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Kein Atemzug ist zu hören. Die Bauern stehen bewegungslos auf ihren Positionen. Zwei Läufer warten geduldig auf den ersten Sprint, die Pferde sind zum Absprung bereit. Für ihren König opfern sie ihr Leben, soviel steht fest. Mit ernster Miene beobachten die Feldherren das Geschehen. Ohne Eile setzt sich plötzlich einer der Bauern in Bewegung. Die anderen Truppenmitglieder lauern auf ihren Einsatz. Das Spiel hat begonnen.
Rund vier Stunden dauerte gestern die Schlacht „Schwarz gegen Weiß“ auf Gut Kaltenbrunn. Etwa 700 schachbegeisterte Schulkinder aus dem Tegernseer Tal durften im Rinderstall ihrer Leidenschaft frönen: dem Schachspiel. Im Rahmen des Aktionstages des Schulschachvereins Landkreis Miesbach wurden knapp 60 Schachbretter extra nur für sie aufgestellt.
Aktionstag als Belohnung
Ob Tandem-, Räuber- oder Simultanschach – jeder der jungen Spieler zwischen fünf und 16 Jahren arbeitete hochkonzentriert daran, den Gegner mit der richtigen Strategie, Ausdauer und logischem Denken in die Enge zu treiben. Initiator des Aktionstages war der 72-jährige Waakirchner Horst Leckner. Der Cousin des Waakirchner Bürgermeisters Sepp Hartl hatte den Verein im Jahr 2011 gegründet.
Das Projekt ist deutschlandweit einmalig und landkreisweit das größte Jugendprojekt. Es wurde bisher an jeder Grundschule und weiterführenden Schule angeboten. Die gestrige Veranstaltung sollte eine Belohnung für die bisher geleistete Arbeit aller Beteiligten sein. Und das Interesse war groß.
Turnierleiter Peter Rie von der Tegernseer Tal Tourismus GmbH (TTT) zeigte sich erfreut über die rund 500 verkauften Karten und die vielen Anmeldungen, die im Vergleich zum Vorjahr von 510 auf 700 und damit um knapp 200 angestiegen waren. Gleichzeitig bemerkte er: „Vielleicht findet sich ja heute noch der eine oder andere Sponsor.“
Schach fördert das Lernen
Das soziale Projekt an Mittelschulen sei „bombig eingeschlagen“, erklärte Leckner gestern. Die Schüler seien begeistert. Ziel des Projekts: den Schülern einen besseren Schulabschluss zu ermöglichen. Kinder und Jugendlichen sollen nicht nur in ihrer persönlichen Entwicklung durchs Schachspielen gefördert werden, sondern somit auch für die steigenden Anforderungen im späteren Berufsleben gestärkt werden, sagt auch die Geschäftsführerin des Vereins, Diana Steiner.
Der Kinder- und Jugendpsychologe Peter Pohl, der das Projekt wissenschaftlich begleitet, hat sogar eine Messmethode entwickelt, wie sich Schachspielen aufs Lernen auswirkt. Noch sei man zwar mittendrin, sagt er, aber irgendwann könne man gleich während des Spiels digital auswerten, was sich bei den Kindern im Kopf abspiele. Interessant wäre eine solche Methode auch bei Schachgroßmeister Michael Prusikin (40). Der spielte gestern nämlich quasi blind gegen drei andere Spieler. Mit verbundenen Augen merkte er sich die Spielzüge seiner Gegner einfach.
Fabian Thiel dagegen hatte gleich zehn andere Spieler um sich herum an den Brettern sitzen. Er vollzog seine Züge im Stehen. Und mittendrin in der Schlachten: FC-Bayern Präsident Uli Hoeneß. Der 66-Jährige unterstützt den Aktionstag des Schulschachvereins Landkreis Miesbach. Gestern war er einer der Ehrengäste.
Die Ehrengäste
Weitere Ehrengäste waren: der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee, Martin Mihalovits, der Schulschach-Vereinsvorsitzende Arnfried Färber, der Journalist Dieter Kronzucker, Spielarena-Betreiber Josef Niedermayer (er hatte das Trampolin und die Hüpfburg für die Kinder zur Verfügung gestellt), Hajo Fritz, die Tal-Bürgermeister sowie einige Ärzte und viele Schulleiter.
