Quo vadis Musikszene Tegernseer Tal?

Zu Beginn sind die Ziele groß. Die Motivation ist ungebrochen. Alle Musiker träumen davon, einmal Konzerthallen zu füllen und Charthits zu landen oder einfach nur das Publikum tanzen zu sehen. Am Tegernsee ist das ein bisschen anders: Bands, die sich im Tegernseer Tal gründen, stehen schon zum Start vor Problemen, die der Träumerei schnell ein Ende setzen können.

Es gibt keine ausgestatteten Proberäume am See. Wer kein Equipment hat, kann keine Musik machen. Und wer selbst in Verstärker, Mikrofone und andere teure Ausstattung investiert, muss sich trotz allem noch nach privaten Räumlichkeiten oder ungenutzten Kellern umschauen, um überhaupt mit der ersten Probe beginnen zu können.

So erging es auch dem Bad Wiesseer Schlagzeuger Marlon Brugger mit der Band „The Educated Bums“. Einen Proberaum haben sie inzwischen selbst organisiert und stehen vor dem nächsten Problem: einige Titel sind inzwischen einstudiert. Und jetzt? Wo soll die Band vor Publikum auftreten?

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Am liebsten wäre ihnen natürlich ein Auftritt ganz in der Nähe, rund um den Tegernsee, damit Freunde und Bekannte problemlos dabei sein können. Am Tegernsee gibt es aber keine Lokale und auch keine Bars, die Interesse an Livemusik junger Bands haben und über die entsprechenden Flächen verfügen.

Eine echte Marktlücke, finden Brugger und Stephan Mundi, Sänger der Funk & Soul Formation “Bairischer Rundfank”: „Viele Barbesitzer sind vielleicht einfach noch nicht auf die Idee gekommen, mal etwas Neues auszuprobieren“, denkt Brugger. „Ein klare Positionierung als Musikbar oder -café birgt riesiges Potenzial“, schließt sich Mundi dieser Meinung an. „Wenn ich das nötige Kapital hätte, würde ich sofort am Tegernsee eine derartige Bar eröffnen.“

Tradition vor Moderne?

Am Tegernsee zählt bisher eher die Tradition: In Biergärten wird bayerische Musik dargeboten. Genauso auf Wald- und Seefesten. In vielen Orten rund um den See spielt man traditionelle bayerische Musik – oder vielleicht tritt noch das Kurorchesters Bad Wiessee auf.

In den Nachbarlandkreisen sieht das schon anders aus. In Bad Tölz gibt es zum Beispiel das Lokal „Gasthaus“, das für kleinere Konzerte oder „Jam-Sessions“, bei denen Musiker verschiedener Bands miteinander Lieder improvisieren, zur Verfügung steht und regelmäßig sehr gut besucht ist. Ein anderes Beispiel ist das Kulturhaus „Weyhalla“ in Weyarn. Nachwuchsbands aus der Region spielen dort oft im Vorprogramm von Profimusikern. Die Resonanz ist auch dort beeindruckend.

Ende August: Während der Pause des "Bairischen Rundfank" in Seeglas (Gmund)

Im Tegernseer Tal gab es bis vor einigen Jahren eine ähnliche Lokalität wie in Bad Tölz das „Gasthaus“, erinnern sich Brugger und Mundi: „Das Bogtrotter in Rottach-Egern.“ Doch seit die Lokalität und Pächter Jeffrey Gelling 2005 nach Bad Aibling umgezogen sind, gäbe es am Tegernsee nichts Vergleichbares mehr.

„Keine Barbesitzer oder Pächter hatten danach noch ein regelmäßiges Interesse daran gehabt, dass hin und wieder, zum Beispiel einmal im Monat oder vielleicht sogar alle zwei Wochen, ein musikalisches Highlight stattfindet“, sagt Brugger.

Auch am Tegernsee klappt es nicht mit jeder Musikrichtung

Dabei ist das unternehmerische Risiko für die Lokalbesitzer überschaubar. Die Bands bekommen meistens keinen oder nur einen geringen vorher vereinbarten Fixbetrag. Normalerweise ergibt sich die Gage durch die Eintritt zahlenden Gäste: Kommt niemand, gibt es auch kein Geld.

Die Bandmitglieder kümmern sich darum meist selbst um die Vermarktung und Bewerbung des Auftritts, um so selbst möglichst viel zu verdienen. Der Bar oder dem Lokal bleibt der Getränke- und Speiseumsatz und/oder ein Teil des Eintritts. Eigentlich ein Win-Win-Geschäft.

Dass man am Tegernsee aber nicht mit jeder Musik den Laden vollbekommt, musste auch Stephan Mundi mit seinen ehemaligen Bands am eigenen Leib erfahren. „Coversongs oder z.B. härtere Rockmusik kommen vielleicht bei den Musikern selbst am besten an, das große breite Publikum lässt sich mit diesen Musikrichtungen am Tegernsee und allgemein in diesen Regionen aber nicht mehr erreichen.“.

Als ich dann vor zwei Jahren beim „Bairischen Rundfank“ als Sänger eingestiegen
bin, war ich sehr skeptisch, ob wir mit der Musikrichtung Funk und Soul bei den Zuhörern ankommen werden. Die Resonanz auf diese Art Musik, speziell mit bayerischen Texten, war dann einfach überwältigend. Plötzlich tanzten die Leute und die komplette Stimmung bei Gigs ist einfach positiv und enorm mitreißend.

Inzwischen ist Mundi mit seinen Inntaler Bandkollegen in ganz Bayern unterwegs. Daß sich auch in der Heimat was getan hat, freut Mundi aber am meisten. Das letzte Konzert im August in Seeglas (Gmund) hat es bewiesen: Das Interesse der Tal-Bevölkerung, Livekonzerte zu besuchen, ist also da.

Marlon Brugger (2. von links) mit seiner Band „The Educated Bums“

„Auch die ,The Educated Bums‘, haben nach der Gründung vor vier Jahren viel Lehrgeld bezahlt und es seitdem nur peu à peu geschafft, uns bis heute einen Namen im Landkreis zu machen. Jetzt werden wir regelmäßig von Veranstaltern gebucht, haben u.a. im Juli bei der Graduierungsfeier der Berufsschule Miesbach in Bad Wiessee im Hotel zur Post oder beim Sommerfest des Gymnasiums Tegernsee Auftritte gehabt“, freut sich Brugger über die positive Entwicklung seiner Band. Ein erstes eigenes Funkalbum soll demnächst folgen.

Die Motivation der beiden Tegernseer Musiker und ihrer Bands ist weiterhin ungebrochen, und wer weiß: Vielleicht füllen sie tatsächlich irgendwann einmal Konzerthallen oder landen einen Charthit. Aber vor allem über den ein oder anderen Auftritt in ihrer Heimat am Tegernsee würden sie sich sehr freuen – wenn denn die Chance dazu kommt.

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