Saunagesellschaft am Tegernsee

Das ist nicht witzig. Der Tegernsee hatte dieser Tage 3 Grad Celsius. Dass heißt am vergangenen Freitag. Der Himmel stahlblau, die Lufttemperaturen bei 21 Grad im Schatten, die Berge in der Ferne schneebedeckt und nackte Leiber in Liegestühlen direkt am Ufer des Tegernsees auf der Holzterrasse der Seesauna.

Es ist nicht nur ein Vergnügen an eisigen Wintertagen in der Sauna zu schwitzen. Nein. Es ist ebenso ein Vergnügen an den ersten sonnigen Frühlingstagen in die Sauna zu gehen.

Nicht um dort zu schwitzen, sondern nackt unter stahlblauem Himmel sich in Liegestühlen zu aalen und in die schneebedeckten Berge zu blicken auf deren Gipfeln vermutlich die Sonnenliegestühle leer bleiben.

Der See hat heute 3 Grad, erklärt mir die Empfangsdame gerade als ich mich samt Tasche durch die elektronische Schranke schiebe. 3 Grad Wassertemperatur, das klingt mir in den Ohren als ich auf der Holzterrasse in der Sonne liege und erstaunt zuschaue wie so mancher die Stufen in den See herabsteigt, um in das eiskalte Seewasser einzutauchen.

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Die meisten schrecken etwas zurück, wenn die Zehnspitzen das Wasser berühren, tauchen dann doch beherzt unter, um sofort wieder aufzutauchen, nach Luft schnappend die Treppen zu erklimmen und sich flink, so flink es eben geht, wenn man gerade seinen Körper versucht hat Schock zu frosten, in den Bademantel zu hüllen.

Tod nach dem Eintauchen?

Die Bewegungen sind in der Tat deutlich verlangsamt. Ich fragte mich bei jedem, der es wagte in den See zu tauchen, ob er wohl auch die Drei-Grad-Wassertemperatur-Information am Eingang erhalten hat. Immerhin erwartet Menschen bei einer Wassertemperatur im Bereich von 0,3 bis 4,5 Grad Celsius nach etwa 15 bis 30 Minuten Erschöpfung oder Bewusstlosigkeit.

Zwischen 30 und 90 Minuten ist dann der Tod zu erwarten, wenn nicht schon früher ein lebensbedrohlicher Zustand durch Kälteschock eintritt. Und dieser ist das eigentlich Gefährliche, denn das kann bereits gleich nach Eintauchen ins eiskalte Wasser passieren.

Am vergangenen Freitag war es nicht ganz so verschneit, dafür war das Wasser ähnlich kalt. Quelle: Rolf Kaul

Nun gut, grau ist alle Theorie und Saunagänger sind besonders hart im Nehmen, weil abgehärtet und womöglich sogar ohnehin Eisbader und länger als ein paar Sekunden bis wenige Minuten bleiben sie nicht im eiskalten Wasser. Weit gefehlt.

Zwei junge Männer traten ans Ufer des Tegernsees. Der eine von den beiden legte sein Markenbadehandtuch auf den Holzsteg, so als wolle er sich zum Sonnen platzieren. Das tat er nicht. Stattdessen hechtete er sich elegant ins eiskalte Wasser, tauchte auf und schwamm auf den See hinaus.

Kälteschock, Atemblockade, Gleichgewichtsstörungen

Als Sonnenanbeter, der diese Szene vom Liegestuhl aus beobachtete, sah man dem jungen Mann zu wie man einem Kinofilm zuschaut. Im Film ist gerade eine Szene zu sehen, in dem alles auf eine subtile Art und Weise darauf hindeutet, dass gleich etwas passiert. Bei einer Wassertemperatur von 3 Grad ist damit zu rechnen, dass nach drei bis 30 Minuten die Kälte die Funktionsfähigkeit von Muskeln und Nerven beeinträchtigt, außerdem können durch Kälteschock Atemblockaden und Gleichgewichtsstörungen entstehen und dann erst die Folgen einer möglichen Unterkühlung, allerding setzt die frühestens nach 15 Minuten ein …

Der junge Mann erreichte die Absperrung, die den Badeabschnitt vom offenen See trennt. Er verharrte, merkte wohl, dass etwas nicht stimmte, stand noch eine Weile im Wasser und schwamm zunehmend langsamer werdend zurück. Er schleppte sich die letzten Schritte aus dem Wasser, rief seinem Freund zu, was witzig klingen sollte, dass er sich plötzlich gar nicht mehr bewegen könne. Es strengte ihn sichtlich an das Geländer zu ergreifen. Wie in Zeitlupe stieg er aus dem Wasser, wickelte sich in sein Handtuch und verschwand mit seinem Freund. Wo wohl? In der Sauna.

Ich merkte es bereits an: Saunagänger sind eben besonders hart. Schließlich steckt in dem Wort abgehärtet „hart“ drin. Weniger abgehärtet sind offensichtlich die Segler im Eismeer. In einem Bericht von einer Expedition in die wunderbare Eisbergwelt der Waddington-Bay schreibt Dr. Frank Praetorius von einem kurzen Bad im Eismeer nach einem Saunabesuch. Sein ukrainischer Arztkollege erlaubte dieses kurze Bad nicht ohne Rettungsleine und Sicherheitsweste, und zwar wegen eines möglichen Kälteschocks. Im Eismeer kann man schließlich nicht stehen, wie am Ufer des Tegernsees, oder?

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