Bürgerversammlung in Rottach-Egern: So geht Demokratie
Rathaus-Träume sachlich wegmoderiert

Seeforum, letzten Donnerstag: 150 Leute sind der Einladung von Bürgermeister Christian Köck zur Bürgerversammlung gefolgt. Endlich wieder Beisammensein und sich austauschen – oder halt streiten. Hauptkonflikt: Der Rathaus-Neubau.

Stefan Berghammer (mit Mikro), Marco Zimmermann rechts. Beide von der Förder- und Schutzgemeinschaft Rottach-Egern.

Christian Köck weiß den Gemeinderat und weite Teile des Publikums hinter sich, als er nach einer guten Stunde die Fragen und Anträge der Bürgerversammlung Rottach-Egern beantwortet. Gleich am Eingang das Grüppchen um Stefan Berghammer, Nebenerwerbsbauer und Ferienwohnungsvermieter. Sie stemmen sich gegen einen Neubau des Rathauses, Köcks wohl größtes Projekt in seiner Amtszeit als Bürgermeister.

Transparenz statt Hinterzimmer

Immer wieder nörgeln wir über Politik, “die da oben”. Aber gern vergessen wir, wie transparent, wie nahbar eben diese demokratische Politik zumindest auf lokaler Ebene sein kann und muss. Wie Christian Köck sein vergangenes Arbeitsjahr erklärt, rechtfertigt und einordnet, da ist wenig Raum für Hinterzimmer-Verschwörungen. Der Bürgermeister legt alles vor (bzw. warf es “digital” an die Wand): ob anstehende Straßensanierungen, Wohnraum für Familien oder Anschaffungen für den Bauhof. Auf den Tischen lagen zudem Ausdrucke mit den Kennzahlen der Gemeinde bzw. des Haushalts. Nach zwei Ehrungen für verdiente Bürgerinnen und Bürger, Albert Meier für 24 Jahre Skiclub-Ehrenamt und Emil Pehl für 27 Jahre Leitung Wasserversorgung, ging es zu den Fragen und Anträgen aus der Bevölkerung.

Der Saal war mit ca. 150 Menschen gut gefüllt, Alt-Bürgermeister und aktuelle Gemeinderäte waren ebenfalls anwesend.

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Emil Pehl (Mitte), geehrt für 27 Jahre Leitung Wasserversorgungsverein Egern e.V.

Das Thema “Neubau Rathaus” soll nach dem Willen der kleinen Gruppe noch einmal elektrisieren. Stefan Berghammer spricht. Mit ruhiger, fast sanfter Stimme trug er seine Fragen vor. Die haben es in sich: “Das Rathaus gehört nicht dem Bürgermeister, nicht dem Gemeinderat, das ist unser aller Rathaus”, erklärte er. Eine Tatsache, die niemand infrage gestellt hat.

Besser sanieren als neu bauen. Stefan Berghammer

Neben ihm sein Mitstreiter, Alexander Zimmermann, und vielleicht fünf weitere Mitstreiter. Berghammer wird konkreter: “Bei der Abstimmung im Gemeinderat ist man noch für sieben Millionen Euro Baukosten ausgegangen. Warum? Sind es jetzt schon zwölf Millionen Euro? Sollte nicht eine neue Abstimmung im Gemeinderat dazu stattfinden?” Überhaupt, man könne doch besser sanieren. Käme der Gemeinde das nicht billiger als ein großer Neubau?

Ringen um den Turm. Ein Wahrzeichen Rottach-Egerns? Quelle / Archiv

Zudem sei der Uhrturm ein Wahrzeichen, den viele erhalten möchten. All das war nicht neu. Berghammer und Zimmermann haben sich in den vergangenen Wochen bemüht (mithilfe verschiedener Medien), die Sanierungsalternative als gleichwertige Alternative neben den Neubau zu setzen …

Köck erklärt, eine Sanierung könne wesentlich teurer werden. Er erinnert an das Projekt Seeforum, bei der der Umbau erheblich teuer wurde. Zudem habe die Machbarkeitsstudie klar die Richtung für einen Neubau vorgegeben. Schließlich warnte Köck Berghammer davor, falsche Zahlen in den öffentlichen Raum zu geben.

Köck ging der Almdudler aus – und Zustimmung gab es vom Gemeinderat

Unterstützung bekommt er von einer Frau aus dem Publikum. Sie glaubt zu wissen, wie beliebt der Turm und die Fassade als Fotomotiv bei vielen Touristinnen sei. Spätestens hier bemerkt der Beobachter einen leichten Unmut beim Rest des Publikums. Köck bleibt weiter ruhig (auch wenn ihm der Almdudler ausging, und er um Wasser bitten musste), und wiederholt die Fakten:  Das Rathaus sei nie als solches geplant worden. Es sei ein Gästehaus aus dem vorletzten Jahrhundert. Der Uhrturm kam 1959 dazu. Das Gebäude selbst sei nicht nur baufällig und somit für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine Zumutung. Es erfülle mannigfaltige Anforderungen nicht, z. B. Barrierefreiheit. Hübsch sei der Bau allenfalls von der Hauptstraße aus. Der Rest ist Schrott.”Seit 20 Jahren schieben wir das Thema vor uns her. Es ist Zeit, dass wir das anpacken”, erklärt Köck.

Die dritte Bürgermeisterin, Gabriele Schultes-Jakolla (FWG), als auch Thomas Tomaschek von den Grünen stimmten dem Bürgermeister zu in seinen Ausführungen. Sie bitten in ihren Beiträgen um mehr Vertrauen und vor allem um Geduld.

Irgendwann war die Luft raus

Die Berghammer-Truppe kam zum Ende mit dem Oldie der außerparlamentarischen Oppositionen dieser Welt: “Wir wollen als Bürger mehr an der Entwicklung des Projekts beteiligt werden.” Mächtiges Augenrollen im Publikum und auch am Tisch der Gemeinderäte. Demokratie als Stuhlkreis, in dem jeder seine Befindlichkeit artikulieren kann und sie auch im Projekt wiederfindet. Das funktioniert bei Facebook und Telegram, aber weniger im kommunalen Alltag.

Irgendwann, etwa gegen 22 Uhr, ist die Luft raus. Die Leute haben genug gehört, wollen heim. Christian Köck verspricht: “Sobald wir etwas Vorzeigbares haben, nehmen wir uns einen Abend Zeit”, und kündigt eine gesonderte Bürgerversammlung an.

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