Die Innenstadt von Tegernsee ist zum Radeln durchaus herausfordernd. Das will die Stadt nun ändern und hat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.
Die Kleinstadt am Osthang des Tegernseer Tals macht das Radfahren nicht leicht. Radelt man von Norden, mündet der bis dahin breite Radweg in eine verkehrstechnische Hummerreuse. Mal behindert die Radfahrerin ein Hauseingang, mal radelt man unsicher um die parkenden Autos an der Seesauna vorbei. Auf Höhe der Guggemos-Ruine wird es brenzlig – spätestens wenn dort ein LKW, ein SUV, Fußgänger und Radler zusammentreffen. Die Stadt Tegernsee will dem Radl-Horror etwas entgegensetzen. Deswegen hat sie bei einem Münchner Ingenieurbüro eine Machbarkeitsstudie für einen Radweg zwischen Hochfeldtstraße und Schloßplatz angefordert. Heraus kam ein Kompromiss.
Mehr als 13 000 Fahrzeuge muss die Bundesstraße 307 und deren Anwohner jeden Tag in Tegernsee ertragen. Die verteilen sich natürlich nicht brav über den Tag, sondern klumpen sich zu den Stoßzeiten. Ergo: Weniger Platz und Luft für andere Verkehrsteilnehmer. Achim Ignatow, vom Ingenieurbüro ING-West aus München, stellt am Dienstagabend im Stadtrat die Ergebnisse seiner Studie vor. Zuerst die Fakten: Drei Radwege-Versionen sind einsetzbar.
- Der klassische Radweg: baulich durch einen Bordstein von der Fahrbahn abgegrenzt.
- Der Radfahrstreifen: ein für den Radfahrer benutzungspflichtiger Sonderfahrstreifen. Er darf vom Kraftverkehr nicht in Längsrichtung befahren werden.
- Schutzstreifen: Sie werden im Randbereich der Fahrbahn mit einer Markierung kenntlich gemacht. Sie dürfen zur Not in Längsrichtung überfahren werden, verdeutlichen dem Kraftfahrer aber auch den erforderlichen Sicherheitsabstand beim Überholen. Der Tal-Radler kennt diese Markierung aus Gmund und Bad Wiessee. Schnell machte Ignatow klar: durchgehend Radwege auf beiden Seiten der Bundesstraße seien nicht möglich. Es fehle schlicht der Platz. Der erste Kompromiss: Er schlug eine Sicherung nur von Nord (Gmund) nach Süd (Rottach-Egern) vor. Zweiter Kompromiss: Weil ein durchgehend abgegrenzter Radweg nicht möglich ist, wird es ein Mix: Mal wird es ein klassischer Radweg sein, mal werden nur Schutzstreifen leuchten.
Flickwerk oder kluger Kompromiss?
Konkret: Von Norden kommend könnte ein baulich abgesetzter Radweg bis zur August-Macke-Anlage hergestellt werden. 20 Meter vor der ersten Überquerungsstelle (Höhe Hauptstraße 23) muss der Radweg dann gesichert auf die Fahrbahn geleitet und im Schutzstreifen geführt werden. Der Streifen setzt sich dann bis hinter die Alpbach-Brücke fort. Hier könnte er dann wieder in einen eigenen Radweg oder Radfahrstreifen übergehen. Nachteil: Dafür müssen im Bereich zwischen Alpbach und Rathaus die Längsparkplätze seeseitig entfallen. Vom Rathaus an wird der Radverkehr auf der Fahrbahn im Schutzstreifen geführt. Damit können die Mittelinseln in der Fahrbahn im Bereich Rathaus und Schiffsanlege-Stelle erhalten bleiben. So soll es bis zum Planungsendpunkt Schloßplatz gehen.
Ein erster Wurf. Aber die Mehrheit des Gremiums ist schon zufrieden. Immerhin ein paar kritische Fragen werden laut. Michael Bourjau kann sich nicht mit der One-Way-Situation anfreunden. “Manche Radler fahren eiskalt von Süden kommend auf der falschen Seite”, ist er sich sicher. Bürgermeister Johannes Hagn nickt resigniert. “Dennoch müssen wir etwas anbieten. Die Verrückten werden wir nicht los.”
Bourjau will wissen, was so eine Veränderung koste und von welchen Zeitspannen dann zu reden sei. Und spätestens jetzt wird es haarig: Bauamtsleiterin Bettina Koch erinnert daran, dass das Straßenbauamt die B307 eh sanieren wolle, aber noch kein Zeitfenster dafür vorgesehen habe. Zudem müsse die Stadt noch Leitungen legen und der Guggemos-Umbau stünde auch an. Alles in einem Rutsch? Bürgermeister Hagn schüttelt den Kopf. “Dann haben wir einen Sommer lang hier nur eine Riesenbaustelle. Unmöglich.”
Piktogramme statt Schutzstreifen?
Andreas Obermüller von der FWG will alles etwas kleiner haben, findet Schutzstreifen unnötig und kann mit blauen Piktogrammen auf der Straße leben. Florian Kohler (Bürgerliste), selbst passionierter Radfahrer, fordert erst einmal eine Kostenschätzung. Er gibt zu bedenken, dass so eine zusätzliche Sicherung für Radler womöglich mehr Tagestouristen anlocken könnte. Dem widersprach Markus Schertler von der CSU: “Es ist zwar ein Kompromiss, aber wir wollten immer, dass sich die Situation ändert. Das ist jetzt erst einmal eine erste Machbarkeitsprüfung. Darauf kann man doch aufsetzen”, war er sich sicher. So sahen es auch Barbara Staudacher (Grüne) und Thomas Mandl (SPD), die schon länger mehr Schutz für Radler forderten. “Wir haben immer gehört, dass es angesichts der örtlichen Gegebenheiten nicht lohne, Radwege auszubauen. Jetzt ist doch damit der erste Schritt getan”, fand Staudacher.
Mandl regt zudem eine Süd-Nord-Lösung an, die man vielleicht vom Gymnasium über die Bahnhofstraße und weiter auf die Hochfeldstraße leiten könne. Der Bürgermeister nahm das auf, zog Mandl aber schnell den Zahn: “Die Leute wollen möglichst nah am See fahren, eine Umleitung werden die nicht annehmen.”
In die Zukunft bummeln
Nun will der Stadtrat in die Detailplanung gehen. Schließlich müssen bei diesen Baumaßnahmen viele Fragen, wie beispielsweise die des Parkraums, geklärt werden. Speziell die Frage, wie man die Situation an der Seesauna verändert, liegt dann auf dem Tisch. Hagn präferierte in der Sitzung eine Lösung, die eine Online-Reservierung für Eintritt und Parkraum vorsieht. So könne man die Warteschlangen vor der Schranke verhindern. Es wird also noch etwas dauern, bis man halbwegs sicher um den See mit dem Rad fahren kann. In Tegernsee nimmt man sich eben Zeit dafür.
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