Über 1.300 Flüchtlinge bis Jahresende

Bislang ging das Landratsamt von 900 Asylbewerbern aus. Doch Recherchen der Tegernseer Stimme zeigen eine neue Dimension: 1.333 Flüchtlinge werden dem Landkreis bis Ende des Jahres zugeordnet. “Eine schier unlösbare Aufgabe”, heißt es aus dem Miesbacher Landratsamt. Die Folge: Mehrkosten in Millionenhöhe.

Warten im Gang: Asylbewerber gehen im Landratsamt ein und aus.
Warten im Gang: Asylbewerber gehen im Landratsamt ein und aus.

Normalerweise ist das Landratsamt dazu da, um Bauanträge zu genehmigen, um Fahrzeugpapiere auszustellen und sich um Jugend- und Sozialhilfe zu kümmern. Der ständig anschwellende Flüchtlingsstrom aber stellt dessen Mitarbeiter zunehmend unter Druck. Obwohl sieben neue Mitarbeiter allein für alle Bereiche der Asylbewerber eingestellt worden seien, „kommen alle Mitarbeiter auf dem Zahnfleisch daher“, klagt Wolfgang Zierer, Fachbereichsleiter für Ausländer- und Asylangelegenheiten.

Er muss es wissen. Er arbeitet mitten im Brennpunkt. Sein Gebäudekomplex an der Münchner Straße gleiche jetzt schon an manchen Tagen dem Rosenheimer Bahnhof. Doch bis Ende des Jahres kommt es noch dicker: die Regierung von Oberbayern korrigiert ihre Prognose bis Ende des Jahres deutlich nach oben. Nicht 900 werden es sein, sondern 400 mehr: 1.333 wurden am Montag dem Landratsamt prophezeit. Derzeit wohnen 683 Asylbewerber im Landkreis. Diese Hiobsbotschaft sprengt alle Dimensionen in Miesbach. „Dabei ist es jetzt schon eine schier unlösbare Aufgabe“, klagt Zierer.

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Man arbeite bereits im Krisenmodus. 25 Mitarbeiter würden sich jetzt schon ausschließlich um das Thema Asyl kümmern. Über 1.300 Asylbewerber bis zu Jahresende überraschen auch Pressesprecher Gerhard Brandl, der bislang bei seinen Planungen von 900 ausging. Mit diesem Ansturm dürften auch sämtliche Überlegungen und Kapazitäten des Landratsamtes obsolet sein. Bislang glaubte man, dass die geplante Traglufthalle in Rottach-Egern, ausgelegt für etwa 150 Flüchtlinge, den Druck aus dem Kessel etwas nehmen würde. Doch die Realität dürfte alle Notmaßnahmen übersteigen.

Wöchentlich kommen 29 neue Asylbewerber

„Wir hoffen“, so Brandl, „dass die Traglufthalle Mitte Dezember kommt. Hier ist die Situation wie bei den inzwischen ausverkauften Containern, dass nicht nur wir auf die Idee einer Traglufthalle als Notlösung kommen. Da gibt es inzwischen auch entsprechende Lieferzeiten. Natürlich hoffen wir, dass wir bis zum Schulanfang Mitte September die Turnhalle des Tegernseer Gymnasiums frei bekommen. Doch wenn ich höre, wie viele neue Flüchtlinge ins Land kommen, dann habe ich allerdings meine Zweifel, ob uns die Räumung der Turnhalle gelingt“.

Er wäre schon froh, wenn es gelänge, die alte städtische Turnhalle zum Schulanfang frei zu bekommen, damit wenigstens eine für den Schulsport zur Verfügung stehe. Angesichts der ganz neuen Situation fordert Kollege Zierer ein Umdenken: „Wir brauchen etwas Großes für 500 oder 600 Flüchtlinge und nicht was Kleines für fünf oder etwas mehr Plätze“.

Brandl entgegnet: „Wir haben immer noch einige Objekte frei, zum Beispiel in Valley. Da für dort die Container schon lange bestellt sind, werden diese wohl im September für etwa 50 Flüchtlinge aufgestellt. Doch wie es jetzt aussieht, ist das auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Von dieser Woche an werden nicht mehr 23 sondern 29 Asylbewerber wöchentlich dezentral unterzubringen sein. Dann kann man sich vorstellen, wie schnell die Container und die Traglufthalle voll belegt sind“.

Auch die Traglufthalle reicht nicht

Die Kollegen des Bauamtes hätten bei der Traglufthalle in Rottach-Egern auch zu prüfen, „passt sie dort im Birkenmoos überhaupt hin, ist der entsprechende Abstand zu Wohngebäuden gegeben, was sagt der Natur- und Landschaftsschutz dazu.

Auch da sind Kollegen befasst, wo man gar nicht daran gedacht hätte, dass sie einmal das Thema Asyl beschäftigen würde“. Zudem müsse zur Traglufthalle erst eine Entscheidung des Rottacher Gemeinderats fallen. Brandl: „Ich glaube zwar nicht, dass er sich angesichts der Problematik groß dagegen wehren wird, aber trotzdem muss dieser Beschluss erst abgewartet werden“.

Asylbewerber werden im Landratsamt beraten.
Asylbewerber werden im Landratsamt beraten.

Zierers Referat für Ausländerangelegenheiten ist die tägliche Anlaufstelle für Asylbewerber. Sie bekommen dort nicht nur ihre Berechtigung für Arztbesuche, dort gibt es auch Bares. Einen Hinweis darauf geben die Security-Leute, ohne die es nicht mehr ginge, heißt es hier. Vor allem nicht bei der Zahlstelle. Immer nur eine Person werde aus Sicherheitsgründen eingelassen.

Zierer: „Prinzipiell hat ein alleinstehender Asylbewerber Anrecht auf 325 Euro Taschengeld pro Monat. Davon muss dieser Essen, Trinken und Kleidung bestreiten“. Etwa 700 Flüchtlinge sind aktuell im Landkreis untergebracht. Vorsichtig gerechnet sind dies etwa 250.000 Euro pro Monat, die hier ausbezahlt werden. Kosten, die das Landratsamt gegenüber der Regierung von Oberbayern geltend macht. Doch an deren Zahlungswillen hakt es offenbar.

Kostenstreit mit der Regierung von Oberbayern

Gerhard Brandl: „Das Landratsamt streitet sich noch mit der Regierung von Oberbayern über bislang nicht bezahlte Leistungen, wie zum Beispiel den Sicherheitsdienst in der Tegernseer Turnhalle. Diese wird rund um die Uhr bewacht“. Offene Rechnungen gebe es mit der Regierung auch bei der Aufstellung und Belegung von Containern.

„Bisher hat die Regierung nur für den Asylbewerber bezahlt, der drin war. Doch wir haben die Container gekauft oder gemietet. Das sind feste Kosten“. Egal sei es da, wie sie belegt sind. „Da ist ein ständiger Wechsel, mal zieht einer aus, mal kommt einer“. Insgesamt habe das Landratsamt Zusatzkosten von weit mehr als einer Millionen Euro zu verkraften.

Denn man müsse die zusätzlichen Stellen selbst finanzieren. „Markus Söder als Finanzminister macht es sich da sehr leicht, wenn er sagt, das Ausländer- und Asylrecht sei von je her Aufgabe der Landratsämter“, wird Miesbachs Landrat Wolfgang Rzehak (Grüne) zitiert. Wie alle Landratsämter fühlt sich auch das Miesbacher bei dieser Herkulesaufgabe allein gelassen.

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