Seehofer nennt Merkels Pläne “chancenlos”

Angela Merkel hat im Streit mit der CSU über ihre Flüchtlingspolitik nicht nachgegeben. “Es gab keine Spur des Entgegenkommens“, sagte der CSU-Vorsitzende nach seinem Gespräch mit der Bundeskanzlerin. Seehofer prophezeit nun “schwierige Wochen und Monate”. Er nennt Merkels Pläne „chancenlos“.

Horst Seehofer fand heute wieder einmal deutliche Worte zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.
Horst Seehofer fand heute wieder einmal deutliche Worte zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung / Foto: Felix Wolf

CSU-Parteichef Horst Seehofer reagierte äußerst ernüchtert auf den Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Wildbad Kreuth. Seine Erwartungshaltung war ohnehin gering, dass Merkel im Tegernseer Tal einen Kurswechsel in ihrer Flüchtlingspolitik auf Druck der CSU vollziehen würde.

„Wir sind in der Koalition in einer ernsten Lage, da wir zu einem historischen Thema einen signifikanten Meinungsunterschied in den Lösungen haben“, sagte Seehofer in der heutigen Abschlusspressekonferenz in Kreuth.

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Seehofer beklagt Zusammenarbeit

Seit September sei die Zusammenarbeit mit Merkel ein mühsames Feld. Das Thema belaste ihn ungeheuer, „vielleicht sogar am stärksten in meiner gesamten politischen Tätigkeit, weil das vertrauensvolle Verhältnis in einem solch wichtigen Thema der Begrenzung gestört ist. Ich habe an keinem Machtkampf, keinem Streit Interesse. Aber ich kann bei dem, was ich täglich erlebe, den Auftrag nicht verraten, den mir die Bevölkerung gegeben hat“, beklagte der 66-Jährige:

Es gab keine Spur des Entgegenkommens. Deshalb war das für mich enttäuschend.

Merkel hatte am Mittwoch in Kreuth der CSU-Forderung nach einem raschen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik samt Festlegung einer nationalen Obergrenze erneut eine Absage erteilt. Zwar müsse die Zahl der ankommenden Flüchtlinge “spürbar und nachhaltig” reduziert werden, sagte Merkel in Übereinstimmung mit der CSU-Landtagsfraktion. Dafür müsse man aber bei den Fluchtursachen ansetzen und eine europäische Lösung finden.

“Grenzkontrollen sind zu lax”

„Die nächsten Wochen werden besonders schwer“, resümierte Seehofer die vergangenen Tage in Kreuth. Denn die Bevölkerung wolle nun Taten sehen. „Alles, was uns zur Verfügung steht, werden wir in die Waagschale werfen. Wir bleiben bei der Politik der Begrenzung, die wir massiv einfordern werden“. Nur so seien Finanzierung, Sicherheit und Integration zu bewältigen.

Mit Blick auf andere Länder beobachtet Seehofer, dass immer mehr Nachbarstaaten den Weg der Begrenzung gehen. Als Beispiele nennt der CSU-Chef Österreich und Schweden. „Wir dringen darauf, dass die schweren Fehler, die in Berlin gemacht werden, abgestellt werden“.

Es sei ebenfalls ein schwerer Fehler von Merkel, das Angebot der Staatsregierung abzulehnen, die zur Grenzsicherung zusätzlich die bayerische Polizei anbiete. Bisher seien die Grenzkontrollen durch die Bundespolizei viel zu lax, „wir würden es anders und besser machen“, sagte Seehofer, „die Sicherheit eines Staates beginnt an den Binnengrenzen“.

Kreuther Geist bleibt in der Flasche

Schwer ins Fadenkreuz von Seehofers Kritik geriet auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Dort habe die Bundesregierung zu lange versäumt, diesen Stau von etwa einer Million Anträgen wirkungsvoll anzugehen. Dies sei ein Kern vieler Probleme.

Der CSU-Chef schloss jedoch schon tags zuvor aus, dass die CSU deswegen die Koalition aufkündigen werde, “weil man innerhalb einer Regierung mehr bewirken kann, als wenn man eine Regierung verlässt”. Die CSU wolle in der Flüchtlingsfrage weiterhin “in die CDU hineinwirken”.

Seehofer sparte nicht mit Kritik an Angela Merkel - die Koalition auf Bundesebene soll trotzdem bestehen bleiben.
Seehofer sparte auch diesmal nicht mit Kritik an Angela Merkel – die Koalition auf Bundesebene soll trotzdem bestehen bleiben / Foto: Felix Wolf

Wo Seehofer aus Koalitionsgründen nicht Klartext reden konnte, machten es andere. Aus Teilnehmerkreisen ist zu hören, dass es in der Aussprache mit Merkel ziemlich heftig zur Sache gegangenen sei. Merkel wurde mit Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik überschüttet. 26 CSU-Abgeordnete warfen der Kanzlerin offenbar schwere Versäumnisse vor und verlangten dringend einen Kurswechsel. Demnach habe Finanzminister Markus Söder zu Merkel gesagt:

Die Lage ist aus dem Ruder gelaufen.

Die Grenzen offen zu lassen, sei ein „schwerer Fehler“. Die Anti-Merkel-Front war einhellig: Es habe sich keine unterstützende Stimme für sie erhoben, hieß es. Viele Abgeordnete hätten sachlich, aber eindringlich die Lage in ihren jeweiligen Stimmkreisen geschildert. Mehrere forderten umfassende Grenzkontrollen – die derzeitige unkontrollierte Zuwanderung sei der „worst case“ für den Rechtsstaat.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann kritisierte nach Teilnehmerangaben, die Grenzkontrollen hätten nicht einmal das Ausmaß wie während des G7-Gipfels im Vorjahr. Mehrere Abgeordnete berichteten von Menschen, die inzwischen sagten, sie könnten Merkel nicht mehr wählen. „Besonders schwere Wochen und Monate stehen uns nun bevor“, prophezeite Seehofer. Viel Zeit gebe man Merkel nicht mehr, hieß es in der CSU wieder einmal.

Weitere Eindrücke von der abschließenden Pressekonferenz in Kreuth

Thomas Kreuzer, Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion, flankierte Seehofer bei der Pressekonferenz und festigte den Standpunkt seiner Partei.
Thomas Kreuzer, Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion, flankierte Seehofer bei der Pressekonferenz und festigte den Standpunkt seiner Partei.

Wieder einmal stand eine CSU-Veranstaltung in Kreuth im medialen Fokus.
Wieder einmal stand eine CSU-Veranstaltung in Kreuth im medialen Fokus.

Horst Seehofer ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen und schoss erneut scharf gegen Angela Merkel.
Horst Seehofer ließ sich die Gelegenheit nicht nehmen und schoss erneut scharf gegen Angela Merkel.

Am Dienstag erst hatte der Parteichef einen Schwächeanfall erlitten.
Am Dienstag erst hatte der Parteichef während einer Rede einen Schwächeanfall erlitten.

Schön einträchtig hätte es werden können mit Merkel-Raute und Lebkuchenherz. Doch politisch liegen derzeit Welten zwischen Kanzlerin und CSU.
Schön einträchtig hätte es werden können mit Merkel-Raute und Lebkuchenherz. Doch politisch liegen derzeit Welten zwischen Kanzlerin und CSU.

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