Frei dokumentierte an diesem Tag: „Ich mache mich mit meinen Mitarbeitern am 2. Mai (um 5:45 Uhr) erneut auf den Weg. Die Deutschen hatten sich in der Nacht nach Schliersee und ins Kreuther-Tal abgesetzt.“ Nach einigem Hin und Her ließen sie die deutschen Sicherungsposten in Dürnbach passieren. An der Kreuzung Kreuzstraße wartete Frei noch zwei Stunden, dann fuhren sie den Amerikanern entgegen. „Glücklicherweise herrschte leichtes Schneetreiben, das die Gefahr von Tieffliegerangriffen minderte.“
Eine Stunde später stand der Schweizer dem Kommandanten Major William Evans von der 12th Armored Division gegenüber und übergab seine Botschaft von der Kapitulation der Talgemeinden. Evans sicherte Frei schriftlich zu, dass seine Truppen keine kriegerischen Aktionen unternähmen, wenn sich die Gemeinden an die durch Frei übermittelten Auflagen hielten (Entwaffnung des Volkssturms, weiße Fahnen, keine Feindseligkeiten).
Doch als Frei nach Rottach zurückkehrte, hatte sich die Lage dramatisch zugespitzt. Die ins Tegernseer Tal abgedrängte SS-Panzerdivision Götz von Berlichingen brachte „ungeachtet der Schutzzone“ Panzerabwehrgeschütze, Mörser und Maschinengewehrnester in Stellung, Straßen und Brücken wurden unterminiert.
Schutz in den Bergen
Die Bevölkerung war in panischer Angst. „Hunderte von Personen packten ihre Bündel und zogen in die Berge“, schrieb Frei später, „meine vorangegangene Mission musste bei den Amerikanern in ein bedenkliches Licht geraten.“
Der Gmunder Pfarrer Otto Heichele notierte: „Am 2. Mai erreichte die Spitze der amerikanischen Panzer Gmund. Im selben Augenblick wurden um 16:15 Uhr die beiden Mangfallbrücken gesprengt. Gegen 17 Uhr waren die Amis auf dem linken Mangfallufer in Gmund angekommen. Es begann gegen Abend des 2. Mai ein Artillerie-Duell zwischen den auf der Straße nach Wiessee vorgehenden Amipanzern und der SS.“ Das Duell verursachte schwere Schäden. In Holz brannte der stattliche Gündischhof bis auf die Grundmauern nieder.
Sprengung der Brücken
Über Donnerstag, den 3. Mai, hielt Frei fest: „In der Nacht vom 2. auf 3. Mai ging die Schießerei weiter. Einige Häuser in Wiessee und Rottach brannten.“ Frei versuchte, den Befehlshaber der Waffen-SS, Georg Bochmann, in seinem Gefechtsstand in Glashütte aufzusuchen. Gegen Mittag gelang der Kontakt mit Bochmann. Ihm wollte Frei klarmachen, dass er entgegen der Genfer Konvention seine Verbände in den Schutzzonen mit den zahlreichen Lazaretten positioniert hatte. Zudem könnte die SS angesichts der Übermacht der Amerikaner nur hinhaltenden Widerstand leisten, „hiermit aber nutzlos das Leben von vielen tausenden Volksgenossen gefährden.“
Frei appellierte an Bochmann als Ehrenmann. „Wie ich vermutet hatte, verfehlte das Wort Ehre seine Wirkung nicht. Bochmann begann einzulenken.“ Sie vereinbarten, dass die SS sich binnen einiger Stunden hinter die Gefechtslinie an der Weissach zurückziehen sollte, damit die Tal-Gemeinden nicht mehr unmittelbar gefährdet sind. Frei: „Ich meinerseits übernahm die Verpflichtung, bei den Amerikanern dahin zu wirken, dass auch sie die Schutzgebiete achteten.“ Nach Rottach zurückgekehrt, verbreitete sich Freis erfolgreiche Mission schnell. Die Bürgermeister ließen die Glocken läuten. Doch das Artilleriefeuer dauerte an, Brücken flogen in die Luft.
Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, nahm Frei das Angebot von drei Emissären an, die den Amerikanern seine Vereinbarung mit der SS überbringen wollten. Für den Stabsarzt Dr. Karl Friedrich Scheid, den Oberleutnant Franz Heiß und den Zivilisten Dr. Franz Winter als Dolmetscher war es eine verhängnisvolle Entscheidung. Obwohl sie am nördlichen Ortsende von Bad Wiessee mit einer großen weißen Fahne zu Fuß unterwegs waren, wurden die drei Parlamentäre von hinten mit Gewehrsalven niedergestreckt.
Ein amerikanischer Vorposten, der diesen Vorfall aus nächster Nähe beobachtete, brachte die Verletzten hinter die amerikanische Linie. Winter wurde sofort in ein Lazarett gefahren und ist seither vermisst. Scheid erlitt einen Nierensteckschuss und Heiß einen Beindurchschuss. Obwohl schwer verwundet, konnten sie noch in St. Quirin dem amerikanischen Befehlshaber Evans die von Frei ausgehandelte Vereinbarung mit der SS übergeben. Scheid erlag später seinen Verletzungen. Nur Heiß überlebte diese Mission. Eine Gedenktafel unweit der Spielbank erinnert an die drei Parlamentäre.
Der Tod erreicht Louisenthal
Obwohl am 3. Mai das Kriegsende nahte, kam es unweit davon in der Papierfabrik Louisenthal zu einer unerklärlichen Gräueltat. In der Nacht zuvor rückten statt der erwarteten Amerikaner zunächst Franzosen nach Dürnbach ein. „Sie feierten den Sieg, randalierten, plünderten und waren betrunken“, schrieb später ein Chronist. Am Morgen des 3. Mai erschienen sie bei den Besitzern der Papierfabrik, Hans Förderreuther und Kommerzienrat Arthur Haug. Die Franzosen kontrollierten Ausweise und nahmen Wertsachen mit.
Doch als in der aufgeheizten Stimmung das Gerücht auftauchte, auf dem Werksgelände halte sich ein SS-Offizier versteckt, zog sich für Haug und Förderreuther die Schlinge zu. Zusammen mit einem verwundeten Wehrmachts-Soldaten wurden sie ohne Verhör nahe der Werksbrücke erschossen. Heute erinnert eine Gedenktafel in der Kapelle an der Mangfall an sie.
Am Abend des 3. Mai wurden Wiessee und Tegernsee eine Stunde mit Artillerie beschossen. Gegen Abend zeichnete sich der Rückzug der SS-Verbände Richtung Glashütte ab. Dennoch lautete ihr Divisionsbefehl: „Es wird weitergekämpft.“
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