Rottacher Gemeinderäte haben „Bauchschmerzen“

Was sein muss, muss sein. Auf diesen Nenner lässt sich die geplante massive Erweiterung der Seniorenresidenz Wallberg bringen. Ihren Neubau brauche man aber angesichts des demografischen Wandels in Rottach-Egern.

Dieses Gebäude am Roßwandweg 4 soll einem viergeschossigen Erweiterungsbau weichen.

Der „Altersdurchschnitt in Rottach von 51 Jahren“ sollte jedem zu denken geben, denn „jeder hier am Tisch könnte eines Tages in die Lage kommen, solche Einrichtungen aktiv nutzen zu müssen“, erklärte Bürgermeister Christian Köck bei der vergangenen Gemeinderatssitzung.

Diese Entwicklung erlebe er selbst auch als Aufsichtsrat vom Schwaighof in Tegernsee. In dem kommunalen Altersheim sei das durchschnittliche Aufnahmealter 86 Jahre. Deshalb brauche man für die „älteren Herrschaften“ auch einen Platz in der Gemeinde.

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Einzelzimmer für alle Senioren

Die Brisanz verdeutlicht auch eine bundesweite Statistik: Etwa 240.000 zusätzliche stationäre Pflegeplätze werden geschätzt bis zum Jahr 2030 gebraucht. Es sei ein „ungeheurer Einschnitt“ für die letzte Zeit des Lebens, mahnte Klaus Fresenius (FWG), wenn man in Doppelzimmern alles mit einem völlig fremden Menschen teilen müsse, „ob Bad, Klo oder TV-Programm“.

Deshalb verstehe er die Forderung des Gesetzgebers nach Einzelzimmern für alle Senioren, die nun auch die Seniorenresidenz Wallberg umsetzen müsse. Von ihr lag ein Änderungsentwurf zum Bebauungsplan auf dem Ratstisch. Dieser hatte es allerdings in sich.

Ein Haus am Roßwandweg 4 soll abgebrochen werden und durch einen viergeschossigen Westtrakt mit 60 Zimmern ersetzt werden. Mit einer Höhe von zwölf Metern soll der „Riegel“ mit dem Mitteltrakt samt Rezeption verbunden werden. Darunter ist eine Tiefgarage geplant. Der bereits bestehende, bergseitige Ostflügel ist 10,60 Meter hoch.

„Bauliche Kröte schlucken“

Doch für die Anlieger dürfte dies „nicht einfach werden“, meinte Köck, denn der Trakt „wird kein niedriges Gebäude“. Aber man müsse „die bauliche Kröte“ auch mal schlucken. Denn die Schaffung der Zimmer stärke auch die Wirtschaftlichkeit des Betreibers. „Zudem haben wir keine Alternativen für einen anderen Standort“, warb Köck mehrmals für den Änderungsentwurf.

Da das Objekt im Sondergebiet Kur- und Seniorenheim stehe, könnten später daraus auch keine Eigentumswohnungen werden, versicherte Bauamtsleiterin Christine Obermüller. Insgesamt gebe es mit dem Westriegel eine „hohe Baudichte“, aber es sei eben ein Sonderbau mit „öffentlicher Funktion“.

Daher ist laut Köck die höhere Geschossflächenzahl zu rechtfertigen. Weiterhin könnten dort auch die Spielgruppen stattfinden. Das Konzept sei, Jung und Alt zusammen zu bringen. Die massive Weiterentwicklung der Seniorenresidenz passe laut Bauamtsleiterin Christine Obermüller aber in die Umgebung.

Dies sahen nicht alle Gemeinderäte so. „Wir müssen es ausbaden, wenn die Politiker mit ihrer Forderung nach Einzelzimmern immer wieder eins draufhauen“, klagte Anton Maier (CSU). Auf seiner Linie war auch Fraktionskollegin Alexandra Wurmser:

Trotz brutaler Höhenentwicklung werde ich dennoch zustimmen – wenn auch mit Bauchweh.

Einig war man sich, dass die Gemeinde dringend solche Pflegeplätze brauche und keine Wahlmöglichkeit habe. „Irgendwo müssen sie ja hin“, war zu hören.  Auch Wurmser plädierte für eine Verbreiterung der Weissachaustraße, um die Zuwegung für Bewohner, Besucher, Lieferanten und Rettungsfahrzeuge zu verbessern. „Die ist jetzt schon in einem katastrophalen Zustand“, ergänzte Köck. Im Zuge der Erneuerung halte er Gespräche mit angrenzenden Landwirten für erforderlich, um auszuloten, ob ein „Grunderwerb“ zur Straßenerweiterung an den neuralgischen Stellen möglich sei.

„Kritik nicht wegreden“

Andreas Erlacher /FWG) als Anwohner der Weissachaustraße beklagte die „dramatische Höhe“ des Neubaus. Man werde zwar das Bauvolumen brauchen, aber müsse es ein viergeschossiger Gebäudetrakt sein? „Da wäre ich schon mal kritisch, denn das kann nicht die Lösung sein“, mahnte Erlacher eindringlich. Man sollte die Kritik am Ratstisch schon ernst nehmen und „nicht wegreden“.

Ähnlich sah es Martin Strohschneider (CSU). Auch er hatte mit der Wandhöhe „Probleme“ und „appellierte“ deshalb für ein Stockwerk weniger. „Der baut nicht zur Gaudi etwas, der möchte auch etwas verdienen“, entgegnete Köck, denn mit 20 Zimmern weniger sei womöglich die Rentabilität in Gefahr. „Ja, das muss gemacht werden, wenn es der Gesetzgeber so vorgibt“, fügte Jakob Appoltshauser (SPD) hinzu.

Verkehrssituation schon immer schwierig

Ob denn der Rettungsweg in der Weissachaustraße gewährleistet sei, wollte Anastasia Stadler (CSU) wissen. Hier müsse man mit Halteverbotsschildern nachbessern, erwiderte Obermüller. „Wenn wir aber schon die Infrastruktur nicht schaffen, können wir auch den Bau nicht genehmigen. Da habe ich schon große Bauchschmerzen“, klagte auch Josef Kaiser (CSU).

Nachdem dort schon seit Jahrzehnten eine Einrichtung für Senioren bestehe, könne man doch jetzt das Projekt „wegen des Verkehrs, der schon immer problematisch war, nicht in Frage stellen“, konterte Köck. Aber auch sein Vize Josef Lang (CSU) legte den Finger in die Wunde. „Da müsste sofort wegen der unzureichenden Verkehrssituation eine vernünftige Zuwegung geschaffen werden“. Georg Höß (FWG) führte den Ratsmitgliedern nochmals das „Kernziel“ vor Augen:

Es gibt keinen besseren Standort. Den sollten wir nicht in Details zerreden.

Mit vier Gegenstimmen genehmigte der Gemeinderat schließlich die Änderung des Bebauungsplans.

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