Halbzeit im Tegernseer Tal für die Wahlperiode 2014 bis 2020. Wurden die Maßgaben bislang in der politischen Realität umgesetzt? Gab es Erfolge? Misserfolge? Die TS sprach mit den Oppositionsführern. Einer von ihnen: Andreas Obermüller von den Freien Wählern in Tegernsee.
Tegernseer Stimme: Herr Obermüller, seit 20 Jahren engagieren Sie sich politisch in Tegernsee. 1995 wechselten Sie von der CSU zu den Freien Wählern. Warum?
Andreas Obermüller: Mir gefielen die Personen bei den Freien Wählern besser und ich mochte die Spezlwirtschaft nicht.
Das ist jetzt bei den Freien Wählern anders?
Obermüller: Definitiv. In unserer Fraktion sind wir weder vom Rathaus noch von irgendwelchen Baulöwen abhängig. Wir verstehen uns als selbstständige, eigenständige Kraft und bürgerliche Alternative.
Die Freien Wähler sind im Tegernseer Stadtrat mit 5 Sitzen vertreten – damit haben sie die gleiche Stimmanzahl wie die CSU. (Anm. der Red.: SPD: 3 / BürgerListe: 3). Sehen Sie sich eher als „große Koalition“ oder Opposition?
Obermüller: Die Freien Wähler koalieren nie mit jemandem. Das macht vielleicht Hubert Aiwanger, mit dem wir aber nichts zu tun haben. Die FWG Tegernsee ist völlig autark. Wir haben unsere Ansichten und tragen diese wohlüberlegt vor. Kompromisse einzugehen ist nicht unbedingt in unserem Interesse. Wir fahren unsere eigene Linie – deswegen haben wir auch so viele Anhänger.
Krachen Sie öfter mit der CSU zusammen?
Obermüller: Nein. Im Tegernseer Stadtrat haben wir mit Bürgermeister Johannes Hagn (CSU) eine sachbezogene, kollegiale Diskussion und Arbeitsweise. Vertreter anderer Meinungen werden nicht mehr – so wie früher – niedergebügelt. Diese „Art von Opposition“ gibt es nicht mehr. Wir arbeiten alle sehr gut zusammen.
Früher wurde man also „niedergebügelt“?
Obermüller: Man musste halt seine Rechte einfordern. Nach zwölf Jahren mit vielen Konflikten erleben wir jetzt mit Johannes Hagn eine friedliche Zusammenarbeit.
Wenn Sie mit Ihrer Fraktion nicht nur fünf, sondern – sagen wir mal – neun Sitze im Stadtrat hätten. Was würden Sie durchsetzen?
Obermüller: Wenn wir die gestalterische Mehrheit hätten, würden wir auf‘s Tempo drücken, etwa bei der Planung für eine größere Tiefgarage unter dem Kurgarten. Und das, was bei uns im Wahlprogramm steht, zügig umsetzen. Vorausgesetzt natürlich, wir hätten die finanziellen Möglichkeiten.
Und das wäre zuerst?
Obermüller: Wir haben viele Selbstständige in der Fraktion, die aus Tegernsee kommen. Daher haben wir profunde Einblicke in die geschäftlichen Abläufe. Zuallererst hätten wir natürlich das wirtschaftliche Wohlergehen in Tegernsee im Auge.
Und was haben Sie da speziell „im Auge“?
Obermüller: Die Fremdenverkehrsabgabe beispielsweise. Die würden wir abschaffen. Weil jemand, der gerade ein Geschäft eröffnet hat und noch keinen Gewinn macht, ebenfalls zur Zahlung der Fremdenverkehrsabgabe herangezogen wird. Das halte ich für falsch. Seit 2005 hat die Stadt durch die Zweitwohnungssteuer jährlich um die 500.000 Euro eingenommen. Die Fremdenverkehrsabgabe hätte man dadurch ausgleichen können. Das wurde damals übersehen.
Gibt es auch ein übergeordnetes Ziel?
Obermüller: Ein übergeordnetes Ziel ist die Verlängerung der Bindungsfrist beim Bürgerbegehren. Die würden wir von einem auf zwei Jahre verlängern. Dazu hat die FW-Landtagsfraktion einen Gesetzesentwurf im Landtag eingebracht. Es ist ja so: Wird ein Projekt von den Bürgern per Votum abgelehnt, muss die Stadt das ein Jahr lang akzeptieren. Aber nach Ablauf dieser Frist kann sich jede Kommune über diese Entscheidung hinwegsetzen. So war es beispielsweise 2003 beim Bau des Steges. Oder 2005 beim Bau des LIDL.
Nutzen die Freien Wähler ihre Stimmen im Stadtrat eher dazu, um Ziele durchzusetzen oder um Kontrolle auszuüben? Oder sind die Ziele eventuell sogar deckungsgleich?
Obermüller: Ob die Ziele deckungsgleich sind? Ich weiß es gar nicht. Die finanziellen Mittel limitieren jedenfalls die Ziele. In der Stadtratsitzung sind hauptsächlich die Themen auf der Tagesordnung relevant. Für übergeordnete Themen machen wir Klausursitzungen.
Das heißt, Sie bringen gar keine eigenen Themen ein?
