Das Schreiben, das Adibullah E. mit Eingangsstempel vom 5. Januar in der Hand hält, bestätigt es: Ihm bleiben dreißig Tage Zeit, um Deutschland zu verlassen. Sein Heimatland Afghanistan wurde von der Bundesregierung als sicher eingestuft.
Ihm drohe, so heißt es in dem Schreiben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), „kein ernsthafter Schaden“ in seiner Heimat. Dieser wäre nur dann gegeben, wenn er dort rechnen müsse mit
(…) der Vollendung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung oder einer ernsthaften, individuellen Bedrohung des Lebens (…)
Dass Afghanistan wohl doch kein so sicheres Herkunftsland ist, wird in dem Schreiben ein paar Seiten weiter eingeräumt. Hier heißt es: „Die Sicherheitslage in Afghanistan muss weiterhin als angespannt betrachtet werden.“ Und mit dieser Einschätzung liegt man beim BAMF nicht ganz falsch, denn immerhin zählt Afghanistan zu den Top 5 der konfliktreichsten Ländern weltweit.
Raus aus Deutschland – für 20 Afghanen in Rottach Realität
Von der Abschiebung sind in der Rottacher Traglufthalle zwanzig aus Afghanistan stammende Flüchtlinge betroffen. Zu ihnen gehört auch Adibullah. „Manche haben sich einen Anwalt genommen“, sagt er. Aber ein Anwalt kostet. Er selbst könne sich von den 320 Euro im Monat, die er bekommt, keinen leisten. Zudem wüsste er auch gar nicht, woher er einen bekäme.
Zurück nach Afghanistan will und könne er nicht. Bereits bei seiner Anhörung gab er als Begründung für sein Asyl-Gesuch beim Bundesamt an:
Die Lage in meiner Heimat ist immer schlimmer geworden. Ich habe mich wie im Gefängnis gefühlt. Im Allgemeinen herrscht in Afghanistan Arbeitslosigkeit. Die Taliban sind immer präsent und kooperieren mit jungen Männern.
Frieden herrsche dort nicht, sagt er. Deshalb werde er jetzt versuchen, in ein anderes Land zu gehen. Frankreich schwebe ihm da vor. Ähnlich wie ihm geht es auch den im benachbarten Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen untergebrachten Flüchtlingen. Einige von ihnen erreichte das Abschiebepapier am 23. Dezember. Die Einspruchsfrist samt Möglichkeit, einen Anwalt zu konsultieren und gegen die Abschiebung zu klagen, betrug dort teilweise nur sieben Tage. Zwischen den Jahren ein nahezu unmögliches Unterfangen.
Wie das Bundesamt für Migration (BAMF) jedoch auf Nachfrage mitteilt, unterscheide man zwei Arten von Ablehnungen eines Asyl-Antrags. Bei einer einfachen Ablehnung – wie im Falle von Abidullah – betrage die Klagefrist 14 Tage und die Ausreisefrist 30 Tage. Werde der Asyl-Antrag jedoch als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, betrage die Ausreisefrist dagegen nur eine Woche.
Ende Februar ist die Traglufthalle weg
Sollte die Person ihrer Ausreisepflicht nicht freiwillig nachkommen, so erfolge die Ausweisung zwangsweise, gibt das BAMF weiter an. Für die Rückführung sei dann allerdings die jeweilige Ausländerbehörde zuständig. Eine „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“ sei nur möglich, wenn zwischenzeitlich “Rückführungshindernisse” bestehen würden, die bei der Entscheidung des Bundesamtes nicht hätten berücksichtigt werden können.
Durch den negativen Bescheid des BAMF, von dem 20 Flüchtlinge in der Rottacher Traglufthalle betroffen sind, reduziert sich die Zahl der noch verbliebenen auf 67. Aber auch für sie muss bis zum 28. Februar eine neue Bleibe gefunden werden, denn dann läuft der Vertrag für die Traglufthalle aus.
Wie berichtet, erfolgt die Verteilung auf bereits bestehende, aber auch auf neu angemietete Unterkünfte in Bayerischzell, Otterfing, Fischbachau, Valley, Weyarn, Schliersee, Hausham, Miesbach und Bad Wiessee. Zudem verhandele das Landratsamt weiter mit der Stadt Tegernsee über das Bastenhaus. Auch dort könnten bis zu 60 Flüchtlinge untergebracht werden.
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