40 Jahre – Fluch oder Segen?

Die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT) gibt es seit 40 Jahren. Am 10. Januar 1972 mit dem Ziel gegründet, die Kulturlandschaft rund um den Tegernsee zu schützen, ist der Verein heute nicht unumstritten. Manchen gilt die SGT gar als ständiger Verhinderer und rückwärts gerichtet.

Ein Verein wohlhabender Menschen, die am liebsten überhaupt keine Veränderung im Tal hätten. So der Hauptvorwurf, dem sich die 450 Mitglieder oft ausgesetzt sehen. Das Engagement der SGT reicht von Stellungnahmen und Widersprüchen bei Bauanträgen, bis zu Klagen gegen Bauvorhaben, wie zum Beispiel beim Gut Kaltenbrunn.

Im Gespräch mit Angela Brogsitter-Finck

Wir haben im vergangenen Jahr mit der 1. Vorsitzenden Angela Brogsitter-Finck über die Situation gesprochen. Über Stellungnahmen. Die Nähe zu den Bürgern. Und über das Gut Kaltenbrunn.

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Damals ein hart errungener Sieg für den Verein und den Denkmalschutz. Aber ein Rückschlag für das Ansehen in der Bevölkerung.

Frau Brogsitter-Finck, manche Talbürger zweifeln am Sinn der Schutzgemeinschaft. Was sagen Sie dazu?
Die Schutzgemeinschaft ist kein Träger öffentlicher Belange. Unsere Stellungnahmen werden häufig nicht berücksichtigt. So wie beim Bau der Abfüllanlage der Brauerei. Wir favorisierten einen Alternativstandort neben der VIVO in Warngau. Die vorwurfsvollen Briefe aufgebrachter Bürger, warum wir nichts unternommen hätten, bekommen wir jetzt, da das überdimensionierte Bauprojekt mitten in der Ehgartenlandschaft und im Landschaftsschutzgebiet zu erkennen ist.

Mit was beschäftigen Sie sich zurzeit?
Unter anderem die Erweiterung des Hotel Tegernsee. Der Tegernsee als Hochwasser-Rückhaltebecken. Der massive Bachausbau in Moosrain. Gut Kaltenbrunn ist nach wie vor ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen.

Es sind immer wieder neue Anliegen, die von Bürgern an uns herangetragen werden, oder wir erfahren von Bauprojekten aus der lokalen Presse.

Rollen Sie Gut Kaltenbrunn für uns noch mal auf?
Dieses Bauprojekt gefährdete unser kostbarstes Gut: die einzigartig schöne und weitgehend erhaltene bayerische Landschaft. Gut Kaltenbrunn am Nordufer des Tegernsees ist ein weithin bekanntes Kleinod bayerischer Heimat- und Baukultur.

Im September 2008 hat der Oberste Bayerische Verfassungsgerichtshof die Bauplanung gestoppt, da „der Bebauungsplan gegen die in Bayern mit Verfassungsrang ausgestatteten Belange des Denkmalschutzes in sachlich schlechthin nicht mehr zu rechtfertigender Weise verstößt“. Der Journalist Hans Sollacher schrieb zum geplanten Bauvorhaben in Kaltenbrunn:

Inzwischen dient Gut Kaltenbrunn als LKW Parkplatz für einen Mariensteiner Unternehmer

„Landschaft, Natur, Ethik, Tradition – keiner dieser Werte kommt in dieser Rechnung vor. Das Nordufer des Tegernsees mit Kaltenbrunn, ein benediktinisch-königliches Urland, ein Platz, zum Niederknien schön, soll exklusiv vermarktet werden. Wir müssen uns für immer schämen, wenn wir uns dagegen nicht zur Wehr gesetzt hätten.“

Genau so hat die SGT es empfunden. Übrigens richtete sich unser Widerstand nicht grundsätzlich gegen ein Hotel in Kaltenbrunn ‒ wie so oft behauptet wird ‒, außerdem wurden das Strandbad und der Biergarten schon lange vor dem Urteil gekündigt, haben also mit dem Wirken der SGT nichts zu tun.

Welche konkreten Ergebnisse können Sie bisher vorweisen?
Als Erfolg sehen wir an, dass wir die Menschen in zunehmendem Maße sensibilisieren konnten für die Schönheit unserer Heimat.

Wie intensiv ist Ihr Kontakt zur Bevölkerung?
Wir halten regelmäßig einen Stammtisch ab, zu dem auch Nicht-Mitglieder herzlich eingeladen sind. Dasselbe gilt für unsere Veranstaltungen mit Vorträgen hochrangiger Fachleute.

Wie können sich die Talbürger selbst engagieren?
Die Augen offenhalten. Sich informieren über geplante Bauprojekte. Seine Meinung äußern. Ich glaube schon, dass heute die Bürger aktiver beobachten, was in ihrer engsten Umgebung passiert, siehe in Miesbach beim Kloster. Oder in Schliersee. Oder Weyarn.

Stehen Sie noch zu Ihren ursprünglichen Zielen?
Ja, selbstverständlich. Mehr denn je. Die Schönheit unserer Kulturlandschaft ist es wert, dafür zu kämpfen. Wir müssen zu einem menschlichen Maß zurückkehren. Unser Seegeist hat neulich so passend geschrieben: „Wir verbauen unsere Landschaft für die Gäste, die dann nicht mehr kommen, weil die Landschaft verbaut ist.“

Was ist Ihre Motivation für das Projekt?
Es ist meine Heimat.

Glauben Sie, dass Sie noch mehr tun müssten?
Wir sind ein sehr motiviertes Team, aber wie in fast allen Vereinen fehlt es immer an aktiver Manpower. Aber unsere Kontakte reichen sehr weit, so haben wir auch überregional großartige Unterstützung, zum Beispiel von der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege, des Bundes Naturschutz, des Landesbundes für Vogelschutz und sogar der Biermösl Blosn.

Ihr Wunsch für die Zukunft?
Dass die Leute erkennen, wie gesegnet sie sind, dass sie in so einer Landschaft leben dürfen. Dass verhindert wird, dass Großinvestoren, die nichts anderes als ihren Profit im Sinn haben, unsere Heimat durch überdimensionierte Bauvorhaben vermarkten. Die Zeit des Gigantismus hat sich überholt – und das ist auch die wirtschaftliche Chance für unser Tegernseer Tal.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Brogsitter-Finck.

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