Obermmüller: Doch, natürlich. 2011 hatten wir beispielsweise eine Bedarfsanalyse für ein Parkhaus beantragt. Damals wurde ich dafür von der CSU als Populist bezeichnet, die Analyse letztendlich abgelehnt und verworfen. So war der Umgang mit Fakten. Der Antrag zur Namensgebung des „Kalterer Platzes“ kam von mir.
Wie glauben Sie, sehen die Bürger die Aufgaben der Freien Wähler im Stadtrat?
Obermüller: Ich denke, die Bürger sehen uns als „ungebundene, eigenständige Kraft“ und mögen keine „Mauscheleien“. Unser Vorteil: Wir sind frei von den „großen“, überregionalen Problemen wie beispielsweise die Flüchtlingspolitik.
Als wir von Oktober 2014 bis Juni 2016 etwa 200 Flüchtlinge hier in Tegernsee unterbringen mussten, war das die Ausnahme. Bei der Bewältigung dieser Situation haben dann alle im Stadtrat an einem Strang gezogen und die Stadtverwaltung hat die Aufgabe sehr gut bewältigt.
Die Freien Wähler verfolgen also „ausschließlich kommunalpolitische Ziele“?
Obermüller: Das ist für uns als FWG Tegernsee zutreffend. Eines unserer Hauptanliegen wird in nächster Zeit die Aufgabe der Planung des Parkhauses in der Hauptstraße sein, hinter dem Tegernseer Volkstheater. Wir finden, 50.000 Euro pro Parkplatz sind dafür einfach zu teuer und das Gebäude steht am falschen Platz.
Weil es sich in Seenähe befindet, müsste es zudem mit Pfählen abgesichert werden und hätte auf jeden Fall zu wenig Nutzfläche. Auch die Rahmenbedingungen sind längst nicht geklärt, und mit den Nachbarn stünden unerfreuliche juristische Auseinandersetzungen ins Haus.
Wie schaut die Alternative der Freien Wähler aus?
Obermüller: Unsere Vorschläge haben wir bereits in die Diskussion eingebracht. Wir befürworten als „Plan B“ eine Erweiterung der Sparkassentiefgarage um ein bis drei Parkdecks. Ungefähr 1,3 Millionen Euro müsste man für 60 Plätze investieren. Der Kurgarten gehört der Stadt und es gibt keine absehbaren Auseinandersetzungen mit Nachbarn.
Außerdem haben wir noch „Plan C“: Im Dezember 2025 läuft nämlich der Pachtvertrag für den Zentralparkplatz aus. Sollte das Seehotel zur Post neu gebaut werden, bestünde dort auch Bedarf an Parkmöglichkeiten für die Gäste. Mit einer Tiefgarage könnte man das Problem lösen, und dabei ein größeres Parkplatz-Kontingent für die Öffentlichkeit integrieren. Und zwar genau dort, wo bestehende Parkplätze wegfallen.
Was steht noch auf der Agenda der Freien Wähler?
Obermüller: Eine Altlast. Das Feuerwehrhaus. Der frühere Bürgermeister hatte uns damals verschwiegen, daß bei unserer Feuerwehr umfangreicher und akuter Handlungsbedarf besteht. Das Gebäude entspricht nicht den Anforderungen was die räumliche Situation betrifft und setzt unsere freiwilligen Feuerwehrler unnötigen Gefahren aus.
Und wie stehen die Freien Wähler zur Bauwut im Tal?
Obermüller: Man darf nicht vergessen, dass Tegernsee seit dem Wegfall des Krankenhauses 1998 regelrecht „ausgeblutet“ ist. Bis heute hat sich die Stadt nicht von diesem Aderlass erholt. 200 Arbeitsplätze sind damals verschwunden. Wir haben hier in Tegernsee viel touristisches Gewerbe und praktisch keine Industrie.
Je weniger Betten wir haben, desto weniger Gäste und Übernachtungen haben wir. Eine Spirale, die sich immer weiter nach unten dreht. Ohne neue Projekte werden wir das nicht schaffen. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Erhalt und Erwerb von Immobilien und bezahlbarem Wohnraum.
Wurde nicht mehr erworben als erhalten?
Obermüller: Die Sanierungen der städtischen Wohnungen wurden in den letzten Jahren etwas vernachlässigt. Zur Zeit haben wir einen Sanierungsstau, den wir aber inzwischen im Griff haben.
Werden die Freien Wähler 2020 einen Bürgermeisterkandidaten stellen? Stehen Sie selbst zur Verfügung?
Obermüller: Ja. Grundsätzlich stehe auch ich bereit, aber nur, wenn eine Situation eintritt, in der es notwendig ist.
Wann wäre das der Fall?
Obermüller: Wenn sonst kein geeigneter Kandidat antreten würde.
Eine letzte Frage: Sie waren vor Ort, als Richterin Cornelia Dürig-Friedl zum „Spielothek“- Gerichtstermin nach Tegernsee kam. Sind Sie froh, dass die Klage abgewiesen wurde?
Obermüller: Ich hoffe, dass es dabei bleibt. Wenn eine Stadt ihre Gäste mit einer Spielothek begrüßt, dann ist der Ort ganz schön am Ende.
Herr Obermüller, vielen Dank für das Gespräch.
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