Rottacherin bringt Nationalpark-Chefs in Bedrängnis

Zunächst hatte die Tegernseer Stimme über den schaurigen Fund von verendeten Hirschkälbern am Königssee berichtet. Sie wurden nach der Schneeschmelze von der Rottacherin Christine Miller entdeckt. In einem Bericht des BR Magazins „Quer“ werden nun schwere Vorwürfe von Berufsjägern gegen den Nationalpark Berchtesgaden erhoben.

Von links: Christine Miller und Herzogin Helene in Bayern gründeten 2015 den Verein „Wildes Bayern e.V.“ (Archivbild v. Klaus Wiendl)

Ihr Ruf ist inzwischen gefürchtet wie Donnerhall. Wenn sich die Rottacherin Christine Miller als Wildbiologin und gleichzeitig Vorsitzende des Vereins „Wildes Bayern“ die Rotwild- und Gamsbestände im Oberland vornimmt, legt sie sich wegen der hohen Abschussquoten vehement mit den Staatsforsten und wie nun aktuell mit der Verwaltung des Nationalparks am Königssee an. Den jeweiligen Jagdregimen gehe es nur darum, „so viele Tiere wie möglich zu schießen“, beklagt Miller. Exemplarisch dafür würden die jetzt herausgegebenen „Streckenlisten“ des Nationalparks sein.

Diese enthalten Hinweise, wonach Muttertiere ohne ihr jeweiliges Junges erlegt worden sein könnten.

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Für Miller wäre dies eine Bestätigung ihrer Recherchen. Sie hatte im Frühjahr am Ende des Königsees, am Obersee, acht tote Hirschkälber gefunden, die grausam verendet waren. „Diese Kälber waren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verwaist, das heißt, sie mussten sich ohne ihre Muttertiere durch den Winter schlagen. Das endet für die Kälbchen im Gebirge fast immer tödlich“, so Miller im Mai.

Jäger stellen sich „die Haare auf“

Nun gelang „Quer“ in dieser Woche, Kritiker des Jagdregimes im Nationalpark ausfindig zu machen, die die Indizien von Miller nachhaltig untermauern. Er und sein Jagdkamerad würden so etwas „noch nicht erlebt haben“, sagt Horst Schellmoser, 38 Jahre lang Berufsjäger in dem Revier. “Da stellt es einem die Haare auf.

So etwas darf nicht passieren“. Sein Jagdkamerad Michael Gröll: „Die Hirschkälber sind da stehengeblieben, haben auf ihre Mütter gewartet und sind verhungert“. Für Jäger Gröll ist klar, „dass die Muttertiere vorher erlegt wurden“. Noch deutlicher wird Schellmoser: „Da steckt System dahinter, da lege ich meine Hand ins Feuer“.

Ein Indiz dafür nennt Heidi Amann, Wirtin des Lokals in St. Bartholomä, die seit Jahren Hirsche vom Nationalpark kauft: „Wir haben etwas geliefert bekommen, was nicht korrekt war. Es war eine sogenannte laktierende Hirschkuh, deren Euter noch voller Milch war. Das war zweifeslfrei ein Muttertier“.

„Keine Muttertiere erlegt“

Als der Fall im Mai aufflog, hatten sich die Verantwortlichen des Nationalparks noch verteidigt. Alles habe natürliche Ursachen. Revierleiter Tilman Piepenbrink schloss aus, „dass führende Muttertiere erlegt wurden“. Das komme im Nationalpark nicht vor. Schriftlich versicherte die Nationalparkleitung: „Der Abschuss von zur Aufzucht notwendigen Elterntieren wäre eine Straftat und findet selbstverständlich im Nationalpark nicht statt“, der völlig transparent arbeite.

“Die haben gelogen“, meint nun Schellmoser, „und stellen sich jetzt saufrech hin“, man habe sich jagdkonform verhalten. Er sei der Ansicht, dass der Nationalpark eine völlig überzogene Jagdpraxis betreibe. um den Wildbestand drastisch zu verkleinern, weil man nur an den Baumbestand denke.

Wild als Schädlinge? / © Wildes Bayern e.V.

„Quer“ will erfahren haben, dass die Nationalpark-Verwaltung das Wild nur noch als Schädlinge betrachte. „Solche Leute gehörten weg, die sind nicht tragbar“, urteilen Schellmoser und Gröll unisono, die ihr ganzes Berufsleben als Jäger im Nationalpark verbracht haben. Nach der Strafanzeige von Tierschützern sei der „Krimi vom Königsee nun ein Fall für die Justiz“, so das Fazit von „Quer“.

Ein Fall für die Staatsanwaltschaft?

Indirekt bestätigt dies Miller: „Sehr interessiert ist jetzt auch die Staatsanwaltschaft“. Sie könne diese Fälle lückenlos aufklären, „wenn sie sich die Unterlagen zum Wildpretverkauf und die jeweiligen Abschussmeldungen der Nationalparkverwaltung anschaut“. Miller beruft sich dabei auf die „Streckenlisten“ und sogenannten „Abschussplanungs-Zahlen“, deren Herausgabe sie von der Parkverwaltung „erzwungen“ habe.

Nun gibt es laut der Wildbiologin Hinweise darauf, „dass Alttiere ohne ihre Kälber erlegt wurden. Es scheint beim Jagdregime des Nationalparks vor allem darum zu gehen, so viele Tiere wie möglich zu schießen“. Andere Gesichtspunkte wie Muttertierschutz und massive Störungen scheinen nicht das gleiche Gewicht zu haben.

Christine Miller hält es für „eine schlechte Strategie, wenn eine Behörde bei derart weitreichenden Anschuldigungen sich in Schweigen hüllt, statt für Transparenz zu sorgen“. Sie hoffe, „dass nun infolge dieser veränderten Sachlage sich auch das Umweltministerium zum Handeln verpflichtet sieht“. Unterdessen geht ihre Forschungsarbeit am Gamswild weiter, das im Nationalpark wie in den Tegernseer Bergen unverhältnismäßig dezimiert werde. „Neben den Böcken werden vor allem die Jährlinge niedergemacht“.

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