Polizei holt Angeklagten an Tankstelle ab

Heinz S. aus Rottach-Egern befand sich vor zwei Jahren in einer schwierigen Lage – sowohl finanziell als auch gesundheitlich. Er wusste keinen anderen Ausweg, als die Unterschrift seiner Frau zu fälschen und Betrug zu begehen. Doch als er sich gestern vor dem Miesbacher Amtsgericht verantworten musste, fehlte jede Spur von ihm.

Der Rottacher Angeklagte Heinz S. wurde an der Agip-Tankstelle von der Polizei abgeholt.

Gescheiterte Firma, gesundheitliche Probleme, Insolvenzverfahren und finanzieller Engpass. Heinz S. aus Rottach-Egern sah nur noch einen Ausweg. Den Versicherungsvertrag seiner getrennt lebenden Frau zu kündigen, ihre Unterschrift zu fälschen und sich die Lebensversicherung auf das gemeinsame Konto auszahlen zu lassen.

Polizei holt den Angeklagten ab

Als er sich deshalb gestern Morgen vor dem Miesbacher Amtsgericht verantworten musste, fehlte allerdings jede Spur von ihm. Seine (Noch-)Ehefrau, die als Zeugin geladen wurde, war ratlos: „Ich weiß nicht wo er ist und erreiche ihn nicht. Normalerweise ist er oft in der Nähe der Agip-Tankstelle in Tegernsee-Süd unterwegs.“ Richter Walter Leitner fackelte nicht lange und meldete der Polizei einen Vorführungsbefehl.

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Wie sich herausstelle, befand sich der Angeklagte tatsächlich an der Tankstelle und wurde wenig später von der Polizei in den Gerichtssaal gebracht. Leitner wollte natürlich wissen, was los war. „Ich befinde mich derzeit in einer finanziellen Lage, in der ich mir nicht mal eine Busfahrkarte nach Miesbach leisten kann. Und meine Frau konnte mich nicht erreichen, weil mein Handy momentan nicht mehr funktioniert.“

Richter Leitner ließ diese Entschuldigung für den Moment gelten und begann das Verfahren. Der Vorwurf: Betrug und Urkundenfälschung. „Die von dem Angeklagten getrennt lebende, geschädigte Karin S. unterhielt bei der geschädigten Deutschen Beamtenversicherung (DBV) einen Lebensversicherungsvertrag“, beginnt die Staatsanwältin die Anklageschrift. 2017 wurde Karin S. mit einem Schreiben der Versicherung über fehlende Beitragszahlungen und eine Kündigungsoption informiert.

Angeklagter gibt alles zu

Heinz S. soll daraufhin ohne das Wissen seiner Frau das Kündigungsschreiben ausgefüllt und in ihrem Namen unterschieben haben. Zu diesem Zeitpunkt seien die beiden zwar noch zusammen gewesen, jedoch habe sich seine Frau nicht mehr regelmäßig in ihrer gemeinsamen Wohnung am Tegernsee aufgehalten. „Wie der Angeklagte wusste, war er von der Geschädigten nicht ermächtigt worden, den Lebensversicherungsvertrag zu kündigen“, so die Staatsanwältin weiter. Insgesamt handelte es sich um eine Summe von rund 27.700 Euro.

Richter Leitner gab dem Angeklagten daraufhin die Möglichkeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern. „Alles, was aufgeführt wurde, stimmt. Mir ist bewusst, dass ich einen Fehler gemacht habe“, räumt Heinz S. von Anfang an ein. Er sei zu diesem Zeitpunkt damals selbständiger Berater im Bereich Inneneinrichtung für Hotels in Salzburg gewesen. „Ich war zuvor angestellt, wollte für mich selbst aber neue Wege gehen. Ich habe jedoch innerhalb eines Jahres nicht einen Auftrag bekommen.“ Mittlerweile habe er auch private und betriebliche Insolvenz gemeldet.

„Hinzu kommt, dass ich gesundheitlich nicht ganz auf dem Dampfer war. Ich war sechs Monate in einer Klinik wegen eines Burnouts.“ Er legte dem Richter hierzu ein Gutachten seiner Ärzte vor. „Ich weiß, dass es nicht richtig war, was ich getan hab.“ Doch er habe finanzielle Verpflichtungen gehabt, die er nicht mehr decken konnte. „Ich habe zu diesem Zeitpunkt keine andere Lösung gesehen.“

Ehefrau geht leer aus

Richter Leitner wollte wissen, für was genau er denn dann die 27.7000 Euro der Lebensversicherung ausgegeben hat. Zunächst sei das gemeinsame Konto knapp 12.000 Euro im Minus gewesen. „Damals hatten wir auch zwei Fahrzeuge. Mit dem Geld habe ich die Anzahlung und die Leasingraten bezahlt, das waren zirka 8.000 Euro. Außerdem habe ich für 6.000 Euro eine Website für meine Firma finanziert.“

„Besteht denn zum jetzigen Zeitpunkt irgendeine Möglichkeit, das Geld an ihre Frau zurückzuzahlen“, so Richter Leitner an den Angeklagten. „Nein, ich hab im Augenblick ein Pfändungskonto und bin arbeitssuchend gemeldet“, erklärt Heinz S. Seine Noch-Ehefrau, die als Zeugin geladen war, verzichtete auf ihr Aussageverweigerungsrecht und wollte sich zu dem Fall äußern. Fast schon verzweifelt erklärt sie gegenüber dem Richter: „Mein Mann ist kein Krimineller, mein Mann ist krank.“ Nachdem sie dem Richter noch einige Details bestätigte wurde die Zeugin wieder entlassen.

Laut Staatsanwaltschaft liege die Strafe für Betrug in Verbindung mit Urkundenfälschung bei bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe. „Zugunsten des Angeklagten spricht, dass er sich geständig und einsichtig gezeigt hat und zur Tatzeit noch nicht vorgeahndet war.“ Jedoch sei der extrem hohe Schaden in Höhe von fast 30.000 Euro zu beachten. Die Staatsanwaltschaft beantrage daher eine Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung und dem Angeklagten die 27.700 Euro und die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Großer Schaden, große Reue

Richter Leitner folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft: „Sie waren uneingeschränkt und mit viel Einsicht geständig. Sie haben sich schuldig gemacht, aber Sie waren nicht der große Betrüger, wie ihre Frau bereits sagte“, so Leitner. Die finanzielle Notlage und gesundheitliche Probleme habe den Angeklagten in diese Situation gebracht. „Aber Sie haben das Vertrauen ihrer Frau missbraucht und so wie es aussieht, ist das Geld weg. Sie haben Schulden ohne Ende und ihre Frau muss sich wohl in die Gläubigerliste ganz hinten eintragen.“

Der Rottacher wurde daher zu einer Freiheitsstrafe von elf Monaten auf Bewährung verurteilt. „27.700 Euro sind kein Pappenstiel. Elf Monate sind da eigentlich nicht die übliche Strafe“, so Leitner. Die Bewährungszeit belaufe sich auf drei Jahre unter Auflage, dem Gericht jeden Wohnsitzwechsel zu melden. Zudem trägt der Angeklagte die Kosten des Verfahrens und die Einziehung eines Wertersatzes von 27.700 Euro wurde angeordnet. „Sie haben heute Reue gezeigt und wir gehen davon aus, dass das ein einmaliger Ausrutscher war“, so der Richter abschließend.

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