Von Dämonen und Stubenhockern

Neben historisch belegbaren Fakten, die die Geschichte des Tals beschreiben, existieren diverse Mythen und Sagen rund um den See. Heute: Die Raunächte – kurz gesagt die Tage zwischen dem Weihnachtsfest und Drei König oder gute Zeiten für Waschfaule.

Der geneigte Esoteriker wird sie kennen. Das Tor zur Welt der Dämonen, Geistern und den üblichen verstorbenen Seelen steht offen.

Die Raunächte im Tal – hier leider nur ein Archivbild, da es heuer wenig rau ist.
Die Raunächte im Tal. Hier leider nur ein Archivbild, da es heuer wenig rau ist.

Die Zeit zwischen den Jahren war seit jeher für Außergewöhnliches geeignet. Schon immer versuchten die Menschen, das Jahr in Tage und Stunden zu begrenzen. Einige orientierten ihre Kalender an der Sonne, andere am Mond. Die Differenz zwischen beiden beträgt zwölf Tage: die Raunächte.

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Aber was hat es mit dem Begriff „zwischen den Jahren“ auf sich? Vor der Einführung des gregorianischen Kalenders im 16. Jahrhundert feierten die Menschen den Jahreswechsel am 6. Januar. Damit war nach Einführung Schluss. Zumindest in den katholischen Gebieten. Dickköpfige Protestanten hielten noch Jahre am alten julianischen Kalender fest. Die Differenz zwischen beiden Kalendern nannten die Menschen „zwischen den Jahren“.

In der Tradition der Silvesterkracher

Die Tage nach Weihnachten waren hier im Oberland besonders. Die Arbeit wurde in früheren Zeiten eingestellt. Man saß beieinander. Der Winter zwang die Menschen hinein in die Stube, während draußen Kälte und Schnee regierten. Anders heute, wo man sich angesichts hoher Temperaturen eher einen Sonnenbrand zuzieht, war man noch vor hundert Jahren sicher, dass in den Raunächten besondere Kräfte herrschten.

Mistgabeln wurden versteckt, weil man glaubte, dass sie sich selbstständig machen könnten. Wäsche wurde nicht gewaschen und vor allem nicht aufgehängt, weil die ängstliche Bäuerin fürchtete, damit den eigenen Tod zu beschleunigen: Böse Geister-Reiter würden die Wäsche mitnehmen und sie als Leichentuch im nächsten Jahr zurückbringen. Da wusch man lieber in der Vorweihnachtswoche, bis das Blut aus den Fingernägeln spritzte.

In der zweiten Hälfte der zwölftägigen Stubenhockerei wurden das Haus und der Stall ausgeräuchert. Wer das Geld hatte, nahm Weihrauch. Andere verbrannten schnödes Tannenharz. Auch damit wollte man die Geister vertreiben. Die Tradition unseres Silvesterfeuerwerks stammt aus dieser Zeit, budgetseitig mittlerweile sicher ein wenig aus dem Ruder gelaufen.

christkindlmarkt perchten breit

Damit die umfangreichen Regeln auch „alle eingehalten wurden“, die Menschen ihre Wäsche bei sich hielten und brav waren, kamen kurz vor Dreikönig die Perchten. Heute ziehen herrenlose Österreicher mit Masken und muffeligen Fellen über die Dörfer, erschrecken Kinder und kassieren vom Tourismusverband.

Noch vor wenigen Jahrhunderten aber war diese Gruppe ein wichtiger Ordnungsfaktor im Alpenraum, eine neben der öffentlichen Macht existierende Regulierung. Die Perchten, aufgeteilt in gute Schönperchten und schlechte Schiachperchten, gingen von Haus zu Haus mit Glocken und anderen Krachmachern, kontrollierten, bekamen einen Selbstgebrannten und trieben mit ihren wilden Tänzen im Vorbeigehen auch den Winter aus.

Haltestellen des Alltagslebens

An Dreikönig war es mit dem Spuk dann vorbei. Die Tage wurden immer länger, die Arbeitstage begannen, Holzauktionen wurden vorbereitet und fanden Ende Januar statt. Denn meist wurde noch im Herbst und Winter das Holz in den Wäldern geschlagen, weil es zu diesem Zeitpunkt den geringsten Saft trug. Die Geister verschwanden, das Jahr begann.

Heute haben wir das Gefühl für solche Haltestellen des Alltagslebens verloren. Unser Wirtschafts- und Vergnügungssystem verlangt nach durchgehenden, immer abrufbaren Tätigkeiten. Innehalten ist da fehl am Platze. Im Gegenteil: In vielen Familien sind die gemeinsamen Tage Belastung, hockt man doch zu lange auf einem Platz und hat sich wenig zu erzählen. Aber vielleicht zählt man mal die Wäschestücke durch …

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