Wenn Profit die Architektur bestimmt

Freimütig räumte der Südtiroler Architekt am Freitagnachmittag ein, mit seinem Multi-Millionen-Projekt einer Wiesseer Therme Ende 2012 nicht die ökonomische Effizienz geprüft zu haben. Dafür übernehme er die Schuld. Nun sei Bad Wiessee aber auf dem „richtigen Weg“. Die Planung für das Jodbad habe jetzt, davon ist Thun überzeugt, die richtige Größe.

Wiessees Bürgermeister Peter Höß überreichte Mattheo Thun ein Gastgeschenk.
Wiessees Bürgermeister Peter Höß überreicht Matteo Thun ein Gastgeschenk.

Die notwendige Frischzellenkur für das etwas angestaubte Bad Wiessee, schrieb kürzlich die Süddeutsche Zeitung über den Kurort, lockte am Freitagnachmittag viele Interessierte in die Wandelhalle. Zu sehen gab es eine Ausstellung über Südtiroler Alpenarchitektur, die derzeit auch von Matteo Thun geprägt wird.

Der Südtiroler war auch in Wiessee bemüht, mit einem Thermen-Hotel neue Wege zu gehen. Sein Entwurf von 2012 scheiterte jedoch, weil sich kein Investor fand. Die Gründe dafür sucht Thun auch bei sich selbst:

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Die Komplexität und die Dimension waren schlicht und einfach nicht zielführend, mea culpa. Die ökonomische Nachhaltigkeit war falsch gewichtet.

Nun liege das Ergebnis des Umdenkens vor, mit dem man auf dem „richtigen Weg“ sei. Das neue Jodbad im Badehaus und die Einbeziehung des Badeparks sei auch in der Größe die „geschäftlich beste Lösung“ für Wiessee.

„Das Tegernseer Tal lechzt nach Aktivität und Natur“

Ohnehin stehe über allem die „Profitabilität“, so Thun. „Wir stehen unter einem wahnsinnigen Kostendruck. 90 Prozent unseres Berufes ist Kostendezimierung und nur 10 Prozent Kreativität. Wenn wir alle zusammenhalten, dann können wir mit diesen 10 Prozent vielleicht etwas Gutes machen“ hoffte nicht nur Thun, sondern sicher auch die Sports Medicine Excellence Group (SME), für die der Italiener weitere Sportkliniken projektiert.

Als Schweizer Investor mit dabei Florian Kamelger. Er glaube, das Tegernseer Tal lechze nach Aktivität und Natur. Deshalb investiere sein Unternehmen auch in ein entsprechendes Hotel, „in dem der Gast aktiv Regeneration betreiben soll“. Mit der Sportsclinic biete man ein Funktionsgebäude für ambulante Operationen.

„Im Nachgang dazu geht der Patient in das Fünf-Sterne-Hotel mit etwa 110 Zimmern, wo er seine Reha in kurzer Zeit effizient durchführen kann“, erläuterte Kamelger seine Pläne. Hotel- und Klinikgast sollten ein und dieselbe Behandlung erfahren.

Holz und Glas prägen in Vigilius ein Fünf-Sterne-Hotel von Matteo Thun, wie er es ähnlich auch für Bad Wiessee plant.
Holz und Glas prägen in Vigilius ein Fünf-Sterne-Hotel von Matteo Thun,
wie er es ähnlich auch für Bad Wiessee plant.

„Wir bauen derzeit vier Krankenhäuser, die sich kaum von einem Hotel unterscheiden“, ergänzte Thun. „Wenn ich krank bin, will ich in einem Krankenhaus nicht noch kränker werden“. Deshalb wolle er nun mit dem Westflügel des neuen Klinikhotels in Wiessee mit SME den Versuch starten, die Reha in einer schöneren Atmosphäre schneller zu ermöglichen.

Wandelhalle bleibt Dreh- und Angelpunkt

Für Thun aber steht und fällt das Projekt mit der Wandelhalle. Als „historische Vorgabe“ sei sie der Motor, ohne sie gebe es keine Zukunft. Ihr Kapital sei der Ausblick zum See. „Das ist das Schönste, was der Alpenraum bietet“. Hier würde er gerne alt werden. Die Wandelhalle sollte deshalb mit Eventbereich und Restaurant ganzjährig geöffnet sein. „Denn wir glauben, dass wir durch den Motor Sportsclinic eine durchgehende Saison haben werden“, hofften Thun und Kamelger gleichermaßen.

Da SME bereits eine Sportsclinic dieser Art in St. Moritz betreibe, habe man auch erste wirtschaftliche Ergebnisse, so Thun. Die Auslastung dort liege bei 80 Prozent. „Wenn wir in Wiessee nur 70 Prozent erreichen würden, dann wären wir finanzieller Weltmeister“, stellte der Architekt Bürgermeister Höß und etlichen seiner anwesenden Gemeinderäte in Aussicht.

Abschied vom „Mammut“ Therme

Wenig erfuhren sie jedoch über die künftige Fassadengestaltung des Klinikhotels. Diese sei noch nicht „ausgegoren“, daran werde noch gefeilt. Zum neuen Badehaus beglückwünschte er die Anwesenden, nachdem sich Wiessee „von dem Mammut verabschiedet“ habe und es jetzt selbst baue. Dies erstaunte so manchen der zahlreich erschienen Gäste, denn Matteo Thun war es, der vor Jahren noch für den Mammut Thermenkomplex vehement warb.

Die neue Therme sollte damals ein „Alleinstellungsmerkmal für das ganze Tegernseer Tal“ werden. Nun gab sich Thun bescheidener: „Das Badehaus wird ein Kleinod“. In ihm sollte „ausschließlich Lärchenholz verlegt sein, dies bringe ein monolithisches Erlebnis, das Leichtigkeit kommuniziere“, rät er den Gemeindevätern.

Derzeit
Derzeit findet in der Wandelhalle eine Ausstellung zum Thema Alpen Architektur statt.

Zuvor warb die Bozener Architektin Susanne Waiz für Ihre Ausstellung „Alpen Architektur Tourismus am Beispiel Südtirols“. Mit Hinweis auf die Dolomiten zeigte sie, dass der Tourismus wie kein anderer Wirtschaftszweig die Landschaft verdrängt habe.

Mit rigiden Bauvorschriften versucht man ein Klischee zu erhalten, dessen kleinster gemeinsamer Nenner das Tiroler-Haus ist, eine Festtags-Uniform für Tourismusbauten.

Wer sich davon distanziere, brauche Selbstbewusstsein und Durchhaltevermögen, schreibt Waiz im Ausstellungskatalog und erklärt: „Auch ohne Bauernhausverschnitt bekommt man sein Haus voll“.

Bleibt die Frage, wer sich von den zahlreich erschienenen Bauträgern, Investoren, Orts- und Kreisbaumeistern und Bürgermeistern in der Wandelhalle angesprochen fühlte.

Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, 10. April, täglich von 15 bis 18 Uhr geöffnet.

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