Protest gegen verfehlte Schulpolitik

Aktualisierung vom 22. März / 11:36 Uhr
Nach Gmund hat jetzt auch Bad Wiessee einstimmig beschlossen, Sozialarbeit an Grundschulen im Tal zu unterstützen.

Bei diesem Projekt geht es darum, eine Stelle zur Jugendsozialarbeit einzurichten, die präventiv in den Unterricht eingreift und sich besonders um verhaltensauffällige Kinder kümmert.

Möglicherweise eine neue Aufgabe für die Waakirchner Sozialpädagogin Anna Elisabeth Koch (siehe Bild), die bereits seit drei Jahren 20 Stunden die Woche an der Rottacher Mittelschule aktiv ist. (Wir berichteten)

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Wie schon in Rottach, soll die Maßnahme auch an den vier Grundschulen im Tal umgesetzt werden. Die Kosten für die Halbtagsstelle belaufen sich dabei auf rund 30.000 Euro pro Jahr, von denen Bad Wiessee 5000 Euro übernehmen wird.

Kritik zu diesem Thema blieb in der gestrigen Gemeindesratssitzung trotzdem nicht ganz aus. Wie zuvor schon Mitglieder des Gmunder Gremiums, bemängelten auch die Wiesseer die fehlende Unterstützung von Bund und Freistaat. Robert Huber, Zweiter Bürgermeister, brachte den Unmut aller auf den Punkt: “Der Bund und das Land machen es sich zu einfach. Wir haben hier eine verfehlte Schulpolitik. Hier muss man einen scharfen Protest ans Land richten.”

Bürgermeister Höß ging auf Hubers Forderung ein und sicherte zu, zusammen mit seinen Tal-Kollegen den Protest zu formulieren und einzureichen.

Ursprünglicher Artikel vom 23. Januar mit der Überschrift: “Tal-Direktoren fordern: Sozialarbeiter an die Grundschulen”
Die Grundschule als sozialer Brennpunkt? Ganz so schlimm ist es derzeit noch nicht. Trotzdem habe sich laut einem Schreiben der Volksschule Gmund das gesellschaftliche Umfeld in den vergangenen Jahren massiv verändert.

Die negativen Auswirkungen auf den Schulbetrieb haben nun unter anderem den Rottacher Rektor Karl Müller überzeugt, dass auch bei den Jüngsten eine koordinierte Schulsozialarbeit unerlässlich sei. Wie bisher könne es auf alle Fälle nicht weitergehen an den Grundschulen im Tegernseer Tal.

So würden die Eltern ihren Erziehungsauftrag immer öfter an die Lehrer weiterreichen. Die Schule entwickle sich tendenziell zum Lebensmittelpunkt. Gerade die Ganztagsbetreuung gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die Kinder seien dadurch und aufgrund von Krisen, hohem Medienkonsum und Arbeitslosigkeit der Eltern verstärkt orientierungslos. Und das hat fatale Auswirkungen: verbale Übergriffe, Mobbing, Ausgrenzung und das Recht des Stärken auf den Pausenhöfen gehört mittlerweile zum Alltag von Schülern.

Da das schon bei den Grundschülern passiert, haben sich die Schulleiter der Grundschulen rund um den Tegernsee an die Gemeinden gewandt. Das Ziel: eine Stelle zur Jugendsozialarbeit einzurichten. Die Kosten dafür betragen zwischen 25 und 30.000 Euro für eine Teilzeitkraft, die zwischen den Schulen pendelt und dort hilft, wo Not am Lehrer ist. Die anfallende Investition wollen sich die Gemeinden untereinander aufteilen. Jeweils ein Drittel übernehmen Gmund und Rottach-Egern. Wiessee und Tegernsee beteiligen sich zu je einem Sechstel an der Gesamtsumme.

“Regierung stiehlt sich aus der Verantwortung”

Karl Müller

Der Plan der Rektoren um Müller sieht vor, dass durch die Jugendsozialarbeit präventiv in den Unterricht – vor allem bei verhaltensauffälligen Kindern – eingegriffen werden soll.

Einzelfallhilfe und Krisenintervention sei eines der Ziele, die man durch die Stelle abfangen möchte. “Die Lehrer sind teilweise überfordert,” so Gmunds Bürgermeister Georg von Preysing bei der gestrigen Beratung des Gemeinderates zu dem kontroversen Thema.

Für Preysing steht fest: “Die Summe muss es uns wert sein. Wenn wir das Problem nicht im Ansatz lösen, erwarten uns später viel höhere Kosten.” Für den Zweiten Bürgermeister Georg Rabl (FWG) ist es dagegen “ein starkes Stück, dass der Freistaat das Problem einfach so auf die Kommunen abwälzt.” Ein Punkt, den auch Wolfgang Rzehak (Grüne) mit den Worten “die Staatsregierung stiehlt sich eindeutig aus der Verantwortung” unterstreicht.

Bei krassen Fällen auch ins Elternhaus

Dagegen fragt sich Marinus Dießl (CSU), ob eine solche Stelle überhaupt notwendig ist. Der angeführte gesellschaftliche Wandel, so Dießl, sei ein schwieriges Thema. Möglicherweise müsste man auch mal definieren, was denn Verhaltensauffäligkeit bei Kindern überhaupt bedeute. “Wenn ein Kind heute nur ein kleines Fehlverhalten zeigt, dann kommt sofort die große Klatsche.”

Doch Preysing beruhigt: “Da geht es schon um größere Ausfälle.” Bei krassen Fällen würden die Pädagogen sogar ins Elternhaus kommen und die überforderten Familien unterstützen. Darüberhinaus hätten alle fünf Rektoren sich dafür ausgesprochen und gesagt die geplante Betreuung sei der richtige Weg.

Trotz der Bedenken diverser Politiker sprach sich der Gemeinderat einstimmig dafür aus, sich an den Kosten für die geplante Stelle zu beteiligen. Nun müssen nur noch die anderen Tal-Gemeinden zu der gleichen Entscheidung kommen.

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