Im CSU-dominierten Freistaat Bayern zählen Werte wie Tradition und Beständigkeit. Die jüngste Wahlschlappe der CSU machte deutlich, dass ein Umdenken in der Politik erforderlich ist. Regiert die alteingesessene Partei am Wählerwillen vorbei? Wieso geht sie keine Regierungskoalition mit den Grünen ein, wo sie doch als zweitstärkste Partei aus der Landtagswahl hervorgingen?
Diesen Fragen gingen die BR-Moderatoren Tilmann Schöberl und Franziska Storz gestern Abend im Waizinger Keller in Miesbach nach. Mit ihrer Sendung „Jetzt red i“ sind sie in Bayern unterwegs und fragen, was den Bürgern auf dem Herzen liegt. Rund um den Tegernsee sind das vor allem Themen wie Flächenverbrauch und Verkehr, Betreuungsplätze und Trinkwasser, wie sich gestern herausstellte.
Fehlte der CSU der Mut zu Grün?
Rede und Antwort standen Oberbayerns CSU-Chefin Ilse Aigner und die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze. Aigner ließ kurz durchblicken, dass sie keinen Machtverlust darin sehe, sollte sie am 5. November zur Landtagspräsidentin gewählt werde.
Während Aigner den Ausgang der Wahl bedauerte, sah Schulze die Regierungskoalition ohne die Grünen als eine „Chance, die für das Land vertan worden ist.“ Sie hätte sich mehr Mut von der CSU gewünscht. Sorge hat sie, dass nun Themen wie Umweltschutz, Flächenfraß und Gleichberechtigung untergehen. Schulze versicherte aber, die Grünen würden sich als Oppositionspartei weiter kraftvoll dafür einsetzen.
Hans Leo, Chef der Genossenschaftskäserei Tegernseer Land, der nach eigener Aussage immer ein „Ur-Schwarzer“ gewesen war, outete sich gestern als Grünen-Wähler. „Wir brauchen Wachstum mit sozialer und ökologischer Verantwortung.“ Dieses Wachstum sieht er mit den Grünen besser umgesetzt.
Jetzt red i: Bio-Bauer Alois Fuchs zur Wasserschutzzone
Eine Zuschauerin stellte die Frage, ob das Zehn-Punkte-Programm der Grünen denn nicht Widersprüche aufzeige: Wie man Wohnraum schaffen und gleichzeitig Flächenfraß vermeiden wolle? Schulze antwortete, man wolle Flächenfraß begrenzen, nicht auf Null runterfahren. Eine solche Begrenzung lehnte Aigner ab.
Der im Zuschauerraum sitzende Bio-Landwirt Alois Fuchs lenkte den Fokus auf die geplante Wasserschutzzonen-Ausweitung im Mangfalltal. Damit seien „wahnsinnige Auflagen“ verbunden, so Fuchs. Ein Nachteil für die Region, weil sich so weder die betroffenen Landwirte noch der Landkreis weiterentwickeln können. Während die Münchner ihr Wasser kostenlos aus der Region ziehen dürfen und weiter wachsen, werde der Landkreis eingeschränkt.
Beifall für Miesbachs Bürgermeisterin
Die Frage an Ilse Aigner lautete: Sind die Münchner wichtiger als die Miesbacher? Das Problem sei, so Aigner, dass die Stadt München sehr stark wachse, weshalb die Flächen ausgeweitet werden müssen. Der Landkreis habe den höchsten Anteil an Biobauern und darum plädiere sie für eine vernünftige Lösung. Aktuell sei ja eine Petition im Landtag eingereicht. Eine gerichtliche Prüfung der Altrechte begrüße sie. Schulze hingegen sagte, man brauche die Trinkwasser-Schutzzonen-Ausweitung.“
Miesbachs Bürgermeisterin Ingrid Pongratz (CSU), die neben Grünen-Landrat Wolfgang Rzehak saß, meldete sich zu Wort: „Wenn jetzt schon Wasser nach München fließt, warum muss ich dann erweitern?“ Die Münchner könnten ihr Trinkwasser vor der eigenen Haustür entnehmen: aus der Schotterebene. Für diese Wortmeldung erntete sie Beifall.
Warum neue Dieselloks?
Ebenfalls angesprochen wurde der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Ein Gymnasiast bemängelte, dass ein Bus tagsüber nur „alle zwei bis drei Stunden fahre“. Ab 18 Uhr sei er auf den Chauffeurdienst der Eltern angewiesen. Lachen erntete die Frage eines Zuschauers, wie er ohne Auto vom Tegernseer Tal ins Krankenhaus Agatharied kommen solle? Aigner setzte dem entgegen, der Freistaat finanziere den Zug, und der Landkreis habe bereits ein Verkehrsgutachten in Auftrag gegeben.
Franz Zehendmaier aus Kreuth bemängelte in diesem Zusammenhang die Investition in neue Dieselloks bei der Bayerischen Oberlandbahn ( BOB), wo „das in ein paar Jahren sowieso nicht mehr sein darf.“ Die Züge könnten seiner Meinung nach auch mit Batterieladung fahren. Dieser Beitrag erfreute Katharina Schulze, die ein deutliches „Ja“ zur Elektrifizierung aussprach.
Nach gut einer Stunde war das Gespräch mit Miesbachs Bürgern beendet. Wichtige Themen wurden angeschnitten, konnten aber in der Kürze der Zeit nicht ausgiebig debattiert werden.
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