Rottach-Egern
Radelt Rottach ins Glück?

Aufs Radl schwangen sich gestern Lokalpolitik, der Deutsche Fahrradclub Bayern und die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommunen Bayern. Sie prüfte gestern, wie fahrradfreundlich Rottach-Egern in den letzten vier Jahren geworden ist.

popperweise radeln 2024
Erste Station: Popperwiese. Hier entstehen gerade Ladeplätze für E-Bikes. Foto: Redaktion

Seit vier Jahren bemüht sich Rottach-Egern um die Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommunen (AGFK). Gestern hat die AGFK Bayern eine Empfehlung zur Zertifizierung ausgesprochen. Davor will die AGFK Bayern wissen, wie es mit dem “Alltagsradverkehr” aussieht und “was sich so getan hat”, so Holger Schmidt, der für die AGFK Bayern in der Jury sitzt.

Radltour als Prüfung

Der Radverkehrsbeauftragte Christian Stadler hat an alles gedacht: Wer keinen Drahtesel hat, bekommt von der Gemeinde ein Leihbike. Dazu Helm und gelbe Warnweste. In der heutigen Radsportgruppe sind Bürgermeister, Christian Köck, der Bundestagsabgeordnete, Alexander Radwan, Baurätin, Birgit Zehetmaier, Mitarbeiter vom Landratsamt, Radexperten vom AGFK und ADFC, Polizei und Bürgerinnen vereint.

Los geht es am Seeforum in Rottach-Egern. Dann radeln um die Dutzend Menschen die Seestraße hinter bis zur Popperwiese. Morgens um halb zehn fahren auf der schmalen Seestraße wenig Autos. Es ist perfektes Radlwetter, die Sonne lacht und die Temperaturen sind mild.

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seeforum rottach egern
Etwas luftiger ist es hier neben den Pflanzenkisten geworden und es wird noch nachgepflastert und eingefärbt. Radler und Fußgänger sollen die Wege dann gemeinsam nutzen. Foto: Redaktion

Mehr Aufladestationen, mehr Platz fürs Rad

Immer wieder hält die Radlgruppe an wichtigen Punkten. An der Popperwiese, an der Bundesstraße, am Kindergarten, am Sportplatz, … Auf dem Parkplatz vor der Popperwiese hat die Gemeinde eine Aufladestation für E-Bikes geplant, ein Großteil der Infrastruktur steht schon. Weil die Gemeinde auch wissen will, was ihre Bürgerinnen und Bürger von der angehenden Rad-Infrastruktur halten, gibt es an der Zapfsäule einen “Mängelmelder”. Die westliche Bushaltestelle Weißach-Brücke wurde mit 16 Radständer zum Testen ausgerüstet. Wenn das gut angenommen wird, sollen weitere Bushaltestellen mit Radl-Infrastruktur folgen, so Stadler.

Genau hier, wo die Fürstenstraße auf die Bundesstraße trifft, wird es eng für die Radler. Pro Tag rattern hier an die 15.000 Autos vorbei. Tieflader rumpeln aus der Hofbauernstraße gegenüber, Busse parken ein und aus, aus der Fürstenstraße fahren Autos. Manche wollen nach links, andere nach rechts. Der großzügige Links-Abbiegestreifen direkt hinter Brücke Richtung Kreuth, suggeriert schnell eine Dreispurigkeit. Trauen sich hier Ungeübte auf die Straße? Der Verkehrspolizist erläutert: “Kinder gehen über die Ampel oder durch die Unterführung an der Weißach hindurch.” Das sei zwar inoffiziell, so der Polizist, aber …

Baurätin Zehetmaier regt mit Blick auf die Verkehrssituation an, aus der Linksabbiegespur einen Radweg zu machen und den rot einzufärben. Ihr Credo: Brauche ich diesen ganzen Straßenraum oder kann ich da was anderes schaffen? Doch so ein Radweg braucht Platz auch Richtung Ortsmitte. Nicht alle dafür nötigen Abschnitte sind im Besitz der Gemeinde. Die Verhandlungen sind zeit- und vor allem kostenintensiv. Um zwei Meter sei der Plan an einem Grundstückseigentümer gescheitert, so Christian Köck. Planerisch liegt der Ball übrigens beim Landratsamt und Straßenbauamt Rosenheim, weil es sich um eine Bundesstraße handelt, die scheinen da aber d’accord zu sein.

Eltern, die ihre Kinder mit dem Rad in den Kindergarten bringen oder im Ort einen Termin haben, sind von Piktogrammen vermutlich weniger beeindruckt sein. Viele weichen auf den Gehweg aus. Nicht jeder hat Zeit für den Umweg Seepromenade. Zur Bringzeit vor dem Kindergarten herrscht Verkehrschaos. Eltern nehmen auch den Strafzettel in Kauf, wenn es darum geht, die Sprösslinge zu ringen. Der Radparkplatz direkt vor der Tür ist um 8.00 Uhr oft zugeparkt.

Dass das ein Problem sei, scheint der Gemeinde bewusst, die ein kurzes Stück Testfahrt an der Rathaus-Baustelle einplant. Schließlich wolle man sich nicht verstecken. Ein Radverkehrskonzept gibt es, ein Radelnetz ist in Arbeit, ein talübergreifendes Positionspapier ebenso. Denn Radfahren rund um den Tegernsee geht nur übergreifend. Die Absprachen unter den Gemeinden sollen gut sein. Nadelöhr ist die Stadt Tegernsee, die wegen ihrer geografischen Lage – Berg und See drängen von beiden Seiten auf die Hauptstraße – bei Radlern wie Radexpertinnen nicht gut wegkommt.

Sichtbarmachen, Kennzeichnen, miteinander reden

Heute geht es viel um Stellplätze, Querungshilfen, Beschilderungen, Piktogramme, also Fahrradkennzeichen direkt auf der Straße. Gibt es zunehmend auch in Rottach-Egern, ebenso einen Miteinander-Weg am Sportplatz. Das ist Stadler besonders wichtig, weil er überzeugt ist, dass man sich die Wege gut teilen kann, wenn alle fair bleiben. Insgesamt bekommt Rottach ein gutes Zeugnis ausgestellt und viel Lob von der Bewertungskommission, die aus AGFK, ADFC Bayern und dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr besteht.

Die AGFK bewertet unter anderem die kommunalpolitische Zielsetzung, die fahrradfreundliche Infrastruktur, ein fahrradfreundliches Klima und Service-Angebote für Radler. Die Auszeichnung als “fahrradfreundliche Kommune” wird vom Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr voraussichtlich im Januar verliehen. An der Spitze der Radlfreundlichkeit im Tal ist übrigens Gmund, die haben schon 2019 angefangen mehr aufs Rad zu setzen. Seit 2023 ist Gmund als radlfreundliche Kommune zertifiziert. Bad Wiessee strampelt nächste Woche um seine Zertifizierung.

Umfrage ADFC

Können Sie nicht nachvollziehen? Hier gehts zur Seite des Fahrradbeauftragten, der sich über Feedback freut. Und hier zum ADFC-Fahrradklima-Test.

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