Zwei Jahre Haft für pädophilen Wiesseer

Mehrere minderjährige Chatpartner stiftete ein 42-jähriger Wiesseer zu sexuellen Handlungen an. Seine „Schnappschüsse“ speicherte er auf einer Festplatte. Pech für ihn: Einer seiner Chatpartner wurde identifiziert.

Auf diesem Internetportal hatten sich die Minderjährigen angemeldet.

Via Skype hat ein 42-jähriger Mann aus Bad Wiessee mit verschiedenen Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 14 Jahren gechattet, die er auf der Internetplattform www.schwuleJungs.de kennengelernt hatte. Vor laufender Webkamera führte er in den Jahren 2011 bis 2014 sexuelle Handlungen an sich selbst aus und forderte die teilweise minderjährigen, männlichen Jugendlichen auf, es ihm gleichzutun.

Per Screenshot dokumentierte er das Ganze. Mindestens 17 seiner Chatpartner speicherte er auf einer externen Festplatte ab. Insgesamt 1.013 Bilddateien stellte die Kriminalpolizei sicher, 52 davon mit kinder- und jugendpornografischen Inhalten. Heute ging der Prozess um den Wiesseer vor dem Miesbacher Amtsgericht weiter.

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Gericht zieht sich zur Beratung zurück

Drei der Jugendlichen waren zu diesem Zeitpunkt erst 13 Jahre alt. Nur einer konnte ermittelt werden. Er hatte sich auf der Internetplattform unter Angabe eines falschen Geburtsdatums eingeloggt, um das vorgeschriebene Mindestalter von 14 Jahren zu umgehen.

Gleich zu Beginn der heutigen Sitzung im Miesbacher Amtsgericht wird die Verhandlung für ungefähr zehn Minuten unterbrochen. Richter Klaus-Jürgen Schmid zieht sich mit seinen beiden Schöffen und dem Anwalt des Angeklagten, Dr. Alexander Betz, zu einem Rechtsgespräch zurück.

Der 43-jährige Wiesseer sitzt währenddessen mit ineinander verschränkten Fingern, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, auf der Anklagebank. Sein Gesicht versucht er zu verstecken, indem er den Kopf auf die Finger legt und den Blick unablässig nach rechts zum Richtertisch wendet. Es sei „keine Einigung erzielt worden“, teilt der Richter sodann beim Betreten des Gerichtssaals mit.

Einer der Chatpartner wird identifiziert

Der erste Zeuge wird aufgerufen. Ein ehemaliger Kriminalhauptkommissar des bayerischen Landeskriminalamtes, der beauftragt war, Skype-Kennungen zu identifizeren, erklärt, er habe im Rahmen seiner Ermittlungen den 13-jährigen Chatpartner ausfindig gemacht. Dieser hatte sich damals mit einer sogenannten „dynamischen IP-Adresse“ angemeldet. Einer Adresse, die aus einem Pool wechselnder IP-Adressen besteht und auf diese Weise eine anonyme Nutzung des Internets ermöglicht.

Diese Information ließ den Anwalt des Angeklagten, Dr. Alexander Betz, dazu verleiten, die Glaubwürdigkeit des Alters des jugendlichen Chatpartners in Frage zu stellen. „Das soll die Identität eines 13-Jährigen sein? Kennen sich 13-Jährige überhaupt damit aus?“ Das sei heutzutage kein Problem, versicherte der Zeuge.

13-Jähriger fühlt sich „manipuliert“

Die sexuellen Handlungen seien nicht von ihm ausgegangen, er sei manipuliert worden, wiederholt die zuständige Kriminalhauptkommissarin aus Miesbach heute vor Gericht die Aussage des 13-Jährigen. Erneut wird eine dreißigminütige Unterbrechung der Verhandlung angekündigt. In der Pause bekommt der Angeklagte Instruktionen von seinem Anwalt: „Sie müssen sich einen Psychotherapeuten suchen.“

Die Verhandlung wird fortgesetzt. Richter Schmid kündigt an, „im Falle eines Geständnisses“ des Angeklagten eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, höchstens aber von zwei Jahren festzusetzen. Diese werde zur Bewährung ausgesetzt.

Daraufhin räumt der Angeklagte den Sachverhalt ein. „Tut mir leid. Mir ist bewusst, was ich gemacht habe. Ich bin bereit, mich therapieren zu lassen, sagt er mit leicht hoher Stimme. Richter Schmid hält dem Angeklagten die Verbreitung kinderpornografischer Schriften in sechs weiteren Fällen vor, zu denen der 43-Jährige bereits im Jahr 2010 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden ist.

Hohe Gerichtskosten – und Schulden im Nacken

Die Staatsanwältin hält zwei Jahre für Tat und Schuld angemessen. Zugute komme dem Angeklagten, sagt sie, dass die Taten schon etwas länger zurückliegen, und der Angeklagte ein Geständnis abgelegt habe und sich willig zeige, eine Therapie zu machen. Sie beantragt jedoch, die Therapie „hinreichend“ – in einem Zeitraum von vier Jahren – zu überwachen und macht zur Auflage, dass diese nicht vorzeitig abgebrochen werden dürfe. Eine Geldstrafe von 3.000 Euro hält sie ebenfalls für angemessen.

Anwalt Betz ist dafür, die Bewährung auf drei Jahre zu reduzieren und die Freiheitsstrafe auf ein Jahr und fünf Monate festzusetzen. Eine Geldauflage von 3.000 Euro hält er aufgrund der hohen Gerichtskosten (an die 20.000 Euro), unter anderem durch die vielen Gutachten, für unnötig. „Die verpuffen doch gegen die Gerichtskosten.“

Außerdem habe sein Mandant noch Schulden in Höhe von 35.000 Euro aus einem Privatkredit, den er wegen des „vorhergehenden Verfahrens“ hätte aufnehmen müssen. Sexuelle Kontakt auf virtueller Ebene mit 14-Jährigen halte er zudem „nicht für strafwürdig“. Das sei „eine rechtliche Schieflage“.

Zwei Jahre Haft auf Bewährung

Zum dritten Mal zieht sich das Gericht zur Beratung zurück. Der Angeklagte bleibt in dieser Zeit nahezu regunglos auf seinem Platz sitzen. Mit der rechten Hand schwenkt er nur einmal kurz seinen Wasserbecher, dann knabbert er ebenso kurz am linken Daumen. Er reibt sich die Augen.

Nach ungefähr 15 Minuten dann das Urteil: Zwei Jahre auf Bewährung mit einer vierjährigen Bewährungfrist. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Verzichtet wird auf eine Geldauflage. Der Angeklagte muss sich verpflichten, eine Sexualtherapie zu machen. In seiner Urteilsbegründung hatte Schmid sowohl das Schuldeingeständnis des Angeklagten als auch den lange zurückliegenden Zeitpunkt der Taten berücksichtigt.

Berücksichtigt wurde ebenso, dass sich die 13-Jährigen selbst auf dem Portal unter Angabe eines falschen Alters angemeldet hatten. Eine nochmalige Bewährung bei einem weiteren Verstoß schloss Schmid allerdings aus und erklärt: „Wenn ich bis Weihnachten nichts von Ihnen höre, werde ich ungemütlich.“

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