Die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee, die von Anfang an bei dem Projekt mit dabei war, ist Hauptsponsor des Vereins. Ebenfalls federführend mit dabei: der Lionsclub am Tegernsee, die Fritz und Thekla Funke-Stiftung, die Hubertus Altgelt Stiftung sowie ein Großteil der Landkreis-Gemeinden.
Um 11.30 Uhr stellte sich der FC-Bayern-Präsident den Fragen von Sportreferentin Sabine Kirchmair und Moderator Gidi Beilhack. Der Schulchor der Realschule Tegernseer Tal eröffnete die Gesprächsrunde und erhielt viel Beifall. Aber zuerst brachte das Moderatorenteam die „Dame“ ins Spiel: Diana Steiner, die seit gut einem Jahr Geschäftsführerin des Schulschachvereins ist. Sie sei der „Prototyp einer Schachmama“, stellte Kirchmair gleich mal fest.
Hat mit Humor sein Hobby angepriesen: Der 18-jährige Szymon Tupta
„Schulschach bedeutet Bewegung. Und wir wollen was bewegen“, so Steiner gestern. Schach sei eine Sprache, die auf der ganzen Welt verstanden wird und keine Grenzen kennt. „Vor dem Schachbrett ist jeder gleich.” Fair zu gewinnen gehöre zum guten Stil.
Als „Vorspiel“ zum Interview mit Hoeneß bezeichnete sich der 18-jährige Szymon Tupta. Der Abiturient, selbst ein erfolgreicher Schachspieler, widmet sich seit elf Jahren diesem Hobby. Vergangene Woche hatte er sich beim Fußball am Bein verletzt. Auf Krücken humpelte er gestern aufs Podium. Sein humorvoll vorgetragener Appell lautete: „Am besten mit Fußball aufhören und mit Schach anfangen.“
Schachspielen verändert
Durchs Schachspielen habe er sich komplett verändert, betonte er. Von einem aggressiven, hyperaktiven jungen Mann sei er zu einem friedlichen, geduldigen und entspannten Menschen herangewachsen. In Anspielung auf den „Hauptakt Hoeneß“ machte er auf sympathische Weise deutlich, dass er eher „Lewandowski als Manuel Neuer“ sei. Was soviel heiße, dass er eher der Stürmer sei und beim Schach bis zur 90. Minute konzentriert angreife.
Dann kam Uli Hoeneß auf die Bühne. Immer wieder fördert der Wahl-Tegernseer, der selbst kein Schach spielt, Projekte in seiner neuen Heimat. 54 Titel hätte er im Profi-Fußball geholt, lobte Moderator Gidi Beilhack dessen sportlichen Erfolg. Er hätte sich in jeder Schlacht geschlagen, so Beilhack.
Sowohl als Läufer, aber auch als König und jetzt als Präsident, wo man ihn als „Turm in der Schlacht“ bezeichnen könnte. Beifall erntete Hoeneß für seine Aussage: „Ups und Downs gehören zum Fußball dazu.“ Die Nachwuchsgarde der jungen Schachspieler durfte ihm abschließend ein paar Fragen stellen.
Würstl für den sozialen Zweck
Warum unterstützen Sie das Projekt? Wer ist eigentlich Ihr Lieblingsspieler beim FC-Bayern? Willst du gerne Schachspielen lernen? Besonders Hoeneß Antwort auf die letzte Frage, warum er keine Zeit zum Schachspielen hätte, sorgte für Lacher: „Das Problem ist, ich habe auch eine Frau, die immer wieder Ansprüche stellt.“
Hoeneß hatte 1.500 Bratwürste gespendet. Diese wurden gestern für drei Euro pro Semmel verkauft. Der Verkaufserlös geht an den Verein. Eine letzte Frage konnten wir uns nicht verkneifen als der Bayern-Präsident – umringt von Fans, die ein Autogramm haben wollten – schon fast den Heimweg antrat:
„Wie oft haben Ihre Gegner SIE schon unterschätzt?“ „Entschuldigung, das müssen Sie die fragen, ich habe keine Antwort“. Und während sich der Präsident wieder einem neuen Fan zuwandte und als Turm einen Schritt nach links machte, setzten wir alles, aber auch wirklich alles, mit dem nächsten Spielzug in Bewegung: Läufer auf C6.
Und noch mehr Bilder vom gestrigen Aktionstag auf Gut Kaltenbrunn / alle Fotos: Norbert Achtelik
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