jahres war einmütig. “Es sind mehrere Punkte, die zur Ablehnung des Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage führen”, stellte Bürgermeister Christian Köck (CSU) unmissverständlich fest. Zwar hatte eine „T.G.S.-Immobilien und Wohnbau GmbH“ mit Sitz in der Rottacher Seestraße 37 den Bauantrag gestellt, aber dort firmiert mit gleicher Geschäftsführerin auch die „Ebster GmbH“. Köck, der ziemlich genervt den Trick durchschaute:

Wer nicht weiß, wer sich hinter dem Antragsteller verbirgt, es ist Herr Ebster.

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Damit war den Gemeinderäten klar, mit wem sie es zu tun hatten: mit einem Bauträger, der im Tal umstritten ist. Dieser hatte für das Grundstück ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten auf 244 Quadratmetern Fläche und der entsprechenden Zahl an Stellplätzen beantragt. Die damalige Ablehnung fußte darauf, dass die Bebauung deutlich größer ausfallen würde, als die auf den Nachbargrundstücken. Auch mehrere Satzungsabweichungen und die Überschreitung der Baulinie seien festgestellt worden. Damit wurde das Bauvorhaben Ebsters einstimmig abgeschmettert.

Dennoch tut sich was in der Enzianstraße. Das Zweifamilienhaus wird abgerissen. Zudem wirbt Ebster statt mit den einst fünf beantragten Wohneinheiten nun sogar mit „sieben großzügig geplanten Eigentumswohnungen“. Was war geschehen, wieso darf der 77-Jährige jetzt doch bauen, wo kommen die zusätzlichen Stellplätze her? Eine Nachfrage bei Köck zeigt, dass die Gemeinde den Kürzeren zog und das Landratsamt wieder einmal das Einvernehmen ersetzte.

Denn laut Köck habe der hinzugezogene Baujurist von einer Klage gegen den Freistaat Bayern vor dem Verwaltungsgericht abgeraten, „weil die Aussichten auf Erfolg aufgrund der bereits vorhandenen Baukörper in diesem Quartier nicht gegeben waren“. Das Landratsamt habe sich gemäß Paragraph 34 auf die umliegende Bebauung bezogen und die Gemeinde überstimmt.

Widerstand aufgegeben

Das Staatliche Bauamt entdeckte „vergleichbare Bezugsfälle in der unmittelbaren Nachbarschaft“, wie Pressesprecher Birger Nemitz auf Nachfrage mitteilt. Zwei Referenz-Objekte hätten sogar eine teils „deutlich größere“ Masse. Danach habe das Landratsamt „die Rechtsauffassung der Regierung von Oberbayern wegen eines Ersetzens des Einvernehmens der Gemeinde abgefragt“. Nach dieser Stellungnahme der Regierung sei die Gemeinde Rottach-Egern am 10. Juli 2017 angehört worden.

„Sie konnte zu dem geplanten Ersetzen des Einvernehmens Stellung nehmen“, so Nemitz. Doch die Gemeinde habe im Juli 2017 weiterhin das Einvernehmen verweigert. Allerdings seien in dem Schreiben an das Landratsamt schon „keine bauplanungsrechtlichen Einwände mehr angeführt“ worden. Die Gemeinde habe laut Nemitz vielmehr nur noch zwei Satzungsverstöße wegen der Vordächer und der Dachfenster bemängelt. Daraufhin habe der Bauwerber erneut Pläne vorgelegt, in denen „diese Mängel geheilt“ waren. Am 8. Januar 2018 sei dann die Baugenehmigung, „die nicht beklagt wurde“ erteilt worden.

Versäumnisse der Vergangenheit

Dies wirft wieder einmal ein Schlaglicht auf das oft zahnlose Bemühen der Kommunen im Tal, der Bauwut im Tal einen Riegel vorzuschieben. Das Landratsamt versteift sich darauf, dass es sich für sein rechtsstaatliches Handeln nicht rechtfertigen müsse. Denn per Gesetz sei festgelegt, an welchen Vorgaben sich neue Bebauungen orientieren müssen. Rechtsnorm sei der Paragraf 34 des Baugesetzbuches. Wenn diese Bestimmungen erfüllt seien, müsse das Landratsamt eine Genehmigung erteilen.

Den Gemeinden legt es ans Herz, Bebauungspläne für mehr Rechtssicherheit aufzustellen. Dies sei in den vergangenen Jahren vielfach versäumt worden. Heute sei es in nahezu lückenlos bebauten Ortsteilen oft sehr schwer, die erforderliche städtebauliche Rechtfertigung noch rechtssicher zu begründen. „Wir treffen keine Entscheidungen nach Gutsherrenart“, so Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) zuletzt in einem ähnlichen Fall.

Sein Vorschlag, um Konflikte zu vermeiden: „Bürgermeister und Bauamtsleiter müssten in ihren Gremien für Beschlüsse sorgen, die mit dem Bauplanungsrecht konform sind.“ So sieht es das Landratsamt. Für eine Gemeinde wie Rottach-Egern, bei der im Monat schon mal zehn und mehr Bauanträge eingehen, ist deren Bewältigung eine Mammutaufgabe, die bei den rechtlichen Finessen der Bauträger oftmals an ihre Grenzen stößt. „Mit unserer Kompetenz alleine ist das nämlich nicht mehr zu schaffen“, hieß es erst kürzlich in einem anderen Bauamt im Tal. Ohne Juristen gehe nichts mehr.

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